Peter Spuhler, Inhaber und CEO Stadler Rail Group, im Interview

Peter Spuhler, Inhaber und CEO Stadler Rail Group, im Interview
Peter Spuhler, Verwaltungsratspräsident Stadler Rail Gruppe.

Peter Spuhler, Inhaber und CEO der Stadler Rail Group

Interview von Anouk Arbenz und Christoph Hilber, Unternehmerzeitung, P-Connect

Sie sind letztes Jahr von der Handelszeitung bereits zum dritten Mal zum Unternehmer des Jahres gekürt worden. Macht Sie das stolz?

Peter Spuhler: Das hat mich natürlich gefreut, zum Unternehmer des Jahres gewählt zu werden. Aber eigentlich gilt die Anerkennung der ganzen Mannschaft und ihrer Leistung.

«Man gewinnt im Team, man verliert im Team.» Peter Spuhler, Inhaber und CEO der Stadler Rail Group

Der Zug kann jedoch ohne Lock nicht fahren, oder?

Ja, natürlich. Es braucht jemanden, der sagt: So, das machen wir, das Risiko gehen wir jetzt ein. Der Erfolg ist jedoch Resultat einer Teamleistung. Das darf man nie vergessen, sonst ist das der Anfang vom Ende.

Zeichnet dies auch den Erfolg Ihres Führungsstils aus?

Ich versuche, alle Meinungen in einen Entscheidungsprozess einfliessen zu lassen und alle Ansichten im Team abzuholen. Doch am Ende braucht es jemanden, der die Diskussion beendet und einen Entscheid fällt.

Welche Rolle nehmen Sie als VR ein?

Als Verwaltungsrat hilft man erstens eine gute Strategie zu formulieren und zweitens das bestmögliche Team zusammenzustellen. Da ist man mehr Coach als Stürmer, der Goals schiesst. Diese Rolle muss man dann einem anderen überlassen. Es ist wichtig, Leute mit Unternehmergeist zu finden, die das unternehmerische Gedankengut entsprechend operativ umsetzen. Das ist nicht immer so einfach.

Fällt es Ihnen schwer, die Rolle des Coachs zu übernehmen?

Ich glaube, ich bin anfangs immer sehr kritisch, wenn ich neue Führungsmitarbeiter einstelle. Ich muss sie erst richtig kennenlernen. Mir ist sehr wichtig, dass sie in unsere Unternehmenskultur passen und die Unternehmensphilosophie vertreten. Am Anfang bin ich vielleicht überproportional streng. Aber wenn ich sehe, dass es funktioniert, lasse ich sie marschieren. Das ist wichtig, sonst verliert man am Schluss die guten Leute.

«Ich denke, in der heutigen Generation herrscht eine gewisse Risiko-Aversion. Viele scheuen sich, diese Verantwortung zu übernehmen.»

Bei Ihrem Pensum und den vielen Mandaten werden Sie sicherlich viel delegieren und noch mehr vertrauen müssen. Wie gehen Sie mit Widerstand um?

Grundsätzlich schätze ich ein Team, das kritisch ist und Fragen stellt. Ich habe gerne Mitarbeiter, die sich einbringen und einen auch fordern. Ich geniesse die Diskussionen, sei es im Verwaltungsrat, in der Konzernleitung oder in den einzelnen Teams. Die Kritik muss aber der Firma dienen und sollte nie persönlich werden.

Was bringt Sie auf die Palme?

Auf die Palme bringt mich, wenn jemand zur Sache oder zur Person nicht loyal ist. Loyalität ist etwas vom Wichtigsten. Man kann auch einmal «en dumme Latz ha», aber man muss immer für die Sache und für das Team denken. Ich habe Eishockey gespielt und war Grenadier-Kommandant – da war der Teamgeist ebenfalls zentral. Man gewinnt im Team, man verliert im Team. Wenn jemand nicht mehr an die Sache glaubt oder hintenrum Spielchen treibt, ist das etwas vom Schlimmsten. Da muss man sofort handeln.

Muss ein guter Unternehmer eine Kämpfernatur sein?

Ja, ich denke, als Unternehmer muss man kämpfen können. Man kann nicht im Bett liegen und warten, bis einem die gebratenen Tauben ins Maul fliegen. Das ist ein permanenter Kampf. Und das auf allen Ebenen. Man muss daran glauben, dass man die Probleme lösen kann, sonst hat man schon aufgegeben.

Es scheint, als würden immer weniger solche Unternehmer nachkommen. Woran liegt das?

Ich denke, in der heutigen Generation herrscht eine gewisse Risiko-Aversion. Viele scheuen sich, diese Verantwortung zu übernehmen. Ich denke nicht, dass die ältere Generation den Einstieg junger Unternehmer verhindert. Ich habe jedenfalls einigen talentierten 30-jährigen eine verantwortungsvolle Position übergeben, in der sie ihr Potential voll ausschöpfen können.

«Wir Unternehmer können uns nicht abmelden von der Politik. Wir können die unternehmerische Verantwortung nicht an Lobbyisten und Verbände delegieren.»

Kann man das Unternehmer-Gen weitergeben?

