Lorenz Wyss, Vorsitzender der Bell-Gruppenleitung, im Interview

Lorenz Wyss, Vorsitzender der Bell-Gruppenleitung, im Interview
Lorenz Wyss, Vorsitzender der Bell-Gruppenleitung. (Foto: Bell)

von Robert Jakob

Moneycab.com: Herr Wyss, Fisch, Fleisch oder Geflügel, wo wächst der Pro-Kopf-Verbrauch im Moment prozentual am stärksten?

Lorenz Wyss: Die Schweizerinnen und Schweizer essen immer mehr Pouletfleisch, das mittlerweile Rindfleisch überholt hat und nach Schweinefleisch in der Beliebtheitsskala ganz vorne liegt. Seafood gehört ebenfalls zu den Gewinnern in dieser Hinsicht. Wir gehen davon aus, dass der Wachstumstrend sowohl beim Geflügel als auch bei Seafood in den kommenden Jahren anhalten wird.

Von Peach Weber stammt der Spruch: Wenn wir Tiere nicht essen sollen, warum sind sie dann aus Fleisch? Ich nehme nicht an, dass der Trend zur vegetarischen Ernährung der Bell-Gruppe etwas ausmacht?

Vegetarische Ernährung ist in der Bell-Gruppe ein wichtiges Thema. Mit unseren Unternehmen Hilcona und Gastro Star/Eisberg sind wir auch der grösste Anbieter von vegetarischen Produkten in der Schweiz.

Gibt es umgekehrt in Ihrer Marketingabteilung vielleicht Gedankenspiele, irgendwann einmal mit Quorn und ähnlichen Produkten zu punkten?

Wir punkten bereits mit einer breiten Palette an vegetarischen Produkten wie Salaten, Früchten, Bio-Tofu und einem breiten Sortiment an vegetarischen Gerichten und Snacks. Wir verfolgen eher den Ansatz von Fleischalternativen, anstelle von Fleischersatz.

Vor kurzem hat Bell die Huber-Gruppe aus Österreich übernommen. Offenbar läuft die Übernahme ähnlich glatt wie die der Liechtensteiner Hilcona vor einem Jahr, wie man an Ihren gerade veröffentlichten Halbjahreszahlen ablesen kann. Liegt das an den ähnlichen Kulturen in den Alpenländern?

Die Huber-Gruppe war bereits in Österreich und Deutschland sehr erfolgreich unterwegs. In der Bell-Gruppe führt sie ihr bewährtes Geschäftsmodell konsequent weiter. Bell und Huber haben sehr ähnliche Philosophien, was die Integration vereinfacht. Wichtig ist, dass man sich gegenseitig Respekt entgegenbringt und allfällige Änderungen gemeinsam auf den Weg bringt.

«Wir sind nicht irgendein Finanzinvestor, sondern wir sind an der langfristigen Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle interessiert.»
Lorenz Wyss, Vorsitzender der Bell-Gruppenleitung

Die Eisberg-Gruppe haben Sie für rund die Hälfte des Jahresumsatzes übernommen. Wie kommt man zu solchen „Schnäppchen“?

Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart, die erwähnte Grössenordnung ist daher Spekulation. Aber unabhängig davon, die Bell-Gruppe hat in Europa einen ausgezeichneten Ruf. Wir sind nicht irgendein Finanzinvestor, sondern wir sind an der langfristigen Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle interessiert. Zudem eröffnen wir den Unternehmen in den verschiedenen Märkten Synergiepotenziale.

In Deutschland und Frankreich muss die Bell-Gruppe 33 Prozent Ertragssteuern zahlen. Das ist viel mehr als in der Schweiz oder gar in Liechtenstein. Besteht für einen Lebensmittelverarbeiter wie Bell irgendeine Möglichkeit der Steueroptimierung?

Es stimmt, die Steuerbelastung in Deutschland und Frankreich ist im Vergleich zu den anderen erwähnten Ländern höher. Eine Optimierung ist nur beschränkt möglich und sinnvoll. Die Bell-Gruppe hält in allen Ländern die lokalen Gesetze ein.

«Mit der neuen Geschäftsführung ist es uns gelungen, in Tschechien die Trendwende einzuläuten.»

In Osteuropa läuft Tschechien für Bell im Moment unbefriedigend, während Polen und Ungarn sich gut entwickelt haben. In Ungarn hatten Sie den Turnaround durch Restrukturierung des Sortiments geschafft. Wird das auch der Weg in Tschechien sein?

