Euler Hermes: Drei asiatische Tigerstaaten im chinesischen Taifun gefangen

Euler Hermes: Drei asiatische Tigerstaaten im chinesischen Taifun gefangen
(Foto: Euler Hermes)

Zürich – Drei der vier asiatischen „Tigerstaaten“ stecken mitten in einem Sturmtief: Hongkong, Taiwan und Singapur leiden unter der schwächeren externen Nachfrage, insbesondere aus China, sowie schwierigen Finanzierungsbedingungen, unter anderem durch die Spekulationen über eine Zinserhöhung der Fed mit erheblichen Konsequenzen für die Schwellenländer. Diese ungünstige Kombination birgt das Risiko von kollateralen Sturmschäden bei Unternehmen und einzelnen Branchen. Südkorea hingegen ist der einzige Tiger, der sich derzeit nicht notgedrungen vor den Böen wegduckt, sondern weiterhin zum Sprung ansetzt.

„Insbesondere die Unternehmen in den Tigerstaaten werden Opfer des Taifuns vor allem aus chinesischer Windrichtung“, sagte Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe. „In Hongkong und Singapur erwarten wir 2016 rund 15% mehr Insolvenzfälle, in Taiwan sogar 17%. Unternehmensumsätze sind weiterhin rückläufig, in Übereinstimmung mit der schwachen industriellen Produktion, dem Einzelhandel und anhaltendem deflationären Druck.“  Das Risiko ist dabei heterogen über die einzelnen Branchen verteilt. Insbesondere vier Branchen beobachtet der weltweit führende Kreditversicherer Euler Hermes mit Sorge.

Augen auf bei der Geschäftspartnerwahl vor allem in risikoreicheren Branchen
„Schweizer Exporteure müssen vor allem in risikoreicheren Sektoren genau hinschauen, mit wem sie Geschäfte machen“, sagt Stefan Ruf, CEO von Euler Hermes Schweiz. „Das Rohstoffsegment wie Bergbau sowie die Öl- und Gasindustrie ist gefährdet, insbesondere in Singapur, da negative Preisschocks die Profitabilität hemmen. In Hongkong hat vor allem der Einzelhandel zu kämpfen durch weniger Touristen aus Festland-China und dem schwindenden Preisvorteil. In Taiwan hingegen lohnt sich ein zweiter Blick bei Geschäftspartnern im Elektroniksegment – durch Chinas Entscheidung, diese Branche im Zuge des selbst verordneten Strukturwandels selbst zu fördern und zu entwickeln, haben die Taiwanesen starke Konkurrenz bekommen. Zu guter Letzt verzeichnen auch der Immobiliensektor und die Baubranche ein erhöhtes Risiko in den Tigerstaaten.“

Anfällig: Welthandel schwächelt, risikoscheue Investoren und volatile Finanzmärkte
Alle drei Tigerstaaten werden nach Prognosen von Euler Hermes in 2016 und 2017 einen Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von unter 2% verzeichnen. Damit liegen alle Nationen deutlich unter ihrem Langzeitdurchschnitt von 3,5% für Hongkong und Taiwan sowie 5,4% für Singapur. Die relativ kleinen und extrem offenen exportorientierten Staaten sind stark vom Tempo des Welthandels abhängig. Dieser zieht volumenseitig zwar um magere 2,2% an, schrumpft im Wert der gehandelten Waren und Dienstleistungen (gemessen in US-Dollar) jedoch sogar um 2%. Auch die Anfälligkeit der Finanzmärkte ist bei dem Trio hoch, die Entwicklung der Börsen spielt eine wesentlich grössere Rolle als in anderen asiatischen Wirtschaften. Ein mögliches „Fed-Beben“ würde Kapitalzuflüsse eindämmen und auch die derzeit anhaltende „Risikoaversion“ bei globalen Investoren trägt hier kaum Positives bei.

Die drei „Tiger“ leiden vor allem aber unter dem Strukturwandel und dem verlangsamten Wachstum in China von lediglich 6,5%, die sich beide negativ auf die Nachfrage aus dem Reich der Mitte auswirken. Hinzu kommen der schwierige Zugang zu Krediten und die schwächere Kaufkraft der Chinesen durch einen schwächeren Renmimbi (RMB).

Auge des Taifuns über Hongkong – starke Abhängigkeit von China
„Hongkong spürt den Sturm am stärksten, gefolgt von Taiwan und Singapur“, sagte Subran. „Das Auge des Sturms aber bewegt sich direkt über Hongkong, denn Warenexporte nach China entsprechen 88% des dortigen BIP. Über viele Jahre hat sich Hongkong stark auf China fokussiert und sich dabei extrem auf den Export hochwertiger Produkte, logistische Aktivitäten und seine Rolle als Finanzmarktplatz spezialisiert. Das Blatt wendet sich nun – extreme Spezialisierung bedeutet gleichzeitig auch extreme Anfälligkeit für Risiken. Der mittlerweile im Vergleich zum Renminbi (zu) starke Hongkong-Dollar (HKD) verteuert die Waren zudem. In Taiwan machen die Exporte nach China ‚nur‘ 15% des dortigen BIP aus, aber der direkte Angriff auf die Elektronikbranche und angespannte politische Beziehungen spielen hier auch eine bedeutende Rolle.“

Diversifizierung von Exportmärkten und Geschäftsmodellen Schlüsselfaktor für die Zukunft
Staatliche Anreize werden kurzfristig sicherlich die stärksten Treiber hinter den weiteren wirtschaftlichen Entwicklungen sein. Gut gefüllte Staatskassen und eine starke Finanzsituation bieten Spielraum, das Wachstum zu stimulieren. Hongkong und Singapur haben beispielsweise bereits Konjunktur- und Wachstumsprogramme gestartet.

„Letztlich wird es aber entscheidend sein, wie sich die drei asiatischen Tiger langfristig diversifizieren“, sagte Subran. „Sie müssen sich und ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen und teilweise neu erfinden und sich mit neuen, zusätzlichen Absatzmärkten auch geografisch unabhängiger machen von China. Singapur hat da seine Hausaufgaben in der Vergangenheit am besten gemacht und deshalb als asiatisches Drehkreuz mit hervorragender Infrastruktur derzeit die besten Karten.“ (Euler Hermes/mc)

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