Frankenschock dürfte 2016 vor allem in MEM-Industrie und Gastgewerbe nachhallen

Frankenschock dürfte 2016 vor allem in MEM-Industrie und Gastgewerbe nachhallen

Zürich – Die Credit Suisse hat heute das Branchenhandbuch 2016 veröffentlicht. Obwohl die Aufhebung des EUR/CHF-Mindestkurses inzwischen mehr als ein Jahr zurück liegt, dürften vor allem exportorientierte Industriebranchen wie die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) und das Gastgewerbe auch im laufenden Jahr unter der Frankenstärke leiden. Gemäss den Prognosen der Ökonomen der Credit Suisse dürften Industrie und Gastgewerbe 2016 zusammen rund 1,6% ihrer Stellen abbauen. Vorausgesetzt, dass sich der EUR/CHF-Wechselkurs bei etwa 1.10 einpendelt, könnte jedoch die Exportindustrie die Talsohle in der zweiten Jahreshälfte 2016 dank einer leichten Verbesserung der globalen Konjunktur durchschreiten. Die Binnenwirtschaft hingegen dürfte im laufenden Jahr erneut etwas an Schwung verlieren, aber immer noch moderat wachsen. Insbesondere Unternehmensdienstleister und staatsnahe Branchen wie das Gesundheitswesen dürften netto gemäss Einschätzung der Ökonomen der Credit Suisse weiterhin Arbeitsplätze schaffen. Mittelfristig attestieren die Ökonomen aufgrund verschiedener wichtiger Megatrends wie z.B. der Digitalisierung und der demografischen Alterung vor allem den IT-Dienstleistern und den Branchen Pharma, Gesundheitswesen und Medizintechnik überdurchschnittliches Wachstumspotenzial.

2015 wird als Jahr des Frankenschocks in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Die Aufhebung des EUR/CHF-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank im Januar 2015 setzte die hiesigen Exportbranchen massiv unter Druck. Dank einer nach wie vor robusten Binnenwirtschaft konnte die Schweiz jedoch knapp eine Rezession vermeiden. Als Folge des Wechselkursschocks fielen in der Industrie die Produzenten- und Importpreise jedoch so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Zudem kamen auch im Gastgewerbe sowie im Handel die Preise deutlich unter Druck. Dadurch schrumpften die Umsätze und die Margen in vielen Branchen 2015 teilweise markant. Besonders stark gingen die Umsätze in der Maschinen-, Metall- und Elektroindustrie (MEM) zurück. Diese Branchen erzielen einen wesentlichen Teil ihres Umsatzes durch Ausfuhren in die Eurozone und litten deswegen besonders unter der Frankenstärke.

2016 dürften Nachwehen des Frankenschocks zu spüren sein
Auch wenn die Aufhebung des EUR/CHF-Mindestkurses nunmehr über ein Jahr zurückliegt, dürften die Folgen gemäss Einschätzung der Ökonomen der Credit Suisse auch 2016 noch deutlich spürbar sein. Selbst ein EUR/CHF-Wechselkurs im Bereich von etwa 1.10 stellt für viele Unternehmen aus der Exportindustrie, den stark auf europäische Gäste ausgerichteten alpinen Tourismus und den Detailhandel eine Herausforderung dar. Viele Unternehmen in diesen Branchen müssen ihre Effizienz steigern, um die vor Aufhebung des EUR/CHF-Mindestkurses erzielten Margen wieder erwirtschaften zu können. Investitionsentscheide dürften zudem künftig öfter zuungunsten des hiesigen Produktionsstandorts ausfallen und Arbeitsplätze vermehrt ausgelagert werden. Trotz dieser Nachwehen der Frankenstärke gehen die Ökonomen der Credit Suisse davon aus, dass die Schweizer Wirtschaft 2016 – zwar nach wie vor deutlich unter ihrem Potenzial – leicht stärker wächst als 2015, insbesondere dank einer erneut wachsenden Binnenwirtschaft und leicht besseren Perspektiven für die Exportwirtschaft.

Exportindustrie durchschreitet 2016 Talsohle, bleibt aber gefordert
Die globale Konjunktur dürfte sich 2016 weder markant verbessern noch verschlechtern. So bleibt die Konjunktur einiger grosser Schwellenländer eher schwach. Die graduelle Erholung der für die Schweizer Exportindustrie wichtigen Eurozone setzt sich gemäss den Erwartungen der Ökonomen der Credit Suisse fort und auch die US-Konjunktur bleibt voraussichtlich relativ robust. Ohne eine markante Frankenabwertung ist zwar keine deutliche und breit abgestützte Erholung des Exportwachstums zu erwarten. Unter der Bedingung, dass sich der Franken zumindest nicht noch weiter aufwertet, könnte die Exportindustrie im Verlauf der zweiten Jahreshälfte 2016 aber immerhin die Talsohle durchschreiten. Dies betrifft insbesondere zyklische und vom Frankenschock früh und stark betroffene Branchen wie die MEM- oder die chemische Industrie. In den nächsten Monaten dürfte der teilweise schmerzhafte Anpassungsprozess an die neuen Wechselkursrealitäten in diesen Branchen jedoch noch anhalten. In der ersten Jahreshälfte 2016 ist gemäss den Ökonomen in der verarbeitenden Industrie daher weiterhin mit Stellenabbau, Verlagerungen ins Ausland und auch Konkursen zu rechnen.

