EU-Schluss: Steile Talfahrt nach EZB-Aussagen

EU-Schluss: Steile Talfahrt nach EZB-Aussagen

London – Schwer enttäuscht von der EZB sind die wichtigsten europäischen Aktienmärkte am Donnerstag auf steile Talfahrt gegangen. Sie knüpften damit an ihre Vortagesverluste an. Zusätzlich wurden die Börsen noch belastet von einem noch stärker als bereits erwarteten Rückgang der Auftragseingänge in der US-Industrie im August. Der EuroStoxx 50 brach um 2,77 Prozent auf 3106,42 Punkte ein. Das war nicht nur sein Tagestief, sondern zugleich der kräftigste Verlust seit Anfang des Jahres. Damals hatten Turbulenzen an den Finanzplätzen der Schwellenländer für ein fast dreiprozentiges Minus gesorgt.

In Paris sackte der Cac 40 am Donnerstag um 2,81 Prozent auf 4242,67 Punkte ab, der italienische FTSE MIB verlor sogar fast vier Prozent. In London büsste der FTSE 100 1,69 Prozent auf 6446,39 Punkte ein.

«Der Handel heute war sehr stark auf die Aussagen und Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank (EZB) fokussiert gewesen, und was dort zur Stützung der Wirtschaftserholung in der Eurozone getan wird», sagte Jasper Lawler, Marktanalyst bei CMC Marktes UK in London. Vor allem die spärlichen Aussagen von EZB-Präsident Mario Draghi über den Umfang der beschlossenen Wertpapierkäufe hätten deutlich enttäuscht. Zudem sei es auch nicht, wie von manchen in Anbetracht der Wirtschaftsschwäche erhofft, zur Ankündigung weiterer Käufe von Staatsanleihen gekommen.

Gefragt nach dem Umfang der Käufe hatte Draghi gesagt: «Es ist schwer, eine Summe zu nennen», bis er schliesslich meinte, die EZB dürfte das potenzielle Volumen von einer Billion Euro nicht ausschöpfen. Michael Schubert, EZB-Experte bei der Commerzbank, sagte dazu: «Die EZB kann froh sein, wenn sie einen dreistelligen Milliardenbetrag realisiert» und nannte die potenzielle Summe von einer Billion «unrealistisch hoch».

Am schwächsten zeigte sich unter den Sektoren die Öl- und Gasbranche mit einem minus von 4,00 Prozent, gefolgt vom Bankensektor, der vor allem unter den Draghi-Aussagen litt. Im 50 Werte umfassenden Auswahlindex der Eurozone, in dem es keinen Gewinner gab, waren die Papiere der italienischen Bank Intesa SanPaolo Schlusslicht mit minus 5,50 Prozent. Societe Generale verloren 5,05 Prozent und Unicredit sackten um 4,84 Prozent ab.

Der Öl- und Gassektor litt unter der fortdauernden Talfahrt der Ölpreise. Rohöl kostet derzeit so wenig wie zuletzt Mitte 2012. Einen wichtigen Grund für den Abwärtstrend der Preise sehen Rohstoffexperten der Commerzbank in der «fehlenden Angebotsreaktion der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec)». Das führende Opec-Mitglied Saudi-Arabien habe die Preise für seine Ölsorten für alle Kunden sogar deutlich gesenkt, schrieben die Commerzbank-Experten. Sie liegen demnach teilweise auf den Niveaus von Dezember 2008. Im EuroStoxx bekamen das etwa die Papiere von Total zu spüren, die um 4,98 Prozent nachgaben. In London verloren BG Group 3,61 Prozent, BP 2,79 Prozent und Royal Dutch Shell etwas mehr als zwei Prozent.

Die Anteilsscheine von Europas grösstem Reiseveranstalter Tui Travel hielten sich zwar noch besser als der Gesamtmarkt, konnten sich allerdings der stark negativen Stimmung nicht entziehen und rutschten um 0,65 Prozent ab. Mit exklusiven Urlaubsangeboten hatte die britische Tui-Tochter dem Preiskampf im Last-Minute-Geschäft getrotzt. Dank Rekordgewinnen in Deutschland und Grossbritannien war der um Sondereffekte und Währungskurse bereinigte operative Gewinn im abgelaufenen Geschäftsjahr bis Ende September um mindestens neun Prozent gestiegen. Bislang hatte Tui-Travel-Chef Peter Long ein Plus von sieben bis zehn Prozent in Aussicht gestellt.

Die Papiere von Ryanair hielten sich in London nach der Bekanntgabe von Verkehrszahlen sogar im Plus mit 0,54 Prozent. Der Urlaubsmonat September hatte Europas grösstem Billigflieger mehr Passagiere und deutlich besser gefüllte Maschinen beschert. (awp/mc/upd/ps)

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