Martin Durchschlag, CEO HIAG, im Interview

Martin Durchschlag, CEO HIAG, im Interview
Martin Durchschlag, CEO HIAG Immobilien AG. (Foto: HIAG)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Durchschlag, HIAG hat in der ersten Jahreshälfte den Liegenschaftsertrag und den Gewinn deutlich gesteigert. Welches waren die positiven Faktoren?

Martin Durchschlag: Wir konnten gegenüber dem Vorjahr nicht nur auf Vergleichsbasis um 2.1% zulegen, sondern durch den Zukauf des Areals in Yverdon im September 2016 einen zusätzlichen Umsatzbeitrag verbuchen. Besonders freut uns, dass wir auch die durchschnittliche Restmietdauer auf 5.5 Jahre erhöhen konnten.

Die Leerstandsquote konnte um 0,2 auf 15,1% gesenkt werden. Wo konnten die wichtigsten Mietverträge abgeschlossen werden?

Es sind mehrere Mietverträge, vor allem bei Arealen mit langfristigen Zwischennutzungen, die zu dieser Senkung beigetragen haben. Für die Verlängerung der durchschnittlichen Restmietdauer waren vor allem die Neuabschlüsse mit Media Markt in Dietikon und Baoshida Swissmetall in Dornach verantwortlich.

Wie beschreiben Sie das aktuelle Marktumfeld?

Wir sind womöglich am Ende eines Zyklus, in dem das Angebot der Nachfrage lange hinterherhinkte. Heute haben sich in bestimmten Segmenten und Regionen Angebotsüberhänge gebildet, die jedoch im internationalen Vergleich kein dramatisches Ausmass haben. Diese führen dazu, dass Mieter wieder eine bessere Verhandlungssituation haben und diese auch nutzen. Ich halte das für eine gesunde Entwicklung. Gerade im Wohnen ist die Leerstandsziffer aber insgesamt noch auf einem sehr tiefen Niveau.

«Wir erleben, dass einige Nutzer sich noch längerfristiger an ihre Standorte binden wollen und lange vor Fälligkeit eine Verlängerung erwägen.»
Martin Durchschlag, CEO HIAG

Mit Blick auf das zweite Halbjahr erwarten Sie einige Weichenstellungen in Bezug auf Ankernutzer und Entwicklungsschritte. Wo konkret?

Wir sehen relativ viel Bewegung im Markt. Wir erleben, dass einige Nutzer sich noch längerfristiger an ihre Standorte binden wollen und lange vor Fälligkeit eine Verlängerung erwägen. Andererseits gibt es Mieter welche ihr Geschäftsmodelle unter Druck sehen und ihren Standort in Frage stellen. Gleichzeitig drängen strategisch besser aufgestellte Konkurrenten darauf, mögliche entstehende Lücken zu füllen. Bereits berichtet haben wir über den Beabsichtigten Umzug von Stadler Rail auf unser Areal in St. Margrethen, über weitere Entwicklungen können wir erst berichten, wenn sich diese materialisieren.

Im Juli hat HIAG in Meyrin ein zweites Areal erworben, mit einer Nutzfläche von 9700 m2. Welche Pläne verfolgen Sie für diesen Standort?

Das Areal liegt direkt am Bahnhof, der im Zuge der Entwicklung der Schnellbahnverbindung CEVA, die den Hauptbahnhof in Genf mit Annemasse in Frankreich verbindet, aufgewertet wird. Gegenüber dem Kanton mussten wir uns im Zuge der Transaktion verpflichten, dass wir an diesem Ort eine verdichtete Entwicklung anstossen. Das entspricht genau unserer Strategie. Bis der Bagger auffährt, wird aber noch einige Zeit vergehen, da der gesamte politische Prozess noch nicht angestossen ist. Wir gehen davon aus, dass eine Zwischennutzungsphase zehn Jahre dauern könnte.

HIAG kauft Industriegelände und entwickelt sie weiter. Die Entwicklung dieser Areale benötigt ein langfristiges Engagement. Welche Risiken sind damit verbunden?

