Erny Niederberger, Geschäftsführer Swisens AG, im Interview

Erny Niederberger, Geschäftsführer Swisens AG, im Interview
Erny Niederberger, Geschäftsführer Swisens AG. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Niederberger, rund 20% der Bevölkerung sind auf Pollen allergisch und bereits seit Februar ist die Leidenszeit der Allergiker im Gang. Mit Ihrer Entwicklung können Sie ihnen zwar nicht den Schnupfen nehmen. Dennoch kann sie Allergikern Linderung verschaffen. Wie?

Erny Niederberger: Unser Ziel ist es den Pollenallergikern zu helfen, den Kontakt mit den Pollen zu minimieren und medizinische Behandlungen effektiver gestalten zu können. Wir wollen dies durch genauere Informationen über die aktuelle Pollenbelastung ermöglichen. Unsere Vision ist eine Pollenprognose so präzise wie der heutige Regenradar.

Worauf basiert die Idee?

Polleninformationen in Echtzeit helfen die Lebensqualität von Pollenallergikern zu verbessern und die volkswirtschaftlichen Kosten zu senken. Dies wird ermöglicht durch zeitlich und geografisch präzisere Informationen über die aktuelle Pollenbelastung. Darum wird ein Gerät zur automatischen Pollenidentifikation in Echtzeit entwickelt.

«Die Pollendaten liegen heute mit einer Woche Verzögerung vor und die geografische Auflösung ist gering.»
Erny Niederberger, Geschäftsführer Swisens AG

Dann könnten Allergiepatienten ihre Medikamente also so einsetzen, dass sie bereits wirken, wenn die Pollen zu fliegen beginnen und auch die Aktivitätsplanung könnte besser abgestimmt werden?

Die genaueren Pollendaten ermöglichen eine vorzeitige, frühe Warnung. So können Betroffene proaktiv Massnahmen ergreifen. Einerseits um den Kontakt zu minimieren wie z.B. Fenster schliessen, Aufenthaltsdauer im Freien reduzieren, Orte mit niedriger Pollenbelastung aufsuchen, Sonnenbrille tragen etc. Andererseits können gezielter Medikamente wie z.B. Antihistaminika eingenommen werden, welche die Symptome lindern, so dass die Produktivität erhalten bleibt.

Wie unterscheidet sich die Swisens-Entwicklung von den Messstationen, die aktuell Polleninformationen liefern?

Die Pollendaten liegen heute mit einer Woche Verzögerung vor und die geografische Auflösung ist gering. MeteoSchweiz kann sich nur 14 Messstationen leisten. Die Pollen werden auf Klebestreifen gesammelt und einmal pro Woche ins Labor versandt. Die Pollen werden dann von einer Fachperson mit Hilfe eines Mikroskops manuell identifiziert. Die Identifikation basiert auf der Struktur und Form der Pollen. Die heutige Pollenprognose basiert also auf Messdaten der Vorwoche, kombiniert mit Erfahrungswerten der Vorjahre und aktuellen Wetterdaten.

Die Swisens-Entwicklung misst die Pollen im Flug aus und identifiziert in Echtzeit die relevanten Pollentypen. Für die Analyse werden optische Messverfahren angewendet. Diese liefern Informationen über die Grösse und Form sowie über die chemische Zusammensetzung der Polle. Basierend auf diesen Messdaten wird jede einzelne Polle mit Hilfe von Algorithmen identifiziert und die Pollendaten stehen in Echtzeit zur Verfügung. Die Pollenprognose kann daher in Zukunft basierend auf aktuellen Messdaten gemacht, und in viel kürzeren Intervallen aktualisiert werden. Die aufwändige und teure Analyse im Labor entfällt. Mit dem eingesparten Geld können dafür mehr Stationen finanziert werden, so dass die geografische Auflösung verbessert wird.

«Die Swisens-Entwicklung misst die Pollen im Flug aus und identifiziert in Echtzeit die relevanten Pollentypen.»

Pollenallergien sind die häufigsten allergischen Erkrankungen und verursachen beträchtliche volkswirtschaftliche Kosten. Warum ist eine genaue, zeitnahe Prognose bis heute denn nicht realisiert worden?