Ich denke, das muss einem gegeben sein.  Mein Vater, der Chefkoch im Dolder Grand war und eine ganze Generation von Köchen ausgebildet hat, wollte eigentlich, dass ich auch in diese Richtung gehe. Ich wollte aber meinen eigenen Weg gehen. Sobald man beginnt, junge Menschen in eine Richtung zu schieben, kommt’s nicht gut. Das muss aus eigenem Antrieb und Willen kommen – sozusagen schon in einem drin sein.

Wie sieht das bei Ihrer Familie aus – wünschten Sie sich, dass eines Ihrer Kinder eines Tages in Ihre Fussstapfen tritt?

(Lacht) Man ist ja nicht Vater, um Unternehmer zu produzieren. Sobald man beginnt, die eigenen Kinder in eine Rolle zu zwängen, geht es ganz sicher schief – für den Vater, das Kind und auch das Unternehmen. Ich hätte natürlich riesige Freude, wenn eines meiner Kinder sich dazu entschliessen sollte, meinen Weg zu gehen. Aber ich bin nicht enttäuscht, wenn sie das nicht wollen.

Vor drei Jahren sind Sie als Nationalrat zurückgetreten. Wo kommen sich Politik und Wirtschaft resp. Unternehmertum in die Quere?

Grundsätzlich ist klar: Wir Unternehmer können uns nicht abmelden von der Politik. Wir können die unternehmerische Verantwortung nicht an Lobbyisten und Verbände delegieren. Es müssen ein paar Unternehmer bereit sein, in den sauren Apfel zu beissen und nach Bern zu gehen, um das Unternehmertum und den Werk- und Finanzplatz Schweiz zu vertreten und zu verteidigen. Leider gibt es immer weniger davon. Als ich 1999 gewählt wurde, waren es wesentlich mehr Unternehmer als heute. Sehr viele Kreise in Bern haben Interesse daran, ein Profi-Parlament einzurichten. Das ist schade. Ich habe immer sehr geschätzt, dass in politischen Entscheidungsprozessen sehr viel Know-how aus der Praxis und Erfahrungen eingebracht wurden.

Was sind mögliche Gründe dafür?

Das eine ist sicher der Schritt in die Öffentlichkeit, den viele Unternehmer scheuen. Dass sie plötzlich eine «Person des öffentlichen Interesses» werden und über sie verfügt werden kann, wie es der Presse gerade gefällt. Und das andere ist der Aufwand. Man muss sich schon gut organisieren können. Bei mir gelang das, solange es der Firma gut ging. Die erste Währungskrise 2011/12 zwang mich zu Kostensenkungen und da ging es einfach nicht, dass ich meine Mannschaft im Stich lasse, um in Bern meinen politischen Ambitionen nachzurennen. Ich wollte auch ein Zeichen setzen – nach innen und aussen –, dass ich in erster Linie Unternehmer bin und erst dann Politiker.

Sind wir Schweizer zu verwöhnt? Fehlt uns der nötige Pfiff?

Ich glaube, wenn man aus einem guten, aber bescheidenen Milieu kommt, stärkt dies den Charakter und gibt Auftrieb – man will sich beweisen. Wenn man mit dem goldenen Löffel geboren wurde, hat man nicht von klein auf gelernt, zu kämpfen. Das erstaunt mich an den USA: Die können sich immer wieder neu erfinden. Gerade waren sie am Boden und jetzt haben sie wieder vier Prozent Wirtschaftswachstum. Das bringen wir Europäer nicht oder nur schwer hin.

«Wir müssen schauen, dass wir innovativ stark bleiben, ein liberales Arbeitsgesetz haben und weiterhin eine gute Ausbildung anbieten.»

Sie sprachen andernorts über eine «De-Industrialisierung» der Schweiz. Sehen Sie die Gefahr, dass der reine Produktionslevel ins Ausland verschoben und nur Innovation und F&E im eigenen Haus, in der Schweiz, behalten wird?

Diese Gefahr besteht. Wir haben in der Vergangenheit ganze Branchen verloren. Die Schweiz war einmal der Textilproduzent Europas. Aus Kostengründen sind Unternehmen wie Rieter und Saurer jetzt weg oder machen nur noch Textilmaschinen. Wir müssen schauen, dass wir innovativ stark bleiben, ein liberales Arbeitsgesetz haben und weiterhin eine gute Ausbildung anbieten. Um nicht in ein europäisches Mittelmass abzusinken, müssen wir diese Rahmenbedingungen halten.

Was wünschen Sie sich für die Schweiz?

Dass sich die Schweizer bewusst werden, was für ein tolles Land wir haben. Dass wir uns trotz der Währungskrise auf unsere Kernkompetenzen und Stärken konzentrieren und dafür einstehen und kämpfen.

Der Gesprächspartner:
Peter Spuhler, 1959 in Spanien geboren, wuchs in Zürich auf. Bereits mit sechs Jahren begann er seine 20-jährige Eishockey-Karriere. Peter Spuhler studierte Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen und setzte sich als Kommandant der Gebirgsgrenadiere für die Schweizer Armee ein. 1989 übernahm Peter Spuhler die Stadler-Fahrzeuge AG und baute diese in den folgenden Jahren zu einem international erfolgreichen Schienenfahrzeughersteller auf. 1999 wurde er für die SVP Thurgau in den Nationalrat gewählt. Ende 2012 trat er zurück. Peter Spuhler ist VRP der Stadler Rail AG sowie VR bei weiteren Industrieunternehmen. Er ist Mitglied des Vorstandes von Swissmem.

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