Spitzen- statt Sterne-Hotellerie im Spitzhorn Saanen

Spitzen- statt Sterne-Hotellerie im Spitzhorn Saanen

Von Helmuth Fuchs

Saanen – Nicht immer mehr von Allem, sondern das Beste vom Wichtigen. So das kurze Fazit unseres Aufenthaltes im neuen Drei Sterne Superior Hotel Spitzhorn in Saanen-Gstaad. Ilse und Michel Wichman konzentrieren sich einzig auf den Gast und sein Wohlbefinden. Ein luftiges, lockeres, modernes Ambiente und die Herzlichkeit der Gastgeber und aller Angestellten scheinen das richtige Rezept für den Erfolg.

Gstaad strahlt weit in die Welt als Destination des alpinen Luxus. Die Hotels überbieten sich mit Sternen: Vom Grand Hotel Park, The Alpina Gstaad, Le Grand Bellevue bis zu einer der Ikonen der Klassik-Hotellerie, dem Gstaad Palace Hotel. Die Perle im Berner Oberland umgibt sich für das Selbstverständnis und die Aufrechterhaltung des früheren Glanzes noch immer mit Prominenz aus Film, Kunst, Sport und Adel. So wurde kurz vor unserem Aufenthalt die Schauspielerin und Sängerin Julie Andrews (“Mary Poppins”) zur Ehrenbürgerin ernannt, zu Beginn des Jahres feierte Andrea Casiraghi, der älteste Sohn von Prinzessin Caroline von Monaco, seine Hochzeit in Rougemont, Madonna besitzt ein Chalet in Gstaad, ebenso Formel 1 Chef Bernie Ecclestone.

Echte Herzlichkeit statt künstliche Wichtigkeit
Alles gut für die Fassade, aber nicht der Grund weshalb es uns ins Saanenland zog. Parallel zur Welt der Superreichen und des klassischen Grand-Hotel-Tourismus entwickeln sich im Saanenland neue Konzepte für die Zukunft. Michel Wichman, zuvor acht Jahre Hoteldirektor im Grand Hotel Bellevue (heute Le Grand Bellevue) stellt mit seiner Frau Ilse Wichman radikal das Wohlbefinden der Gäste ins Zentrum. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist bei vielen hochdekorierten Luxushotels irgendwann auf der Strecke geblieben. Die Jagd nach Sternen und Punkten, das Bemühen um eine möglichst hohe Dichte an Prominenz führte dazu, dass man sich als normaler Gast nicht mehr richtig wohl fühlte. Die Wichmans konnten das Hotel Spitzhorn von Beginn weg mitgestalten. Als Pächter übernehmen sie von den Basler Versicherungen ein Haus, das ihren Vorstellungen von moderner Hotellerie bestens entspricht. Kein gestelztes Getue, keine künstliche Wichtigkeit, dafür eine lockere Atmosphäre und echte Herzlichkeit.

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Vom ersten Augenblick an Stammgast
Schon beim Betreten werden wir begrüsst wie Stammgäste, obschon wir das erste Mal hier sind (das Hotel wurde im Dezember 2013 eröffnet). Die Stimmung ist von der ersten bis zur letzten Minute von einer natürlichen Herzlichkeit, familiär, nie aufgesetzt, nie aufdringlich, immer glaubwürdig. Dasselbe gilt auch für die Architektur. Wie im Saanenland unvermeidlich (und vorgeschrieben) ist auch das Spitzhorn im Chaletstil mit Satteldächern erbaut. Wo seit 1940 fünf einzelne Häuser standen, wurde ein neuer Komplex mit vier in einander übergehende Chalets erstellt, wobei der Eingangsbereich mit Flachdach das Chalet mit Restaurant, Bar, Gartenterrasse und Aufenthaltsräumen optisch trennt von den Chalets mit den Gästezimmern. Zusätzlich wurden hinter dem Hotel drei Chalets mit 17 Eigentumswohnungen erstellt, deren Verkauf den Bau des Hotels mit finanziert. Dem traditionellen Äusseren des Spitzhorns folgt eine moderne Interpretation der Tradition im Innern. Gebürstetes Tannenholz, Granit und warme Erdfarben dominieren grosszügig konzipierte, lichtdurchflutete Räume. Die Max Rieder Architekten und Jaggi & Partner (Innenarchitekten) haben eine Hülle gestaltet, die sich aussen harmonisch ins Ortsbild eingliedert und innen luftige, helle Räume mit sofortigem Wohlgefühl bietet. Eine Kombination von traditionellem Äusseren und modernem Inneren die überzeugt.