In Tschechien haben wir andere Voraussetzungen als in Ungarn, Polen oder auch Rumänien. In den letztgenannten Ländern verfügen wir über eigene Produktions- und Verarbeitungsbetriebe, während wir in Tschechien mit unserem Novak-Filialnetz im Detailhandel aktiv sind. In der Tat hat sich das Filialgeschäft unter der vorherigen Führung nicht so entwickelt, wie wir uns das vorgestellt haben. Mit der neuen Geschäftsführung ist es uns aber gelungen, die Trendwende einzuläuten. Wir sind daher optimistisch, dass sich der positive Trend bis Ende des Jahres weiter fortsetzt.

Im letzten Jahr fuhren Sie die Devisenabsicherungen von 9 auf 81 Millionen hoch. Was hat das unterm Strich gebracht?

Die Kursabsicherung fand vor allem aufgrund der bevorstehenden M&A-Transaktionen statt. Aufgrund der ansteigenden Kurse zu Jahresbeginn haben sich diese Absicherungen ausbezahlt.

Die Lebensmittelbranche gilt als sehr sicheres Geschäft. Grössere Risiken sieht Ihr Management höchstens bei plötzlich stark steigenden Rohmaterialpreisen, bei landwirtschaftspolitischen Neuausrichtungen sowie bei Seuchen. Im ersten Semester 2016 sind die Rohwaren wieder teurer geworden. Wurde damit ein langfristiger Trendwechsel eingeläutet?

Die Rohmaterialpreise reflektieren das Angebot und die Nachfrage auf dem Markt. Aufgrund der Knappheit gehen wir weiter von steigenden Preisen beim Rindfleisch aus. Die Schweinepreise haben insbesondere in Deutschland in den letzten Monaten stark zugenommen. Einen langfristigen Trend vorauszusagen, ist nahezu unmöglich.

«Aufgrund der Knappheit gehen wir weiter von steigenden Preisen beim Rindfleisch aus.»

Der Zinssatz, den Sie für Ihr Fremdkapital zahlen müssen, fiel im letzten Jahr nur von 1,67 auf 1,66%. Sie könnten doch eigentlich die Gunst der Stunde nutzen, und Ihre Unternehmensanleihen aufstocken oder geht es nicht mehr tiefer mit den Fremdzinsen?

Das haben wir in der Tat getan. Im März 2016 haben wir eine weitere Anleihe von 300 Mio. CHF über 9 Jahre mit einem Zinssatz von 0.625% erfolgreich platziert.

Sind die 200 Millionen an flüssigen Mittel, die Ende 2015 in der Bilanz stehen, für Ihre Ausbaupläne in Basel und Oensingen reserviert?

Der normale, operativ notwendige Bestand ist sicherlich tiefer. Die höheren liquiden Mittel setzen wir für unsere Ausbaupläne in Basel und Oensingen sowie für die getätigten und künftigen Akquisitionen ein.

Sie selbst sind ja gelernter Metzger. Wie oft pro Woche kommt denn bei Ihnen Fisch auf den Tisch?

Das stimmt, ich habe in den 70er Jahren eine Lehre als Metzger absolviert und bin dem Beruf nicht zuletzt auch durch meine Tätigkeit als CEO der Bell-Gruppe immer noch sehr verbunden. Neben Fleisch und einer guten Wurst, gehört auch Seafood regelmässig zu meinen Speiseplan. Ich führe aber nicht Buch darüber.

Zum Gesprächspartner:
Lorenz Wyss, geboren 1959, Schweizer machte nach einer Metzgerlehre seinen Diplomkaufmann. Zusätzlich ist er staatlich geprüfter Techniker der Fleischwirtschaft und Master of Business Administration. Bei Bell ist er seit 2011, zunächst als Leiter Division Bell Osteuropa/Benelux; 2011 – 2014, dann von 2014- 2015 als Leiter der Division Bell International. Danach als Vorsitzender der Gruppenleitung (CEO) und gleichzeitig Leiter der Division Bell Schweiz. Als Verwaltungsrat ist er in folgenden Unternehmen aktiv: Centravo Holding AG, Hilcona (als Präsident), Gastro Star AG (als Präsident), GVFI International und bei der Proviande Genossenschaft.

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