Die nachhaltige Entwicklung eines Areals ist kein Projekt sondern ein Prozess. Anders gesagt: Ein Gebäude mag einen klaren Fertigstellungstermin haben, ein Areal ist aber unter Umständen nie endgültig fertigentwickelt. Für so langfristige Prozesse muss man organisatorisch und finanziell richtig aufgestellt sein. Zeitlich oder finanziell unter Druck zu kommen, weil sich ein Prozess aufgrund rechtlicher Hürden in die Länge zieht – und dafür kann es viele Gründe geben – stellt ein zentrales Risiko dar. Durch eine breite Diversifikation im Portfolio können wir diese Risiken tragen. Durch eine grosse Nähe zu den lokalen Bezugsgruppen müssen wir zudem sicherstellen, dass wir kritische Entwicklungen rechtzeitig erkennen und reagieren können.

«Ein Gebäude mag einen klaren Fertigstellungstermin haben, ein Areal ist aber unter Umständen nie endgültig fertigentwickelt. «

Mit Zwischenvermietungen können die laufenden Kosten bis zur Umsetzung Ihrer Projekte in den meisten Fällen gedeckt werden. Wie schwierig ist es, solche Zwischenmieter zu finden oder sie vor Ort zu behalten?

Die Herausforderung bei Zwischennutzungen ist nicht diese Nutzungen zu finden, die Mieten für solche Flächen sind ja moderat und entsprechend attraktiv. Das Gesetz unterscheidet aber nicht zwischen Neubau und Zwischennutzung. Um allen feuerpolizeilichen und behördlichen Auflagen zu genügen sind oft Investitionen in einem Ausmass erforderlich, die sich nicht über die Zwischennutzungsphase amortisieren lassen. Die Herausforderung ist also Nutzer zu finden, an die wir mit möglichst geringem Aufwand gesetzeskonform vermieten können.

Wie hoch ist der Anteil des Bereichs Wohnen in Ihrem Portfolio?

Im letzten Jahr ist der Wohnanteil durch den Verkauf von Stockwerkeigentumsprojekten auf rd. 20% gefallen. Derzeit lancieren wir jedoch Projekte in Cham und Frauenfeld mit insgesamt 340 Mietwohneinheiten. Wenn diese fertiggestellt sind, wird der Wohnanteil wieder gegen ein Drittel des Portfolios steigen.

Streben Sie je nach Areal-Entwicklung einen speziellen Mieter-Mix an?

Der richtige Mix an Nutzern und Nutzungen ist entscheidend, es gibt aber nicht den richtigen Mix. Die ideale Nutzungsstruktur wird sehr oft mit beeinflusst durch die Geschichte des Areals, einem bestehenden Ankernutzer und der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Es ist auch illusorisch, dass man an jedem Ort den Nutzungsmix planen kann. Letztendlich gibt auch die konkrete Nachfrage Impulse, die weitere Entwicklungen beeinflussen und daher sorgfältig kuratiert werden müssen.

Im Besitz der HIAG sind Areale mit einer Gesamtfläche von 2.6 Mio. m², davon sind 1.5 Mio. eingezont. Das Hiag-Entwicklungsportfolio umfasst rund 50 Projekte mit einem zu erwartenden Investitionsvolumen von rund 1,8 Mrd Franken. Wie sieht Ihr Zeitplan bei der Projekt-Umsetzung aus?

Wir sehen für unsere Projektpipeline einen Zeithorizont von 10 bis 15 Jahren. Bei Projekten wo eine Entwicklungsmöglichkeit erst durch grossmassstäbliche Erschliessungen möglich wird, wie Zubringerstrassen oder Erschliessungen mit öffentlichen Verkehr, werden mitunter die entscheidenden Weichen gestellt, viele Jahre bevor der sprichwörtliche Bagger auffahren kann. Insofern begleiten wir auch Projekte die erst in zehn Jahren starten bereits heute sehr aktiv.