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Energietechnisch verwöhnt Energie tanken
Der gesamte Bau wurde im Minergie-Standard erstellt, die Räume verfügen über Bodenheizung, Komfortlüftung, energiesparende Beleuchtung. Geheizt wird über den Anschluss an eine Fernwärmeanlage (Holzschnitzel), Küchenabfälle werden als Biomasse aufbereitet einem Verwerter zugeführt. Ein Blick in die imposante Energiezentrale im Untergeschoss des Hotels vermittelt einen Eindruck in die technischen Möglichkeiten eines modernen Hotelbetriebs. Es sind aber auch hier wieder die einfachen und cleveren Lösungen, welche den Gast zum Staunen bringen: Integrierter USB-Anschluss und Steckdose in der Nachttischkonsole. Kein Ausstecken der Stehlampe und entnervtes Suchen nach einem freien USB-Port am Laptop mehr. Alles genau da, wo man es benötigt. Wahrer Luxus statt vorgetäuschte Grösse.

Leichtigkeit des Seins, auch in der Küche
Dasselbe gilt für die Küche. Frische, oft einheimische Zutaten, einfache Karte. Spezielle Suppentöpfe, Fische aus heimischen Gewässern, alpine Klassiker, deftige Rösti und süsse Verführungen finden sich im Angebot, dazu jeweils saisongerechte Spezialitäten. Wir reisten zur Spargelzeit an und so kam ich in den Genuss einer Spargel-Samtsuppe mit Flusskrebsen und Kerbelrahm begleitet von einem Glas Sauvignon blanc de Dardagny von Emilienne und Jean Hutin. Die Gebrüder Jean und Pierre Hutin gehörten zu den Pionieren, die den Sauvignon blanc in der Schweiz anbauten. Pierre’s Nichte Etienne führt seit 2008 die Tradition der Neugierde und Offenheit für Neues fort. Passt also bestens zu Wichman’s Spitzhorn. Als Hauptgang wurde ein Kalbshuftmedaillon an weisser Spargel mit Frühlingskartoffeln und Sauce Hollandaise serviert. Die im Hotel propagierte Leichtigkeit des Seins wird perfekt in den Gerichten umgesetzt. Beim Dessert verliessen wir kalorienmässig kurz die leichte Spur, wurden dafür aber himmlisch belohnt mit gebrannter Crème mit Tonkabohnen, Honig-Ingwer-Glace und karamelisierten Kürbiskernen.

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Der Berg ruft
und wir sind seinem Ruf zumindest in Ansätzen gefolgt. Der Berg, der aus nicht allzu weiter Ferne lockt ist der Namensgeber des Hotel, das Spitzhorn. Irgendwie hatte ich auch noch die Ballade von Span im Ohr (Louenesee) und so machten wir uns mit den Mountainbikes auf Richtung des besungenen Sees. Die Route führt über fast nicht befahrene Strassen und Wege hoch in die fantastische alpine Landschaft. Schnee und Eisreste am und auf dem See, Farbenspiele in Blau, Türkis, sattem Grün, dramatische Wolkenspiele an den imposanten Felswänden, die stille Abgeschiedenheit des Tales lassen die Betrachter staunend und dankbar entspannt zurückkehren. Der Wechsel zurück in die offene Kulisse des Saanenlandes, zurück zum Spitzhorn, in die kleine, aber sehr feine Wellnessanlage. Ein Schwimmbad, Sauna, Dampfbad, Kneippbecken, Erlebnisdusche und Fitness- und Ruhezone erwarten die Gäste. Auch hier einheimische Materialien in schon fast zen-artiger Anwendung und Gestaltung. Tageslicht und viel indirekte Beleuchtung sorgen für eine stille, erholsame Atmosphäre.

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Fazit
Das Spitzhorn ist eine inspirierende Form moderner Hotellerie. Keine sinnentleerte Jagd nach Sternen, dafür viel Lebensqualität und echte Gastfreundschaft zu mehr als nur fairen Preisen. Im Spitzhorn schreibt jeder Gast Geschichte: Jeder bekommt ein persönliches Tagebuch, in dem er seine Eindrücke und Erlebnisse festhalten kann. Das Tagebuch bleibt im Hotel in einer speziell dafür angefertigten Bibliothek. Beim nächsten Aufenthalt schreibt der Gast seine Geschichte weiter. Die Gäste bescherten dem neu eröffneten Hotel nach kurzer Zeit schon einen Spitzenplatz bei den Reiseportalen (zum Beispiel TripAdvisor). Und dies völlig zu Recht. Wir waren mehr als nur angetan von der Betreuung, dem Ambiente, der Küche, dem Wellnessbereich und dem Saanenland. Hier wächst eine Form der Hotellerie, die zeitgemäss und zukunftsfähig ist, die Sterne dort lässt, wo sie hin gehören (an den Himmel, wie Michel Wichman es formuliert) und dem Wohlergehen des Gastes alles unterordnet. Ein gutes Gefühl, das lange bleibt, mindestens bis zum nächsten Aufenthalt im Spitzhorn.

Hotel Spitzhorn:
– 3* Superior (4*-Infrastruktur in 5*-Umgebung)
– 50 Zimmer
– Restaurant, Bar, Sonnenterrasse

– Wellness mit Sauna, Indoor Pool, Dampfbad, Erlebnisdusche, Fitness- und Ruhezone
– Ski- und Velovermietung und Sportgeschäft

– Preise: Ab 130 CHF / Übernachtung

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