Feriendestination Schweiz auch 2016 für viele (europäische) Gäste zu teuer
Im Gastgewerbe wirkt der starke Franken ebenfalls nach. Dies dürfte insbesondere in der Wintersaison 2015/2016 spürbar sein, nachdem die Branche im Winter 2014/2015 noch von Frühbuchungen ausländischer Gäste profitierte. Die Ökonomen der Credit Suisse erwarten deshalb, dass sich dies 2016 in einem weiteren Rückgang der Branchenbeschäftigung auswirkt. Die Abwärtsdynamik im Gastgewerbe dürfte sich – unter der Voraussetzung eines stabilen EUR/CHF-Wechselkurses von etwa 1.10 – aufgrund der wirtschaftlichen Erholung in Europa dennoch zunehmend verlangsamen.

Binnenwirtschaftsmotor brummt auch 2016, jedoch etwas leiser als in den Vorjahren
Die Binnenwirtschaft dürfte 2016 erneut etwas an Schwung verlieren, aber immer noch moderat wachsen. Zwar verschlechtert sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der strukturellen Bereinigungen im Kontext der Frankenstärke leicht. Dies dürfte dazu führen, dass die Konsumentenstimmung eher verhalten bleibt und Branchen wie der Detailhandel sich damit gegenüber 2015 umsatzmässig bestenfalls stabilisieren. Die Zinsen bleiben aber tief und die Zuwanderung voraussichtlich robust, was sowohl die Konsumnachfrage als auch den Bedarf an Wohnraum stützt. Davon werden unter anderem Branchen wie das Transportwesen und die Telekommunikation begünstigt. Das Baugewerbe dürfte sich 2016 nach einem relativ schwachen Jahr 2015 stabilisieren, was neben den Architekturbüros auch anderen baunahen Branchen wie der Holz-, Metall- und Kunststoffindustrie zu Gute kommt. Unternehmensdienstleister wie Anwälte und Berater profitieren 2016 unter anderem weiterhin von der Konsolidierung des internationalen Private Bankings, die IT-Dienstleister von der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft. Das Unterrichts-, Gesundheits- und Sozialwesen dürfte im laufenden Jahr weiterhin robust wachsen, obwohl diese Branchen aufgrund der vielerorts angespannten öffentlichen Finanzen verstärkt unter Kostendruck stehen.

Gesundheitsnahe Branchen und IT mit den besten mittelfristigen Aussichten
Die Schweizer Branchen unterliegen nicht nur kurzfristigen konjunkturellen Schwankungen, sondern werden auch von strukturellen Faktoren und Trends beeinflusst, die in der mittleren und langen Frist wirken. In diesem Zusammenhang nehmen die Ökonomen der Credit Suisse jährlich eine mittelfristige Chancen-Risiken-Bewertung der wichtigsten Schweizer Branchen vor. Einer der wichtigsten branchenübergreifenden Trends, welcher in die Chancen-Risiken-Bewertung einfliesst, stellt der demografische Wandel dar. Gepaart mit dem medizinisch-technologischen Fortschritt führt die zunehmende Alterung in den Industrieländern zu einem stetigen Anstieg der Nachfrage nach Gesundheitsleistungen sowie Produkten der Pharmaindustrie und der Medizintechnik. Diese Branchen belegen in der Chancen-Risiken-Bewertung daher auch Spitzenränge. Die beste mittelfristige Chancen-Risiken-Bewertung erhält jedoch die Informatikbranche. Die Nachfrage nach IT-Dienstleistungen wird vom technologischen Fortschritt und der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft getrieben. Die Digitalisierung führt aber nicht nur zu Gewinnern. Wie in den Vorjahren zeigt es sich unter anderem darin, dass die Druck- und Verlagsbranche auch 2016 die schlechteste Chancen-Risiken-Bewertung erhält. Ebenfalls unterdurchschnittlich fällt die mittelfristige Bewertung für viele exportorientierte Industriebranchen aus, welche mit den strukturellen Auswirkungen der Frankenstärke zu kämpfen haben. (Credit Suisse/mc/ps)

Die Publikation «Branchenhandbuch 2016» finden Sie im Internet in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch unter: www.credit-suisse.com/research

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