«Wir sind überzeugt, dass der hochverfügbare und sichere Zugang zu Cloud-Infrastruktur für Unternehmen zu einem Standortkriterium wird.»

HIAG investiert Millionen in den Aufbau einer eigenen IT-Infrastruktur. Wie weit ist die Entwicklung fortgeschritten?

Wir sind überzeugt, dass der hochverfügbare und sichere Zugang zu Cloud-Infrastruktur für Unternehmen zu einem Standortkriterium wird. Diese Überzeugung hat uns dazu gebracht, in den Ausbau eines Schweizer Glasfasernetzes und Cloudinfrastruktur zu investieren und unsere Tochterunternehmung HIAG Data am Markt zu positionieren. Unser Angebot richtet sich aber nicht nur an unsere Mieter, sondern vor allem an Systemintegratoren und IT-Dienstleistungsanbieter, die weder den Bau ihrer eigenen Immobilien noch die Entwicklung ihrer eigenen IT-Infrastruktur sehen, sondern in der Bedienung ihrer Kunden und Märkte. Gerade für Unternehmen, die aufgrund eines dynamischen Umfelds ihre Bedürfnisentwicklung schwer vorausplanen können, ist zudem ein Pay per Use Modell meist wesentlich kosteneffizienter als das Vorhalten von Ressourcen. Anfang 2018 werden wir mit der Weiterentwicklung unserer bestehenden Cloud-Plattform bzw. IT-Infrastruktur operativ gehen.

Wie kam es zur Gründung dieses eigentlich branchenfremden Geschäftsbereichs? Wo können Sie daraus einen Nutzen für den Immobilienbereich ziehen?

Auslöser war ein Planungsprozess eines Grossrechenzentrums für einen potenziellen Kunden. Indem wir uns mit den Bedürfnissen des Kunden in der Tiefe auseinandergesetzt haben, wurde uns bewusst, wo technische und auch wirtschaftliche Grenzen der bestehenden Konzepte liegen. Wir haben zwar das Projekt dann nicht realisiert, sind aber dadurch mit Personen in Kontakt gekommen mit denen wir Ansätze zum Abbau technischer und wirtschaftlicher Hürden diskutieren konnten. Heute sind wir in der Lage unseren Mietern dabei zu helfen, die Hürde für eine Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle zu senken und können ihnen so ein attraktives Infrastrukturpaket anbieten.

Herr Durchschlag, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Martin Durchschlag, Jahrgang 1976, übernahm 2011 die Geschäftsführung der HIAG Immobilien. Er stiess 2004 zur HIAG Gruppe und steuerte als CFO den Übergang vom Holzindustriekonzern zum Immobilienunternehmen. Vor seiner Tätigkeit bei der HIAG war er in der strategischen Unternehmensberatung tätig. Martin Durchschlag studierte Wirtschaftsingenieurwesen und Maschinenbau an der Technischen Universität Wien. Er lebt mit seiner Familie in Basel.

Zum Unternehmen:
Ursprünglich aus der Holzindustrie kommend, spezialisierte sich die HIAG auf die Entwicklung von ehemaligen Industriearealen. Das Immobilien-Portfolio ist sowohl geografisch wie auch bezüglich Nutzungen diversifiziert. Das langfristig ausgerichtete Geschäftsmodell basiert im Wesentlichen auf langfristigen Mietverträgen mit industriellen, gewerblichen und privaten Mietern sowie dank ganzheitlicher Entwicklungskompetenz auf einer nachhaltigen Wertsteigerung der oft grossen Areale. Die Tochterunternehmung HIAG Data bietet IT-Dienstleistern schweizweit eine intelligente IT-Infrastrukturplattform. Diese besteht aus einem Carrier-unabhängigen Glasfasernetz, den Ankerstandorten Zürich und Biberist sowie IT-Infrastruktur, die auf Open Source und Microsoft-Technologie aufbaut und eine flexible Skalierung von Rechner- und Speicherkapazität ermöglicht.

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