SGKB Investment views: Die EZB gerät unter Druck

SGKB Investment views: Die EZB gerät unter Druck
von Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Die Inflationsrate in der Eurozone ist im Januar von 1.1% auf 1.8% emporgeschnellt. Damit liegt sie im Zielbereich der EZB. Vor allem deutsche Ökonomen haben das zum Anlass genommen, ein Ende der Anleihenskäufe der EZB und ein Abkehr von der europäischen Geldschwemme zu fordern. Zudem werden die Rufe lauter, die hinter den EZB-Käufen lediglich die Finanzierung der Schulden der schwachen Südländer sehen. Die EZB wird ihre Käufe im Frühjahr zwar von 80 auf 60 Milliarden Euro pro Monat reduzieren, sie aber mindestens bis Ende 2017 fortführen.

Wirtschaftlich gesehen gibt es keinen Grund für Mario Draghi, die eingeschlagene Geldpolitik abrupt zu ändern. Der Sprung in der Inflationsrate ist vor allem durch den Wegfall des Einbruchs der Energiepreise vor einem Jahr begründet. Die Kernrate ohne die Energie- und Nahrungsmittelpreise verharrt weiterhin bei tiefen 0.9%. Das Wachstum in der Eurozone ist mit 1.8% solide. Wenn die Region in diesem Stil weiter wächst, werden die vorhandenen Überschusskapazitäten langsam abgebaut, auch was den Arbeitsmarkt betrifft. Dies wird mit der Zeit den Inflationsdruck erhöhen, jedoch nicht sprunghaft. Die EZB hat somit genügend Zeit, ihr QE-Programm zu kürzen und später auch über höhere Zinsen nachzudenken.

EZB entlastet hoch verschuldete Länder
Die EZB entlastet mit ihren Anleihenskäufen und der damit verbundenen stetigen Nachfrage nach Staatsanleihen die schwachen Länder, das ist so. Darin aber den Hauptzweck dieser Massnahme zu sehen, ist verfehlt. Die EZB wird nicht zögern, die Käufe einzustellen und auch die Zinsen in der Eurozone zu erhöhen, wenn die wirtschaftliche Lage und die Inflationssituation dies erlauben oder erfordern. Höhere Zinsen belasten die Finanzierungskosten der hoch verschuldeten Länder. Die höhere Zinsbelastung wird aber erst mit der Zeit wirksam. Länder wie Spanien oder Italien haben die Gelegenheit der tiefen Zinsen genutzt, um sich am Kapitalmärkt längerfristig zu finan-zieren und damit die tiefen Zinsen anzubinden. Ein Zinsanstieg wird daher erst beim Verfall und der damit verbundenen Refinanzierung von Anleihen oder durch die nötige Finanzierung der neuen Budgetdefizite zu höheren Kosten führen.

Vertrauen der Finanzmärkte ist wichtiger
Zudem ist für diese Länder das Vertrauen der Finanzmärkte entscheidender als die Höhe der Leitzinsen der EZB. Die Finanzierungssituation für als solide angesehene Länder wie Deutschland wird durch die EZB-Politik direkt beeinflusst. Für Wackelkandidaten wie Italien, Portugal oder Griechenland ist der vom Markt verlangte Aufschlag für das Kreditrisiko entscheidend. Dies hat sich in den letzten Monaten wieder deutlich gezeigt. So sind die Renditen 10-jähriger italienischer und portugiesischer Anleihen seit dem letzten Herbst aufgrund der Probleme mit Italiens Banken und der neuen Gerüchtewelle um einen möglichen Konkurs Griechenlands um rund 1% gestiegen, ohne dass die EZB ihre Zinspolitik geändert hat.

Für die schwachen Euroländer ist das Vertrauen des Marktes in die Geldpolitik der EZB und damit in den Zusammenhalt der Eurozone viel wichtiger als das QE-Programm. Dessen ist sich Mario Dragi bewusst. Er wird daher bei Bedarf nicht zögern, restriktiver zu werden. Wann dies der Fall sein wird, wird neben den Wirtschaftsdaten der Eurozone auch und vor allem von der weiteren Zinspolitik der Fed abhängen. (SGKB/mc/ps)

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