SGKB Investment views: Die Angst vor einem Zinsschock ist unbegründet

SGKB Investment views: Die Angst vor einem Zinsschock ist unbegründet
Von Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Positive Bemerkungen von Mario Draghi über die europäische Wirtschaft und die Inflationsentwicklung in der Eurozone haben die Kapitalmärkte aufgeschreckt. Die Renditen der Obligationen in Deutschland und auch in der Schweiz haben einen Sprung von rund 30 Basispunkten nach oben gemacht. Sie sind damit aber nur unwesentlich höher als sie das schon Mitte März waren. Im Vorfeld der Wahlen in Frankreich und als Folge schwächerer Wirtschaftsdaten aus den USA sind die Renditen der Obligationen seither erneut auf tiefe Werte gesunken. Dennoch nimmt die Berichterstattung über die Gefahr eines Zinsschocks und damit verbunden von Kursverlusten bei den Obligationen viel Raum ein.

Die aktuelle Zinsbewegung nach oben ist Teil einer sich verändernden Zinsumgebung, die bereits im letzten Sommer eingesetzt hat. Seit dem Juli 2016 steigen die Zinsen in der Schweiz wie auch im restlichen Europa an. Der Zinsanstieg erfolgt dabei in Stufen, immer wieder gefolgt von Gegenbewegungen nach unten. Einmal sind höhere Inflationserwartungen, ein anderes Mal Zinserhöhungen der Fed oder dann eben Aussagen von Mario Draghi der Auslöser für einen neuerlichen Zinsanstieg.

Geldpolitische Wende
Im grossen Bild ist die Zinsentwicklung jedoch die Folge der Trendwende im geldpolitischen Umfeld. Die Fed erhöht die Zinsen schon länger, hat aber in diesem Jahr die Geschwindigkeit erhöht. Gleichzeitig bereitet sie die Märkte darauf vor, dass sie der US-Wirtschaft ab Ende Jahr zunehmend Geld entziehen will. In Europa drehen sich die Spekulationen nicht mehr darum, auf welche Anlagen die EZB ihr QE-Programm ausweiten will. Es geht um die Frage, wann es gestoppt wird und wann die EZB ihrerseits die Zinsen anheben wird. Die Schweiz führt geld- und zinspolitisch momentan kein Eigenleben, weshalb die Entwicklung bei der EZB und bei den Zinsen in Europa parallel auf die Schweizer Zinsen durchschlagen.

Die Fed wird ihre Leitzinsen in diesem Jahr noch einmal erhöhen und wie angekündigt mit dem Abbau ihrer Bilanz beginnen. Die EZB wird ab Januar 2018 ihr QE-Programm kürzen und rasch beenden. Damit erhält sie den nötigen Spielraum, um im zweiten Halbjahr 2018 die erste Zinserhöhung ins Auge fassen zu können.

Anpassung in Stufen
Die EZB wird aber wie die Fed zuerst vorsichtig und langsam die Zinsen anheben. Von einem Abbau der Bilanz und einer Verkleinerung des Anleihen-Portfolios wird in der EZB noch jahrelang nicht die Rede sein. Die SNB ihrerseits muss stillhalten, bis die EZB an der Zinsschraube dreht. Vor der ersten EZB-Zinserhöhung werden die Kapitalmarktzinsen in Deutschland und in der Schweiz weiter steigen und die Zinskurve wird steiler werden, da bei den Geldmarktzinsen vorerst nichts passiert. Das Bild ist aus den USA im Vorfeld der ersten Fed-Zinserhöhung bekannt. Der Zinsanstieg wird wie bisher in Stufen erfolgen und in seinem Ausmass beschränkt sein. In zwölf Monaten erwarte ich die Renditen der 10-jährigen Staatsanleihen in der Schweiz bei 0.10% bis 0.30% und in Deutschland bei 0.80% bis 1.00%.

Die höheren Zinsen werden zu Kursverlusten bei den Obligationen führen. Diese werden jedoch verkraftbar sein. Die grössere Gefahr für die Obligationäre wäre eine starke Rezession mit zwar tieferen Zinsen, aber vielen Ausfällen von Schuldnern. Steigen die Renditen, können zudem Neuanalagen in Obligationen zu einem höheren und attraktiveren Zins getätigt werden. Eine gute Staffelung des Obligationenportfolios mit regelmässigen Verfällen ist in den nächsten Jahren der Schlüssel zum Erfolg. (SGKB/mc/ps)

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