Xenon1T: Das empfindlichste «Auge» für Dunkle Materie

Xenon1T: Das empfindlichste «Auge» für Dunkle Materie
Das XENON1T-Experiment im Gran-Sasso-Untergrundlabor mit Wassertank zur Strahlungsabschirmung (links) und Technikgebäude (rechts). (Bild: © Roberto Corrieri, Patrick De Perio, XENON-Kollaboration)

Zürich – «Das weltbeste Resultat zu Dunkler Materie – und wir stehen erst am Anfang!» So freuen sich Wissenschaftler der XENON-Kollaboration über die ersten Ergebnisse ihres neuen Instruments, die sie am Donnerstag auf einer Konferenz vorstellen. Mit nur 30 Tagen Messzeit erweist sich XENON1T als der weltweit empfindlichste Detektor für Dunkle Materie.

Verschiedene astronomische Beobachtungen legen nahe, dass Dunkle Materie ein wesentlicher Bestandteil des Universums ist. Sie müsste rund fünfmal häufiger sein als normale, sichtbare Materie. Der direkte Nachweis Dunkler Materie und die Erforschung ihrer Eigenschaften ist deshalb eines der wichtigsten Ziele der modernen Teilchenphysik. Dazu suchen Forscher mit extrem empfindlichen Detektoren nach Wechselwirkungen der Dunkle-Materie-Teilchen mit normalen Teilchen. Diese extrem schwachen Wechselwirkungen haben sich aber bisher der Entdeckung entzogen, was die Wissenschaftler dazu zwingt, immer noch empfindlichere Detektoren zu bauen.

Zurück an der Spitze
Die XENON-Kollaboration, die mit dem XENON100-Experiment jahrelang führend war, hat sich nun mit ihrem neuen Instrument XENON1T an der Spitze zurückgemeldet. Die Daten der ersten 30 Messtage zeigen, dass dieser Detektor den bisherigen Rekord für die geringste Radioaktivität deutlich verbessert. Diese ist um viele Grössenordnungen niedriger als in der normalen irdischen Umgebung. Radioaktivität erzeugt Störsignale, vergleichbar mit dem Licht der Städte, das den Blick auf den Sternenhimmel beeinträchtigt. XENON1T verwendet etwa 3200 kg des flüssigen Edelgases Xenon als Detektormaterial und ist damit der grösste jemals gebaute Detektor seiner Art. Aufgrund der Kombination von Grösse und Reinheit hat XENON1T in den kommenden Jahren sehr gute Chancen, Dunkle-Materie-Teilchen zu finden.

Schutz vor kosmischer Strahlung
Astronomen bauen ihre grossen Teleskope auf abgelegene hohe Berge, wo die Nächte dunkel sind. Um das radioaktive «Störlicht» zu entfernen, muss man anders vorgehen: Gut geschützt vor kosmischer Strahlung ist das XENON1T-Instrument seit Herbst 2016 im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor im Messbetrieb. Was man davon in der unterirdischen Experimentierhalle sehen kann, sind ein riesiger stählerner Wassertank und ein dreistöckiges durchsichtiges Gebäude daneben. Darin ist die für den Betrieb des Experiments notwendige Technik untergebracht.

Der Wassertank ist mit hochreinem Wasser gefüllt, das den Detektor in seiner Mitte vor Strahlung aus der Umgebung und restlicher kosmischer Strahlung schützt. Der eigentliche Detektor, eine sogenannte Flüssig-XenonZeit-Projektionskammer (time projection chamber: TPC), befindet sich in einem Isoliergefäss, das dafür sorgt, dass das flüssige Xenon –95°C kalt bleibt – ohne dass das Wasser gefriert.

Aber selbst perfektes Abschirmen gegen äussere Einflüsse ist nicht ausreichend, weil alle Materialien auf der Erde geringe Spuren von natürlicher Radioaktivität enthalten. Um möglichst wenig Radioaktivität in den Detektor einzubringen, war es daher erforderlich, alle verwendeten Materialien sorgfältig auszuwählen, zu verarbeiten und zu reinigen. Nur so gelang es, das Zentrum von XENON1T zu einem der reinsten Orte des Universums zu machen. Dies ist Voraussetzung, die extrem seltenen Signale von Dunkler Materie zu finden.

Wenn ein Teilchen in flüssigem Xenon wechselwirkt, entstehen winzige Lichtblitze. Die XENON-Wissenschaftler registrieren diese und bestimmen daraus den Ort der Wechselwirkung und die Energie des Teilchens – und ob es Dunkle Materie sein könnte oder nicht. Infrage dafür kommen nur Ereignisse im Zentrum des Detektors, das etwa 1 Tonne Xenon umfasst. Das äussere Xenon bildet eine zusätzliche Abschirmschicht gegen restliche Spuren von Radioaktivität im Material.

In neues Terrain vorgedrungen
Schon mit den in den ersten 30 Tagen gesammelten Daten übertrifft die Empfindlichkeit von XENON1T alles bislang dagewesene. XENON1T ist damit in bisher unerforschtes Terrain eingedrungen. Es hat dort aber noch keine Dunkle Materie gefunden, die Messung ist auch erst angelaufen. XENON1T ist in einer ausgezeichneten Position im Rennen um die Entdeckung der Dunklen Materie.

In der internationalen XENON-Kollaboration arbeiten Wissenschaftler aus den USA, Deutschland, Italien, der Schweiz, Portugal, Frankreich, den Niederlanden, Israel, Schweden und den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammen. Aus der Schweiz ist die Universität Zürich am Projekt beteiligt. Die Gruppe von Prof. Laura Baudis am Physik-Institut trug wesentlich zum Bau des inneren Detektors, der Zeit-Projektionskammer, zu den Tests und Elektronik der 248 Photodetektoren, sowie zu den Messungen der Radioaktivität der Detektormaterialien bei. Die Gruppe ist auch aktiv an der Eichung und Betrieb des Detektors, sowie an der Datenanalyse beteiligt. (UZH/mc/pg)

XENON1T

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