Energiestrategie setzt Nationalrat unter Strom

Energiestrategie setzt Nationalrat unter Strom
(Bild: © Gina Sanders - Fotolia.com)

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Bern – Es wird ein Marathon: An fünf Tagen berät der Nationalrat in der Wintersession die neue Energiestrategie. Umstritten ist unter anderem, wie stark erneuerbare Energien gefördert werden sollen und ob es neue Regeln für alte Atomkraftwerke braucht.

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima im Frühjahr 2011 hatte der Bundesrat beschlossen, dass in der Schweiz keine weiteren Atomkraftwerke gebaut werden sollen. Das Parlament bestätigte diesen Entscheid noch im selben Jahr. Nun geht es um die Frage, wie die Energieversorgung in Zukunft aussieht.

Mittelfristig braucht es grosse Reformen: Ab 2021 soll eine Lenkungsabgabe das heutige Fördersystem ersetzen. Diese ökologische Steuerreform steht jedoch noch nicht zur Debatte, der Bundesrat will seine Vorschläge dazu im Frühjahr präsentieren. Vorerst geht es lediglich darum, am heutigen System zu schrauben. Dieses erste Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 ist jedoch umstritten genug: Dem Rat liegen über hundert Änderungsanträge vor.

Zurück an den Absender
Die Beratungen beginnen am nächsten Donnerstag. Nach der Eintretensdebatte wird der Nationalrat als erstes über zwei Anträge von bürgerlicher Seite für eine Rückweisung der Vorlage entscheiden. Beide verlangen ein Gesamtpaket: Der Bundesrat soll alle Massnahmen gleichzeitig vorlegen, inklusive ökologische Steuerreform. Da es dafür eine Verfassungsänderung braucht, gäbe es eine Volksabstimmung, ohne dass die Gegner das Referendum ergreifen müssten.

Sofern sich keine Mehrheit für die Rückweisung findet, geht es als nächstes um die Ziele für den Ausbau der Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien und die Verbrauchsziele. Die Mehrheit der vorberatenden Nationalratskommission hat beschlossen, diese «Richtwerte» statt «Ziele» zu nennen.

Der Unterschied ist freilich gering: Die Werte sollen lediglich dazu dienen, die tatsächliche Entwicklung dereinst damit zu vergleichen. Zu reden geben wird dagegen, wo sie angesetzt werden. Die Ratslinke wird für höhere Produktionsziele plädieren, die Ratsrechte für tiefere Verbrauchsziele.

Mehr Mittel für erneuerbare Energien
Wichtiger als die Ziele sind die Massnahmen, darunter die Förderung der erneuerbaren Energien. Am Instrument der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) will der Bundesrat festhalten. Er will aber mehr Anlagen fördern können und deshalb den Netzzuschlag erhöhen, aus dem die KEV finanziert wird.

Nach dem geltenden Gesetz darf der Zuschlag maximal 1,5 Rappen pro Kilowattstunde betragen. Künftig sollen es 2,3 Rappen sein. Die Gegner wollen den Deckel bei 1,5 Rappen belassen. Aus Sicht der Befürworter würde dies einem Förderstopp gleichkommen, da auf der Warteliste für die KEV bereits über 36’000 Projekte stehen.

Das Förderinstrument KEV soll aber nicht nur mehr Mittel erhalten, sondern auch marktnäher werden: Wer den Strom dann einspeist, wenn dieser am dringensten gebraucht wird, erhält mehr Geld. Es soll also ein Anreiz für eine bedarfsgerechte Produktion geschaffen werden.

Grenzen für Wasserkraftwerke
Viel zu diskutieren geben wird die Förderung der Wasserkraft. Hier steht zur Debatte, wo die Grenzen festgelegt werden sollen. Die Nationalratskommission will Werke mit einer Leistung von weniger als 1 Megawatt und mehr als 10 Megawatt von der KEV-Förderung ausnehmen. Für Investitionsbeiträge soll es indes keine Obergrenze geben.

Auch hierzu liegen dem Rat etliche Anträge vor. Eine rechte Minderheit möchten die Untergrenze tiefer ansetzen, was die linksgrüne Seite ablehnt, weil bei kleinen Werken die Naturschäden im Verhältnis zur erzeugten Menge Strom gross sind. Ebenso umstritten sind die Ausnahmeregeln.

Schon vor der Disskussion über KEV und Wasserkraft wird sich der Rat mit der Frage befassen, ob auch in Naturschutzgebieten Kraftwerke gebaut werden dürfen. Der Bundesrat möchte dies ermöglichen und schlägt deshalb vor, die Nutzung von erneuerbaren Energien zum nationalen Interesse zu erklären. Damit wäre eine Güterabwägung möglich, wenn es um den Bau von Anlagen in Landschaften von nationaler Bedeutung geht. Von linksgrüner Seite wird dies bekämpft.

Weniger Energie verbrauchen
Für die Energiewende braucht es nicht nur mehr Sonnen-, Wind- und Wasserenergie, sondern auch weniger Energieverbrauch. Im Vordergrund stehen hier Gebäudesanierungen und Vorgaben für Auto-Importeure. Auch der Ersatz ineffizienter Elektrogeräte spielt eine Rolle.

Bei der Stromeffizienz liegt ein grosses Potenzial brach, weil es mit den heutigen Rahmenbedingungen für die Akteure nicht interessant ist, entsprechende Dienstleistungen anzubieten. Die Stromlieferanten verdienen Geld, wenn sie Strom verkaufen – und haben also kein Interesse, das Stromsparen zu fördern.

Der Bundesrat will hier ansetzen und die Stromlieferanten mit Zielvorgaben in die Pflicht nehmen. Doch die Mehrheit der Nationalratskommission hält nichts davon. Eine Minderheit wiederum möchte bei den Netzbetreibern statt den Stromlieferanten ansetzen, mit einem Bonus-Malus-System.

Ausstieg aus der Atomenergie
Um Atomkraftwerke wird es erst gegen Ende der Beratungen gehen. Im Gesetz soll verankert werden, dass keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden dürfen. Bisher hat das Parlament das Verbot erst in Form eines Auftrags an den Bundesrat beschlossen. Dass es vom früheren Entscheid abrückt, ist nicht anzunehmen. Umstritten ist aber, ob für die Betreiber alter Atomkraftwerke spezielle Vorschriften gelten sollen.

Der Bundesrat hält die heutige Regelung für ausreichend: Atomkraftwerke sollen so lange betrieben werden dürfen, wie die Aufsichtsbehörde ENSI sie als sicher einstuft. Das ENSI selbst würde sich mehr Regeln wünschen. Die Nationalratskommission schlägt nun vor, dass die Betreiber nach 40 Jahren Betriebszeit ein Langzeitbetriebskonzept vorlegen müssen, das eine steigende Sicherheit gewährleistet.

Bewilligt das ENSI das Konzept, soll das AKW um weitere 10 Jahre laufen dürfen. Nach Ablauf der Frist könnten die Betreiber jeweils erneut ein Konzept vorlegen. Im Gesetz soll ausserdem verankert werden, dass die AKW-Betreiber keine Entschädigung verlangen können, wenn das ENSI sie auf Basis dieser Regeln zum Abschalten zwingt. Auch hier gibt es etliche andere Anträge. Zum Schluss wird sich der Nationalrat mit der Atomausstiegsinitiative der Grünen befassen. Diese verlangt, dass AKW höchstens 45 Jahre laufen dürfen. (awp/mc/ps)

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