Jürg Schmid, Direktor Schweiz Tourismus, im Interview

Jürg Schmid, Direktor Schweiz Tourismus, im Interview
Jürg Schmid, Direktor Schweiz Tourismus (Bild: Schweiz Tourismus)

Von Robert Wildi

Moneycab: Herr Schmid, Konjunkturforscher prophezeien, dass die Talsohle für den Schweizer Tourismus gut zwei Jahre nach dem Währungsschock durchschritten ist. Was stärkt Ihr Glaube, dass dem so ist?

Jürg Schmid: Alle unseren eigenen Indikatoren, aber auch Rückmeldungen aus der Branche, bestätigen diesen Trend. Die Auswirkungen der Frankenstärke waren heftig, aber wir werden bald wieder steigende Gästezahlen aus dem Euroraum sehen. Von einem starken Turnaround können wir allerdings nicht sprechen.

«Die Talsohle scheint erreicht, so dass wir für den Sommer verhalten optimistisch sein dürfen.» Jürg Schmid, Direktor Schweiz Tourismus

Wie sieht Ihr Winterfazit aus und welche Zeichen aus den Regionen erreichen Sie im Hinblick auf den Schweizer Feriensommer 2017?

Das Fazit ist durchzogen. Die Herausforderungen wie etwa der fehlende Schnee im Dezember oder die schlechte Lage der Feiertage, Weihnachten und Neujahr an Wochenenden oder späte Ostern, haben die ersten positiven Entwicklungen stark gebremst. Die Talsohle scheint aber trotzdem erreicht, so dass wir für den Sommer verhalten optimistisch sein dürfen.

Offenbar kommen wieder mehr Deutsche ins Land, dafür harzen die Einreisen aus dem bisherigen Wachstumsmarkt China. Wird Schweiz Tourismus in die Werbebudgets heuer wieder stärker in die Nachbarländer investieren?

Wir verfolgen eine duale Marktstrategie. Einerseits bearbeiten wir unsere Kernmärkte, also die europäischen Länder, weiterhin umfassend. Andererseits erschliessen wir gezielt die Potenziale aus der Ferne. Das sind beispielsweise vermehrt Individualreisende aus China oder Indien. Die Gäste aus China haben im vergangenen Jahr stark auf die Terroranschläge in Europa reagiert, Reisen abgesagt oder neue Routen gewählt. Davon war dann auch die Schweiz als Teil einer typischen Europareise betroffen. Doch die chinesischen Reiseveranstalter melden uns für diesen Sommer bereits wieder wachsende Zahlen.

«Wir konnten 2016 einen neuen Rekord an Schweizer Gästen verzeichnen. Das ist ein klares Bekenntnis zur Schweiz.»

Sorgt die latente Terrorangst umgekehrt dafür, dass mehr Schweizer im eigenen Land Ferien machen?

Schweizerinnen und Schweizer sind ohne Frage unsere wichtigsten und treusten Gäste. Obschon infolge der Frankenstärke die Konkurrenzangebote im Ausland für Schweizer noch billiger wurden, konnten wir 2016 einen neuen Rekord an Schweizer Gästen verzeichnen. Das ist ein klares Bekenntnis zur Schweiz. Die Frage der Sicherheit ist höchstens ein Reise-Ausschluss-Kriterium ist. Man reist nicht dahin, wo es einem unsicher scheint. Vielleicht verzichtet darum tatsächlich der eine oder andere auf eine Fernreise und entdeckt dafür die Schweiz neu. Mit unserer neuen «Grand Tour of Switzerland» bieten dafür genau das richtige Angebot.

Sicherheit ist eines, Qualität das andere. Für den im Auslandvergleich höheren Preis lassen sich auf Dauer nur hochwertige Produkte erfolgreich verkaufen. Machen die Schweizer Leistungsträger, allen voran die Hotels, ihre Hausaufgaben gut genug?

Die grosse Mehrheit tut das heute auf jeden Fall. Viele Schweizer Gastgeber setzen auf Qualität, Service und einmalige Erlebnisse. Dies führte unter anderem auch zu attraktiveren Preisen, da in die Hotelübernachtungen zusätzliche Leistungen gepackt wurden. Unsere internen Schätzungen zeigen: Seit Eintreten der Frankenstärke im Jahr 2011 sind die Hotelpreise in den Schweizer Bergdestinationen durchschnittlich um 10 bis 12 Prozent gesunken.

Tatsächlich? Könnte man mit diesem Argument nicht noch grössere Besuchermassen anlocken?

Grundsätzlich setzt der Schweizer Tourismus auch in Zukunft nicht auf Masse, sondern auf Klasse. Das gilt ja praktisch für alles, was in unserem Land hergestellt wird. Darum sehe ich unsere Zukunft eher im qualitativ hochstehenden Individualtourismus aus nah und fern. Daneben bleibt für einige wenige Orte und Attraktionen der Volumentourismus auch weiterhin ein lukrativer und strategisch richtiger Weg. Diese beiden Wege lassen sich aber kaum vermischen.

Oft propagieren Sie, dass das Schweizer Ferienerlebnis für ausländische Gäste wie «aus einem Guss» kommen müsse. Aufeinander abgestimmte Serviceketten, durchgängige Gastfreundlichkeit etc. Hat sich diesbezüglich etwas entwickelt in den letzten Jahren?

