KPMG: Wichtige Schweizer Standortfaktoren in Gefahr

KPMG: Wichtige Schweizer Standortfaktoren in Gefahr
(Foto: apops / Fotolia)

Zürich – Viele multinationale Unternehmen sind wegen den bekannten Standortqualitäten in die Schweiz gekommen, sehen diese jedoch teils in Gefahr. Dies zeigt eine Befragung, die KPMG gemeinsam mit dem IMD World Competitiveness Center, Switzerland Global Enterprise sowie der Swiss-American Chamber of Commerce bei über 850 in der Schweiz angesiedelten multinationalen Unternehmen durchgeführt hat.

Multinationale Unternehmen sind im Umgang mit sich rapide verändernden Kundenbedürfnissen, Technologien, Regulierungen und der Globalisierung besonders gefordert. Sie analysieren ihre Wertschöpfungskette grundlegend und richten sie – je nach Bedarf – radikal neu aus. Der Schweiz ist es bisher sehr gut gelungen, wichtige Teile dieser Wertschöpfungsketten anzuziehen. Mit positiven Konsequenzen für Tausende von Zulieferfirmen, den Arbeitsmarkt und den Staat. Nun wollte KPMG von 850 multinationalen Unternehmen in der Schweiz wissen, welche Standortfaktoren für die Ansiedlung ihrer Werttreiber in der Schweiz ausschlaggebend gewesen sind und wo sie künftig die grössten Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort sehen.

Unternehmensbesteuerung bleibt wichtigstes Standortkriterium
Die Entscheidung multinationaler Unternehmen, ihre wichtigen Werttreiber in der Schweiz anzusiedeln, ist untrennbar mit der Steuerplanung verbunden. 68 Prozent der Unternehmen geben an, dass das attraktive Schweizer Steuersystem ein Ansiedlungsgrund ist. Die meisten befragten Unternehmen profitieren dabei von einem speziellen Steuerstatus. Zusätzlich unterliegen rund 40 Prozent der hierzulande angesiedelten multinationalen Unternehmen zumindest für einen Teil ihrer Einkünfte auch der ordentlichen Unternehmensbesteuerung.

Während die Bestrebungen zur USR III bei den multinationalen Unternehmen auf breite Anerkennung stossen, bezweifelt ein Teil, dass die Reformen effektiv umgesetzt werden. Bloss 42 Prozent der hier angesiedelten Firmen glauben, dass mittelfristig ein wettbewerbsfähiges Steuersystem noch zu den Hauptvorzügen der Schweiz zählen wird. 58 Prozent der Unternehmen sind vielmehr überzeugt, dass die Schweiz auch in Zukunft die immer restriktiveren internationalen Besteuerungsstandards der EU und der OECD wird übernehmen müssen.

Zu hohe Lohnkosten – vor allem im mittleren Kader
Eine der grössten Herausforderungen für die Geschäftstätigkeit in der Schweiz ist das hohe Kostenniveau, wobei hier insbesondere die Arbeitskosten als problematisch erachtet werden. Rund 60 Prozent der multinationalen Unternehmen äussern sich diesbezüglich kritisch. Zwar bewegen sich die Löhne für Führungskräfte in der Schweiz auf ähnlichem Niveau wie bei international vergleichbaren Standortkonkurrenten. Doch sind die Vergütungen im mittleren Kader in den vergangenen Jahren gegenüber anderen Wirtschaftsstandorten stärker gestiegen als die Arbeitsproduktivität. Verschärft wird diese Situation durch Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit der Kursentwicklung des starken Schweizer Frankens: 47 Prozent sind besorgt über die Auswirkungen des Wechselkurses, der die hiesige Wirtschaft belastet. Eine Rückkehr zur Anbindung des Schweizer Frankens an den Euro ist für die befragten Unternehmen trotzdem keine Option.

Liberales Arbeitsrecht in Gefahr
Das flexible Schweizer Arbeitsrecht ist ein sehr wichtiger Standortfaktor: Nahezu alle hier angesiedelten Unternehmen geben an, dass die Schweiz wesentlich flexiblere und wirtschaftsfreundlichere Arbeitsgesetze habe als alle anderen europäischen Länder. Doch nur 47 Prozent glauben, dass die Schweiz ihren Wettbewerbsvorteil in den nächsten drei Jahren behalten wird. Angesichts der kürzlich erfolgten Änderungen des Arbeitsrechts fürchten viele multinationale Unternehmen, dass dieser wichtige Standortvorteil in den kommenden Jahren verloren geht. Fast 30 Prozent sind der Ansicht, dass die zunehmende Regulierung der Arbeitsverhältnisse die Geschäftstätigkeit in der Schweiz in Zukunft erschweren wird.

