SGKB Investment views: Europa ist im Aufbruch, nicht aber für die EZB

SGKB Investment views: Europa ist im Aufbruch, nicht aber für die EZB
Von Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Letzte Woche haben sich die Regierungschefs der EU-Länder zu einem weiteren Gipfel getroffen. Nach dem Wahlsieg von Emmanuel Macron ist so etwas wie Aufbruchstimmung zu spüren. Das gleiche Bild zeigt sich auch in der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Konjunktur im Euroraum gewinnt an Dynamik und Breite. 

Das BIP-Wachstum befindet sich in der Eurozone seit mehreren Quartalen auf einem guten Niveau. Im ersten Quartal 2017 war es mit 0.6% deutlich stärker als in den USA oder in der Schweiz. Auf Jahresbasis beträgt das Wachstum solide 1.9%. Das Wachstum ist breit abgestützt und umfasst sowohl den privaten Konsum als auch die Investitionen. Letztere haben im Jahresvergleich mit +6.0% überdurchschnittlich zugelegt. Das zeigt, dass sich die Unternehmen Chancen für eine Expansion ihres Geschäfts ausrechnen.

Unterschiedliche Entwicklung in Europa
Angetrieben wird die Konjunktur nach wie vor von Deutschland. In Spanien ist das Wachstum das zweite Jahr in Folge mit mehr als 3% ausserordentlich stark. Auch Portugal fällt mit einem Plus von 2.8% positiv auf. Weiterhin überdurchschnittlich hoch ist zudem das Wachstum in Osteuropa. Hinter den Erwartungen zurück bleiben einmal mehr Frankreich und Italien, wobei auch dort ein Wachstum von einem Prozent zu verzeichnen ist.

Die Lobrede für die europäische Wirtschaft muss relativiert werden. Die Arbeitslosigkeit ist mit 9.2% immer noch zu hoch. In Spanien beträgt sie 17.8% und auch in Italien ist mehr als 11% der Bevölkerung im Arbeitsalter davon betroffen.

Nich überall herrscht Optimismus
Viele Leute spüren deshalb vom Aufschwung nichts, was den Optimismus und damit auch die Konsumfreude schmälert. In Italien kommt das Problem mit den Banken hinzu. Nach der Rettung der Monte die Paschi die Siena mit staatlichen Geldern ist es um das Thema zwar ruhiger geworden. Gelöst wurde das Problem der vielen notleidenden Kredite jedoch nicht. Dies verhindert die Vergabe neuer Kredite, auf welche die italienische Wirtschaft angewiesen ist. Ebenfalls ungelöst ist das Schuldenproblem der Staaten und der Reformwille der Finanzminister hat nachgelassen. Schliesslich stellt die EZB ja die Refinanzierung sicher.

Die positiven Signale überwiegen
Der Druck auf die EZB wird zunehmen, ihre ultraexpansive Geldpolitik und ihr QE-Programm zu überdenken. Mario Draghi hält aber daran fest, bis Ende Jahr monatlich für 60 Mrd. Euro Anleihen zu kaufen. Auch in der Kommunikation verbreitet er keinen Optimismus und betont vor allem die Risiken für die Eurozone. Je besser die Daten in Europa aber ausfallen, desto mehr riskiert die EZB ihre Glaubwürdigkeit. Die schon fast sture Betonung der zu tiefen Inflation wirkt mit der Zeit hilflos. Die Finanzmärkte hätten kein Problem damit, wenn die EZB bereits in diesem Jahr das Programm kürzen und Ende Jahr ganz damit aufhören würde. Das würde den Weg freimachen, im nächsten Jahr über höhere Zinsen nachzudenken und von den Negativzinsen wegzukommen. (SGKB/mc/ps)

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