Die automatische Pollenidentifikation in Echtzeit ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Sie erfordert, dass einzelne Pollen mit geeigneten Messmethoden ausgemessen werden können, die genügend Informationen liefern, so dass eine eindeutige Bestimmung möglich ist. Die einzelnen Pollenkörner haben einen Durchmesser von 20 bis 50 Mikrometer, was in etwa der Dicke von feinem menschlichem Haar entspricht. Erst jetzt sind Analysemethoden verfügbar, die das Potenzial für eine Automatisierung der Pollenmessung haben. Es ist schon länger möglich die Grösse solcher Partikel in Echtzeit zu messen, dies reicht aber für die eindeutige Identifikation nicht aus.

Ein Mitbewerber hat ein Gerät auf dem Markt, welches auf dem traditionellen Ansatz beruht. Die gesammelten Pollen werden mit einem Roboter aufbereitet und dem automatisierten Mikroskop zugeführt. Die Identifikation wird mit Hilfe von Bildverarbeitung gemacht. Dieses Gerät konnte jedoch bisher nicht überzeugen. Wir verwenden neue high-tech Komponenten und einen alternativen Ansatz zur Bestimmung der einzelnen Partikel und können damit das Gerät robuster und kompakter machen so dass es für den Betrieb im Feld tauglich ist.

In welchem Stadium befindet sich Ihre Entwicklung aktuell?

Letzten Sommer haben wir eine einjährige Machbarkeitsstudie abgeschlossen. Während dieser haben wir ein neues Messverfahren entwickelt, welches bisher für Einzelpartikelmessung nicht anwendbar war. Damit können Informationen zur chemischen Zusammensetzung der Polle gewonnen werden. Damit werden die Chancen zur besseren Erkennung beträchtlich erhöht. Nun sind wir an der Entwicklung des Prototyps. Dieser wird für den Dauerbetrieb im Feld ausgelegt und soll die automatische Pollenidentifikation in Echtzeit ermöglichen. Diesen Frühling wollen wir zudem eine Patenteingabe machen.

Werden sich auch andere Partikel in der Luft messen lassen, beispielsweise Feinstaub?

Ja, die eingesetzten Messmethoden können auch für die Analyse von anderen Aerosolpartikeln verwendet werden und versprechen bessere Erkenntnisse über die Zusammensetzung und Art der Teile. Solche Anwendungen wollen wir in Zukunft auch erschliessen.

Wie sieht der weitere Zeitplan aus?

Wir wollen die Produktereife in zwei Jahren erreicht haben. Bis dahin ist vorgesehen, dass die Geräte unter anderen auch von MeteoSchweiz getestet werden.

Wie finanzieren Sie die Entwicklung?

Ein grosser Teil der Entwicklung wird durch die drei Gründer selbst finanziert, indem wir auf eine Lohnauszahlung verzichten. Die Machbarkeitsstudie wurde von KTI finanziert und an der Hochschule Luzern Technik & Architektur in Horw (HSLU T&A) durchgeführt. Die notwendigen Vorarbeiten dazu wurden durch eine Anschubfinanzierung der HSLU T&A ermöglicht. Die Finanzierung der Entwicklung und Tests der Prototypen werden durch ein KTI Projekt der Swisens AG in Zusammenarbeit mit der HSLU T&A getragen. Um uns voll auf die Unternehmung konzentrieren und unsere Pensen für die Firma erhöhen zu können, sind wir auf der Suche nach einem Investor.

Herr Niederberger, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Erny Niederberger, El. Ing. HTL / MAS BA
CEO Swisens AG und Hochschule Luzern Technik & Architektur Competence Centre Electronics
Erny Niederberger ist der Initiator dieses Projekts. Er hat lange industrielle Erfahrung. Bei Siemens Building Technologies hat er die neueste Generation von hochsensitiven, auf optischen Messprinzipien beruhenden Ansaugrauchmeldern massgeblich mitentwickelt und war Projektleiter bei der Industrialisierung. Er bringt einerseits das technologische Know-how für optische Partikelmesstechnik mit und andererseits die Erfahrung, was es bedeutet einen zuverlässigen, hochsensitiven und zahlbaren Detektor mit einer geringen Falschdetektionsrate zu entwickeln. Das Rüstzeug zur Unternehmensführung hat er sich im Nachdiplom für den Master of Business Administration (MAS BA) angeeignet.

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