UBS Outlook Schweiz: Mittelstand unter Druck?

UBS Outlook Schweiz: Mittelstand unter Druck?
(Bild: © Kurhan - Fotolia.com)

Zürich – Der Mittelstand hat in vielen Industrieländern über die vergangenen drei Jahrzehnte kaum mehr Realeinkommensfortschritte erzielt und sieht sich als relativer Verlierer der Globalisierung. Dies hat zu einer politischen Polarisierung und zum Aufstieg populistisch argumentierender Politiker beigetragen. In der Schweiz haben eine Reihe von Faktoren wie der starke Franken und das duale Bildungssystem zu einer vergleichsweise ausgeglichenen Einkommensentwicklung geführt.

Selbst wenn Donald Trump nach der Wahlnacht vom 8. auf den 9. November nicht als nächster US-Präsident ins Weisse Haus einziehen kann, zeigt sein Aufstieg doch symbolhaft, dass sich die weit am linken und rechten Rand politisierenden Kräfte seit einigen Jahren im Aufwind befinden. Grund dafür ist zum einen, dass sich vor allem die mittleren Einkommensgruppen zunehmend von den Auswirkungen der Globalisierung bedroht fühlen. Die in den letzten 30 Jahren stark gestiegene Mobilität von Arbeit und Kapital führte dazu, dass Wertschöpfung und somit Arbeitsplätze vorzugsweise in Schwellenländer ausgelagert wurden. Zum anderen stagnieren die Einkommen der Mittelstandshaushalte in vielen westlichen Industriestaaten seit bald drei Jahrzehnten.

Anteil des Mittelstandes am Gesamteinkommen relativ stabil
Im Gegensatz zu anderen Industrieländern wurde der Schweizer Mittelstand in den letzten Jahren wirtschaftlich nicht abgehängt. Zwar nahm der Anteil des Einkommens vor Steuern und staatlichen Transfers der mittleren Einkommensgruppen leicht ab. Werden aber die Einkommen nach staatlicher Umverteilung (Steuern, Sozialabgaben u.a.) betrachtet, nahm der Anteil des Mittelstandes sogar leicht zu.

Das UBS Chief Investment Office Wealth Management (CIO WM) sieht verschiedene Gründe für diese relativ egalitäre Entwicklung bei der Einkommensverteilung. Der starke Franken und die geringe Inflation der letzten Jahre hat dazu geführt, dass der Anteil des Erwerbseinkommens am Bruttoinlandprodukt (BIP) stetig gestiegen ist. Gleichzeitig sank in den letzten Jahren der Anteil der Unternehmensgewinne am BIP, da diese unter der Frankenstärke litten und die Zins- und Finanzerträge schwächer ausfielen. Das Währungsrisiko trugen in den letzten Jahren zu einem wesentlichen Teil die Unternehmer, was sich in sinkenden Margen, jedoch kaum in einer steigenden Arbeitslosigkeit niedergeschlagen hat. Diese gegenläufige Entwicklung bei den Erwerbs- und Kapitaleinkommen kam vor allem den unteren Einkommensschichten zugute. Dies bestätigt auch ein Blick auf die Lohnentwicklung. Seit 2008 sind die tiefsten Löhne prozentual am stärksten angestiegen.

Ausserdem dürfte das in der Schweiz besonders gut ausgebaute duale Bildungssystem dazu führen, dass auch Arbeitnehmer mit unterdurchschnittlichen Fähigkeiten eine qualitativ hochstehende Ausbildung absolvieren können und somit der direkte Zugang zum Arbeitsmarkt viel eher gewährleistet ist als in Ländern, die kein Berufslehrsystem kennen. Den Mittelstand belastet jedoch die Angst, in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens die Arbeit zu verlieren. Die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden, sinkt zwar mit zunehmendem Alter des Erwerbstätigen. Allerdings sinkt gleichzeitig auch die Chance für ältere Arbeitslose, wieder eine Anstellung zu finden. Um die Wiedereingliederung der über 50-Jährigen zu erleichtern, eignen sich Massnahmen zur Förderung der Fort- und Weiterbildung von älteren Arbeitnehmenden und Anpassungen bei den Sozialabgaben. Eine Entkopplung der Entlöhnung vom Senioritätsprinzip könnte ebenfalls die Attraktivität älterer Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt steigern.

Anpassungsprozess an Frankenschock noch nicht abgeschlossen
Das robuste Schweizer Wirtschaftswachstum der letzten vier Quartale weckt die Hoffnung, dass der Frankenschock überwunden ist. Zwar sind viele Schweizer Exportbranchen in diesem Anpassungsprozess bereits weit fortgeschritten, beispielsweise die Pharmaindustrie. Andere Branchen, wie die Uhrenindustrie oder der Detailhandel, sind von einer Erholung jedoch noch weit entfernt. Zudem führten die Bemühungen der Unternehmen, ihre Konkurrenzfähigkeit zu verbessern, unter anderem zu einem Stellenabbau. Das UBS CIO WM erwartet eine weitgehende Erholung der Wirtschaft vom Frankenschock und in der Folge auch eine Trendwende am Arbeitsmarkt erst im nächsten Jahr. Die Erholung sowohl der Wirtschaft als auch des Arbeitsmarkts dürfte sich auch im Jahr 2018 fortsetzen und weiter an Dynamik gewinnen.

In den kommenden Quartalen dürften die zwei global wichtigsten Zentralbanken, die Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB), damit beginnen, ihre expansive Geldpolitik schrittweise zu normalisieren. Beide dürften diese Normalisierung aber nur sehr langsam vorantreiben. Wir erwarten vom Fed einen Zinsschritt im Dezember und zwei weitere 2017. Nur falls die EZB ihr Anleihenkaufprogramm im Verlauf des nächsten Jahres beendet, bietet sich der SNB frühestens Ende 2017, eine erste Gelegenheit für einen Zinsschritt. Verschiebt sich das Ende des EZB-Programms in das Jahr 2018, dürfte auch der erste Zinsschritt der SNB erst im übernächsten Jahr erfolgen.

Bei der Erstellung der UBS CIO WM Konjunkturprognosen haben die Ökonomen von UBS CIO WM mit bei UBS Investment Research beschäftigten Ökonomen zusammengearbeitet. Die Prognosen und Einschätzungen sind nur zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Publikation aktuell und können sich jederzeit ändern. (UBS/mc/ps)

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