Anleger geben sich nach US-Zinsentscheid gelassen

Anleger geben sich nach US-Zinsentscheid gelassen
Janet Yellen, ehemalige Fed-Chefin. (Foto: © United States Government Work)

Frankfurt am Main – Hinweise der US-Notenbank Fed auf eine mögliche Leitzinsanhebung noch in diesem Jahr haben am Donnerstag die Anleger an den Finanzmärkten unbeeindruckt gelassen. Die Notenbank hat am Mittwoch zwar wie erwartet ihre Leitzinsen vorerst nicht erhöht. Fed-Chefin Janet Yellen hat aber gleichzeitig Signale für eine baldige Anhebung gegeben. An den Börsen war dennoch von Sorge vor bald steigenden Zinsen keine Spur. Der Dollar schwächelt und an den Märkten für Staatsanleihen gerieten die Renditen rund um den Globus unter Druck. Offenbar liessen sich die Anleger von Worten alleine nicht mehr beeindrucken, sagen Experten und warnen vor einem Glaubwürdigkeitsverlust der Notenbank.

Die Argumente für eine Leitzinsanhebung hätten sich «verstärkt», hatte Yellen am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Washington gesagt. Zuvor hatte die Notenbank ihren Leitzins wie erwartet in einer Spanne von 0,25 bis 0,50 Prozent gelassen. Sie erwarte eine Zinserhöhung im laufenden Jahr, falls der Arbeitsmarkt weiterhin gut laufe, so Yellen. In Frage kommen dafür die Sitzungstermine im November und im Dezember. An den Märkten gilt aber der Dezember als sehr viel wahrscheinlicher.

Drei Fed-Mitglieder für sofortige Zinsanhebung
Die Aussage Yellens wurde dadurch noch unterstrichen, dass erstmals seit Einleitung der Zinswende im Dezember 2015 gleich drei von zehn stimmberechtigten Fed-Mitgliedern für einen sofortigen Dreh an der Zinsschraube gestimmt hatten. Darunter war sogar ein Notenbanker, der eigentlich für einen eher lockeren Kurs bekannt ist.

«Eigentlich wäre all das für den Markt ein klarer Hinweis, dass eine Zinserhöhung unmittelbar bevorsteht», schreibt Lutz Karpowitz, Experte bei der Commerzbank. Doch von entsprechenden Reaktionen an den Finanzmärkten ist nichts zu sehen. Die Fed erreiche mit ihren Signalen den Markt nicht mehr. «Im Pokern würde man sagen: Der Markt will sehen. Worte allein helfen nicht mehr.»

Finanzmärkte reagieren gelassen
Die Kursbewegungen sprechen für sich. An den Börsen kann von Angst vor bald steigenden Zinsen keine Rede sein. Stattdessen legten die Kurse an der Wall Street deutlich zu. Die Aktienindizes Dow Jones Industrial und S&P-500-Index kletterten nach oben, der Technologieindex Nasdaq 100 erreichte sogar ein neues Rekordhoch. Diesen Trend nahmen dann am Donnerstag auch die asiatischen und europäischen Börsen auf. Die Anleger sind laut dem Marktanalysten Ric Spooner von CMC Markets nun noch zuversichtlicher geworden, dass das Tempo weiterer Schritte mittelfristig ziemlich moderat sein wird.

Die Renditen von US-Staatsanleihen mit längerer Laufzeit gerieten unter Druck. Auch in Deutschland und allen anderen Ländern der Eurozone mit Ausnahme Griechenlands machte sich das bemerkbar. Die Rendite zehnjähriger deutscher Staatspapiere fiel von der Nullmarke in den negativen Bereich bis auf minus 0,05 Prozent. Zudem schwächelt der US-Dollar seit der Zinsentscheidung. Der Euro legte im Gegenzug kräftig zu und stieg am Donnerstagvormittag bis auf 12,40 Dollar.

Experten: Fed verliert an Glaubwürdigkeit
Die Anleger glauben offenbar nicht an den Willen der Fed, ihre Zinswende fortzusetzen. Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, warnt vor einem Reputationsverlust. «Die US-Notenbanker rudern von Zinssitzung zu Zinssitzung zurück, was die Glaubwürdigkeit schädigt», so Gitzel. Grundsätzlich hätten die Finanzmärkte Verständnis für die abwartende Haltung. «Das Problem ist jedoch die fehlende Linie.»

Für eindeutige Klarheit über ihren Kurs habe die Fed am Mittwoch nicht gesorgt, meint auch Stefan Kipar, Experte bei der Bayerischen Landesbank. Einerseits scheine eine Zinsanhebung im Dezember sehr wahrscheinlich. Andererseits habe sich die Fed erneut von ihrer vorsichtigen Seite gezeigt, indem sie die längerfristigen Leitzinsprognosen gesenkt habe.

Experte Karpowitz sieht die Gefahr, dass der Glaubwürdigkeitsverlust die Fortsetzung der Zinswende zusätzlich erschwert. Denn wenn die Signale der Fed nicht mehr ernst genommen werden, dann müsse die Notenbank den Markt irgendwann mit einer Zinserhöhung überraschen. «Und das ist etwas, was die vorsichtigen Fed-Mitglieder eigentlich unbedingt vermeiden wollen.» Je länger sich die Fed vor dieser Schocktherapie drücke, umso grösser werde später der Schock. (awp/mc/pg)

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