Selbstverständlich hilft uns in diesem Bestreben die gewachsene Tourismusstruktur vieler Kleinbetriebe nicht unbedingt. Sie macht die Schweiz andererseits zu der authentischen Destination, die sie ist. Die Branche hat aber in den letzten Jahren eine hohe Kooperationskompetenz entwickelt. Ich denke dabei an die «Grand Tour of Switzerland», wo sich alle Tourismusregionen der Schweiz zu einem neuen Gesamtangebot gebündelt haben. Oder die neue Plattform «My Swiss Experience», über die man rund 700 einmalige touristische Erlebnisse aus der ganzen Schweiz einfach finden, dank einheitlichen Standards vergleichen und direkt buchen kann.

Trotzdem ist Schweiz im WEF-Ranking der weltweit kompetitivsten Tourismusländer vom früheren Spitzenplatz auf Rang 10 abgerutscht. Experten monieren, dass die tollen Schweizer Landschaften online zu schlecht vermarktet würden. Da muss sich auch Schweiz Tourismus angesprochen fühlen.

Die Schweiz ist mit dem Top10-Rang immer noch das kompetitivste kleine Land und noch vor ihren direkten Mitbewerbern platziert. Die Rangverschlechterung bei Natur und Landschaften ist aufgrund des Anteils geschützte Fläche, der geringeren absoluten Zahl an Tierarten und der tiefen absoluten Zahl an Welterbe-Naturstätten erfolgt. Alles Felder, wo ein kleines Land selbstverständlich nie mit den grossen Ländern mithalten kann. Dass in unseren tollen Naturlandschaften noch viel Marketingpotenzial liegt, ist dagegen eine bekannte Tatsache, auf die die Tourismusbranche aber längst reagiert hat. Schauen Sie nur schon auf die intensivierten Aktivitäten des Netzwerks der Schweizer Pärke, die neuen Naturpärke und nicht zuletzt unsere aktuelle Sommerkampagne «Die Natur will dich zurück».

«Wir dürften schon etwas mehr Selbstbewusstsein zeigen. Der Schweizer neigt zum Understatement und begegnet Neuem mit Respekt.»

Es gehört hierzulande nach wie vor fast zum guten Ton, die tolle Gastfreundlichkeit der Österreicher zu loben. Nur falsche Bescheidenheit oder ist die Willkommenskultur der östlichen Nachbarn eben wirklich ausgeprägter?

Wir dürften schon etwas mehr Selbstbewusstsein zeigen. Der Schweizer neigt zum Understatement und begegnet Neuem mit Respekt. Doch der Schweizer Tourismus bietet ein hohes Level bei Qualität und Service und dürfte das, auf die typisch schweizerische Art, auch noch etwas selbstbewusster zeigen. Ein bisschen direkter, ein bisschen kantiger, aber immer echt und ehrlich.

Im Wallis gibt es erneut Anstrengungen für eine erneute Olympiakandidatur 2026. Braucht die Schweiz solche Events auch aus touristischer Sicht?

Olympische Winterspiele sind eine riesige Chance. Die Schweiz könnte dabei gleich zwei Punkte ins globaler Schaufenster stellen: Einerseits, dass nachhaltige Spiele möglich sind. Und anderseits, dass Winterspiele im Schnee in den Alpen, dort wo der Wintersport seine Wurzeln hat, hoch attraktiv sind. Diese Botschaft würde insbesondere nach zwei Spielen in Asien sehr stark beachtet. Und parallel dazu wäre die Zusammenarbeit im Tourismus auf so ein grosses gemeinsames Ziel hin wertvoll für unsere Branche.

Würde es Sie reizen, nach 17 Jahren bei Schweiz Tourismus beruflich nochmals eine neue Herausforderung anzunehmen?

Diese Frage stellt sich mir im Moment absolut nicht, womit sie auch gleich beantwortet wäre (lacht).

Der Gesprächspartner:
Jürg Schmid (Jahrgang 1962, Betriebsökonom HWV) ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Seit dem 1. November 1999 ist er, abgesehen von einem kurzen Unterbruch im Jahr 2010 (SBB), Direktor von Schweiz Tourismus (ST). Davor war er für das US-Softwareunternehmen Oracle Corporation tätig. In der Schweizer Organisation verantwortete er als Geschäftsleitungsmitglied die Bereiche Verkauf und Marketing, wurde danach in die Regionalleitung zum Direktor Verkauf und Marketing befördert und zeichnete sich verantwortlich für die Märkte Nord-, Zentral- und Osteuropa, die CIS-Staaten, den Mittleren und Nahen Osten sowie Afrika. Vor seiner Tätigkeit bei Oracle holte sich Jürg Schmid wichtige Berufserfahrungen bei Hewlett-Packard sowie der Bank Vontobel.

Das Unternehmen:
Die Marketingorganisation Schweiz Tourismus (ST) fördert seit 100 Jahren im Auftrag des Bundes die Nachfrage für das Reise- und Kongressland Schweiz im In- und Ausland. ST pflegt dabei die touristische Marke Schweiz, die unter dem Oberbegriff «Swissness» für Qualität, Naturerlebnis, Nachhaltigkeit und Modernität steht. Dazu entwickelt ST Marketingprogramme und bürgt mit ihren Partnern für eine kreative Umsetzung sämtlicher Werbe- und Verkaufsmassnahmen. ST ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Ihren Vorstand bilden 13 Vertreter aus Tourismus, Wirtschaft und Branchenverbänden. Schweiz Tourismus ist weltweit in 26 Märkten präsent und beschäftigt insgesamt knapp 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. www.myswitzerland.com

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