IV: Grosse Unterschiede bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit

IV: Grosse Unterschiede bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit
(Foto: 18percentgrey - Fotolia.com)

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Basel – Wer ein Gesuch für eine Leistung der Eidgenössischen Invalidenversicherung stellt, muss davon ausgehen, dass ein Gutachten zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit erstellt wird. Eine Untersuchung des Instituts für Klinische Epidemiologie und Biostatistik am Universitätsspital Basel zeigt nun, dass bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit grosse Diskrepanzen bestehen: Gutachter, IV-Gesuchsteller und deren behandelnde Ärzte sind sich sehr oft nicht einig.

Ob jemand voll, teilweise oder gar nicht arbeitsfähig ist, lässt die Eidgenössische Invalidenversicherung (IV) in rund 10 Prozent aller Fälle professionell abklären. Meist geschieht dies, wenn eine Unsicherheit besteht, wie die Arbeitsfähigkeit eines IV-Gesuchstellers einzuschätzen ist. Dann wird ein Gutachten an einer vom Bundesamt für Sozialversicherung anerkannten Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) erstellt. Ob dabei die Meinungen zwischen Gutachtern, IV-Gesuchstellern und deren behandelnden Ärzten auseinandergehen, wurde bisher noch nie untersucht.

Abweichung bis zu 50 Prozent
Das Institut für Klinische Epidemiologie und Biostatistik des Universitätsspitals Basel legt nun eine Analyse vor, die grosse Unterschiede in der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit zutage fördert. Demnach schätzten die MEDAS-Gutachter die Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit eines IV-Gesuchstellers um knapp 30 Prozent höher ein als die Gesuchsteller selber oder ihre behandelnden Ärzte. Für eine dem Leiden angepasste Ersatztätigkeit stuften die MEDAS-Gutachter die Arbeitsfähigkeit gar um rund 50 Prozent höher ein.

Bei Gesuchstellern mit schweren Depressionen waren die Unterschiede in der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit geringer, bei jenen mit nicht direkt nachweisbaren körperlichen Beschwerden wie Müdigkeit, Erschöpfung oder Schmerzsymptomen hingegen noch stärker.

Einheitliche Beurteilungsmethodik gefordert
Für die Verfasser der Studie sind die Gründe für die ausgeprägten Diskrepanzen in der Beurteilung vielfältiger Natur. Prof. Alain Nordmann, wissenschaftlicher Oberarzt, meint: „Es ist davon auszugehen, dass Gesuchsteller und deren behandelnde Ärzte in grösserem Ausmass persönliche und psychosoziale Umstände berücksichtigen, welche von den Gutachtern als invaliditätsfremd eingestuft werden.“

Ausserdem könne die Bezahlung der Gutachter durch die IV ein Interessenskonflikt sein, der bei kritischen Fällen eine härtere Begutachtung der Arbeitsfähigkeit begünstigt. Weil genau definierte Methoden zur Evaluation der Arbeitsfähigkeit fehlen, regen die Forscher an, für das Verfahren der IV-Renten eine einheitlichere und validierte Beurteilungsmethodik zu schaffen. (Universität Basel/mc/pg)

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