SGKB Investment Views: Nach der Deflation die Inflation

SGKB Investment Views: Nach der Deflation die Inflation
Von Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Vor einem Jahr dominierte die Furcht vor Deflation die Finanzmärkte. Der Einbruch der Rohstoffpreise galt als Beweis dafür, dass den Industrieländern unweigerlich eine deflationäre Spirale droht. «Japanische Verhältnisse» wurden als Sinnbild des ewigen Preiszerfalls an die Wand gemalt, obwohl in Japan in den letzten zwanzig Jahren die Preise nicht gesunken sind. Protektionistische Drohungen im US-Wahlkampf und ein Sprung der Inflationsrate Anfang 2017 haben jedoch genügt, damit das Gespenst der Deflation das Zepter seinem Kollegen Inflation übergeben konnte.

Dass die Inflationsrate in Deutschland seit dem letzten Sommer von 0% auf 2.2% und in der Schweiz von -0.5% auf 0.6% gestiegen ist, hat lediglich mit dem Anstieg der Energiepreise, begleitet von einem etwas stärkeren Dollar, zu tun. Die Verdoppelung des Ölpreises von 25 Dollar auf 50 Dollar im letzten Frühling schlägt nun voll durch. Kommt hinzu, dass vorher der Zerfall des Ölpreises die Inflationsraten zusätzlich nach unten gedrückt hatte. Demzufolge darf in den aktuellen Sprung der Inflationsraten nicht zu viel hineininterpretiert werden.

Genügend Kapazitätsreserven im Arbeitsmarkt in Europa – nicht so in den USA
Wenn die Energiepreise in den nächsten Wochen nicht stark steigen, werden die Inflationsraten im Sommer wieder auf tiefe Niveaus, in der Schweiz gar gegen Null, absinken. Es macht deshalb Sinn, dass sich die EZB und die SNB nicht zu einer übereilten Änderung ihrer Geldpolitik hinreissen lassen. Die Kapazitätsreserven im Arbeitsmarkt sind in Europa bei weitem nicht ausgeschöpft. Damit fehlt eine wichtige Grundbedingung für einen tiefgreifenden und nachhaltigen Anstieg des Inflationsdrucks.

Anders sieht es in den USA aus. Die Arbeitslosenrate ist auf 4.7% gesunken. Auch andere Arbeitsmarktindikatoren wie der Anteil der unterbeschäftigten Leute und die Zunahme der Beschäftigung deuten an, dass sich die US-Wirtschaft dem Zustand der Vollbeschäf-tigung nähert. Der Lohndruck nimmt deshalb zu und der Anstieg der Stundenlöhne nähert sich der Marke von 3%, nachdem er lange bei für US-Verhältnisse tiefen 2% verharrt hatte. Dies wird dazu führen, dass die Kerninflation ohne den stark schwankenden Einfluss der Energie- und Nahrungsmittelpreise weiter steigen und über das Ziel der Fed von 2% hinausschiessen wird. Damit kann Janet Yellen leben, wie sie schon öfters angedeutet hat. Dennoch tut die Fed gut daran, die Zinsen in den USA regelmässig weiter anzuheben und einer Überhitzung der Wirtschaft vorzubeugen.

Absehbares Ende des Kapitels «Finanzkrise 2008»
Ich gehe nicht davon aus, dass es zu einem unkontrollierten und starken Anstieg der Inflationsraten kommen wird. Die geldpolitische Gleichung, dass ein Anstieg der Geldmenge zu höheren Preisen führt, gilt allen Unkenrufen zum Trotz noch immer. Auch in der Schweiz werden wir wieder Inflationsraten über 1% oder vorübergehend auch über 2% sehen. Die Folgen werden eine Normalisierung der Geldpolitik und höhere Zinsen deutlich im positiven Bereich sein. Dann wird das Kapitel «Finanzkrise 2008» endgültig abgeschlossen sein. (SGKB/mc/ps)

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