Presse: Schweiz soll auch Spitzel in NRW-Finanzverwaltung gehabt haben

Presse: Schweiz soll auch Spitzel in NRW-Finanzverwaltung gehabt haben

Düsseldorf – Die Spionageaffäre um angeblich auf deutsche Steuerfahnder angesetzte Spione der Schweiz weitet sich aus. Der Schweizer Geheimdienst soll einen bisher nicht identifizierten Spitzel in der Finanzverwaltung von Nordrhein-Westfalen platziert haben. Das geht nach Informationen von «Süddeutscher Zeitung», NDR und WDR aus dem Haftbefehl gegen den am vergangenen Freitag in Frankfurt verhafteten Schweizer Agenten Daniel M. hervor.

Demnach sollte der Spitzel «unmittelbare Informationen» darüber beschaffen, wie deutsche Behörden beim Ankauf sogenannter Steuer-CDs aus der Schweiz vorgehen. Die Operation in Deutschland sei offenbar von höchster Stelle im Schweizer Geheimdienst NDB gesteuert worden, heisst es in dem Bericht weiter.

Daniel M. habe den Auftrag erhalten, eine Liste mit den Namen und persönlichen Daten deutscher Steuerfahnder zu vervollständigen. Damit sei es den Schweizer Behörden möglich gewesen, die deutschen Steuerfahnder zu identifizieren, die am Ankauf der Bankdaten beteiligt gewesen waren.

Dies soll dann auch die Grundlage gewesen sein für mehrere Haftbefehle der Schweizer Justiz gegen deutsche Steuerfahnder, in denen den deutschen Beamten unter anderem «nachrichtliche Wirtschaftsspionage» und «Verletzung des Bankgeheimnisses» vorgeworfen werde.

«Skandal erreicht neue Dimension»
«Wenn der Schweizer Spion nicht nur selber Daten gesammelt, sondern auch noch Informanten in unserer Finanzverwaltung platziert hat, erreicht der Skandal eine neue Dimension», sagte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). «Wir werden uns bei unserem Einsatz für Steuergerechtigkeit nicht einschüchtern lassen», betonte der Minister. Der Fall zeige, wie stark die Verteidiger des Geschäftsmodells «Steuerhinterziehung und Beihilfe» noch seien.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zeigte sich alarmiert: «Ich halte das für einen weitreichenden Vorgang», sagte Schulz in Husum. Der Fall zeige, dass der Kampf gegen Steuerhinterziehung fortgesetzt werden müsse.

Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft sprach von einem unglaublichen Vorgang. «Ich verurteile das auf das Schärfste, das geht natürlich überhaupt nicht», sagte Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. «Das macht man einfach nicht unter benachbarten Staaten.»

Gegenüber der «Rheinischen Post» regte Eigenthaler europaweite Haftbefehle gegen leitende Mitarbeiter des Schweizer Geheimdienstes an: «Wenn wir nun den Verdacht haben, dass Mitarbeiter des Schweizer Geheimdienstes Geld dafür gaben, deutsche Steuerbeamte zu bestechen, dann wäre dies Anstiftung zu einer Straftat und Unterstützung einer Straftat. Also sollten Haftbefehle geprüft werden, die dann wegen der EU-Rechtshilfe in ganz Europa gelten.»

Seit einigen Jahren haben mehrere deutsche Bundesländer CDs mit Bankdaten mutmasslicher Steuersündern aus der Schweiz und Liechtenstein gekauft – allen voran NRW. Das Land gilt als Vorreiter im Kampf gegen Steuerhinterziehung.

Kauf von Steuer-CDs ein «Gemeinschaftsunternehmen»
«Der CD-Kauf von Steuerdaten ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Finanzminister, die Steuerfahnder sind nur die ausführenden Hände», betonte Gewerkschafts-Chef Eigenthaler. Der Ankauf sei weder rechtlich noch moralisch bedenklich. «Die Schweiz hat ihr eigenes Rechtsverständnis, das weiss ich», sagte Eigenthaler. «Aber das muss anders geklärt werden.»

Die Bundesregierung hatte wegen des Falls am Dienstag die Schweizer Botschafterin ins Auswärtige Amt gebeten und «Aufklärung über den Fall des unter Spionageverdachts festgenommenen Schweizer Staatsbürgers erbeten».

Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft stellte sich hinter die Praxis, Informationen über Steuerhinterziehung notfalls auch anzukaufen. Dies sei nicht mehr als die Herstellung von Waffengleichheit gegenüber den Steuerbetrügern und auch in anderen Kriminalitätsfeldern durchaus üblich, sagte der NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft, Manfred Lehmann, der «Neuen Westfälischen» (Freitagausgabe). (awp/mc/ps)

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