MEI: Schweiz dürfte für Fachkräfte weniger attraktiv werden
Multinationale Unternehmen fürchten mit Blick auf die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative nicht nur die negativen Folgen einer Einschränkung der Personenfreizügigkeit mit der EU. Sie sorgen sich auch um die Attraktivität der Schweiz für hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten. Ein besonderes Problem dabei ist die restriktive Bewilligungspraxis, da sich qualifizierten Fachkräften an anderen Wirtschaftsstandorten ebenso attraktive Berufsmöglichkeiten bieten. Der Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften wird als wichtigste Voraussetzung angesehen, damit Unternehmen auf neue Rahmenbedingungen reagieren und ihre Wertschöpfungskette anpassen können. Fast 50 Prozent der Führungskräfte sind überzeugt, dass neue arbeitsmarkttechnische Restriktionen für ausländische Fachkräfte die Unternehmen mittelfristig vor enorme Probleme stellen werden. Nur rund die Hälfte der angesiedelten Unternehmen erwartet, dass die Schweiz für Fachkräfte künftig ebenso attraktiv bleiben wird, wie sie es aktuell noch ist.

Jedes zweite in der Schweiz angesiedelte multinationale Unternehmen ist der Meinung, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz auch in Zukunft stabil bleiben werden. 23 Prozent meinen, dass die Schweiz hinsichtlich Regulierungsrahmen vergleichsweise attraktiv bleiben wird. Allerdings hält rund ein Viertel (26 Prozent) die durch Volksinitiativen verursachten Unsicherheiten für ein Problem.

Keine Innovationssteigerung in der Schweiz erwartet
Die Schweiz gilt zwar als weltweit etablierte Innovationsführerin. Allerdings ist nur für eine Minderheit der ausländischen Unternehmen die Innovationskraft ein entscheidendes Standortkriterium dafür, in der Schweiz neue Technologien zu entwickeln oder innovative Geschäftsmodelle einzuführen. Nur 44 Prozent glauben, dass ihre Unternehmen aufgrund des Standortes Schweiz innovativer werden. 35 Prozent sind der Meinung, dass sich die Schweiz in den kommenden Jahren durch ihre Innovationsfreundlichkeit von anderen Ländern abheben wird. Und lediglich 30 Prozent sehen in den hiesigen Universitäten und Hochschulen auch in Zukunft einen wesentlichen Standortvorteil.

Die zentrale Lage zählt
Die hohe Lebensqualität und die herausragenden Infrastrukturen sind zwei weitere wichtige Vorzüge, welche die Schweiz im internationalen Standortwettbewerb auszeichnen. Für 42 Prozent der Befragten ist auch die zentrale geografische Lage ein Standortvorteil. Dabei siedeln sich multinationale Unternehmen in der Schweiz vorwiegend in der Nähe zu ihren Mitbewerbern sowie in unmittelbarer Nähe zu den internationalen Flughäfen an.

Nordamerika und Europa sind die beiden wichtigsten Herkunftsregionen der Unternehmen, die in der Schweiz Tochtergesellschaften gegründet haben: Fast 75 Prozent dieser Gesellschaften gehören zu Konzernen aus diesen beiden Weltregionen. Auch Japan investiert seit vielen Jahren stark in der Schweiz – dicht gefolgt von China, wobei die chinesische Präsenz vor allem durch Übernahmen wächst. Die meisten multinationalen Konzerne, die mit einer Ansiedlung in der Schweiz investieren, stammen aus der Industrie- und der Life-Science-Branche (Pharma, Biotech und Medtech). Als führender Rohstoffhandelsplatz zieht die Schweiz seit langem auch bedeutende Investitionen der grossen Akteure im Rohstoffsektor an. Dabei siedeln die Konzerne ihre ertragsstärksten Einheiten und Vermögenswerte in der Schweiz an: 75 Prozent eröffnen hierzulande regionale Hauptsitze, rund ein Viertel (26 Prozent) betreibt Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen und 23 Prozent betreiben in der Schweiz Produktionsstätten. (KPMG/mc/pg)

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