Merkel kündigt Gespräche mit FDP, Grünen und SPD an

Merkel kündigt Gespräche mit FDP, Grünen und SPD an
Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Foto: Bundesregierung/Steins)

Berlin – Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel will nach den schweren Verlusten der Union bei der Bundestagswahl Gespräche mit FDP, Grünen und SPD über eine mögliche künftige Regierung führen. Es sei sehr wichtig, dass Deutschland auch künftig eine gute und stabile Regierung habe, sagte Merkel am Montag nach Beratungen der CDU-Spitze in Berlin. Man wolle auch mit der SPD im Gesprächskontakt bleiben. Die Sozialdemokraten haben allerdings angekündigt, in die Opposition zu gehen.

Merkel schlug den amtierenden Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) zur Wiederwahl an diesem Dienstag vor. Dieser Vorschlag sei in den CDU-Spitzengremien auf breite Zustimmung gestossen, sagte Merkel. Nach den herben Verlusten von CDU und CSU zeichnen sich in den Unionsparteien Konflikte darüber ab, wie die zur AfD abgewanderten Wähler zurückzugewinnen sind – mit einem Rechts- oder einem Mitte-Kurs.

Im Verlauf des Montags wollten alle Parteigremien über die Konsequenzen aus dem Wahlausgang beraten. Nach dem vorläufigen Endergebnis fiel die Union auf ihr schwächstes Ergebnis seit 1949: 33 Prozent (2013: 41,5). Die SPD stürzte auf ein Rekordtief von 20,5 Prozent (25,7). Die AfD, 2013 noch knapp gescheitert, legt mit 12,6 Prozent auf knapp das Dreifache zu (4,7). Die FDP kehrt mit 10,7 Prozent in den Bundestag zurück (4,8). Die Linken verbuchen 9,2 Prozent (8,6), die Grünen 8,9 (8,4). Mit 709 Abgeordneten ist der Bundestag in der neuen Wahlperiode so gross wie nie zuvor.

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Keine einfache Regierungsbildung – SPD will in die Opposition
Merkel steht damit vor ihrer vierten Amtszeit. Einfach wird die Bildung einer Koalition nicht: SPD-Chef Martin Schulz hatte noch am Wahlabend einer erneuten grossen Koalition eine Absage erteilt. Derweil sehen Grüne und Liberale wegen teils gegensätzlicher Ziele ein Jamaika-Bündnis skeptisch. Der Einigungsdruck ist aber gross, denn von einer Neuwahl könnte die AfD noch stärker profitieren. Als Koalitionspartner kommt diese für keine andere Partei in Frage.

Dass es vor der Landtagswahl in Niedersachsen am 15. Oktober konkret wird, gilt als unwahrscheinlich – keine Partei im Bund will den Wahlkämpfern in Hannover mit Vorfestlegungen in die Quere kommen.

Sieg der Union hatte sich angedeutet
Ein Sieg der Union hatte sich seit Monaten in allen Umfragen angedeutet. Das war aber nicht immer so. Die Nominierung von Schulz zum Kanzlerkandidaten am Jahresanfang liess die Umfragewerte der SPD zunächst in die Höhe schnellen und bei den Sozialdemokraten Hoffnung auf einen Machtwechsel keimen. Von drei verlorenen Landtagswahlen im Frühjahr erholte sich die Partei aber nicht mehr. Mit dem Thema soziale Gerechtigkeit konnte Schulz nicht punkten. Auch konkrete Konzepte zu Politikfeldern wie Pflege und Rente verfingen beim Wähler nicht. Andere Streitthemen wie die von der SPD geforderte Ehe für alle räumte Merkel vor der Wahl ab.

Petry sorgt für Eklat
Die AfD schaffte es in der Endphase des Wahlkampfs immer wieder, mit provokanten Äusserungen Aufmerksamkeit zu erregen. Ihr nützte es, dass das Thema Flüchtlingspolitik eine grössere Rolle spielte, als die zurückgegangenen Zuzugszahlen erwarten liessen.

Doch die AfD ist intern zerstritten. Dies zeigte sich schon am Tag nach der Wahl: Die Parteivorsitzende Frauke Petry kündigte an, dass sie der Fraktion ihrer Partei nicht angehören werde. Sie werde «vorerst als Einzelabgeordnete» in den Bundestag einziehen, sagte Petry am Montag und verliess eine gemeinsame Medienkonferenz mit der AfD-Spitze. Petry hatte in ihrem Wahlkreis in Sachsen ein Direktmandat errungen. Sie habe «nach langer Überlegung entschieden», nicht Mitglied der Fraktion zu werden. «Seien Sie aber versichert, dass ich weiterhin aktiv Politik machen werde, und dass mein politisches Ziel, mein Anspruch ist, dass wir eine konservative Wende 2021 in diesem Land im Bundestag hinbekommen. Dafür werde ich alles tun, damit das, was an vernünftigen AfD-Ideen seit 2013 erarbeitet wurde, auch tatsächlich politische Realität wird.» In einer Stellungnahme während der Medienkonferenz kritisierte sie erneut, dass die AfD zuletzt vor allem mit abseitigen Positionen Schlagzeilen gemacht habe – eine Kritik, die sich besonders gegen Gauland richtet.

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Unionsstreit über Merkels Flüchtlingspolitik könnte wieder aufflammen
Wegen des starken AfD-Ergebnisses könnte der Unionsstreit über Merkels Flüchtlingspolitik wieder aufflammen, auch CDU-intern. CSU-Chef Horst Seehofer hat eine Obergrenze für den Zuzug einst als Bedingung für eine Koalitionsbeteiligung genannt. Darauf dürfte er bei der ablehnenden Merkel pochen, um vor der bayerischen Landtagswahl 2018 weiteren Zuwachs für die AfD zu verhindern.

Die Erfolg der erst 2013 gegründeten AfD hatte sich schon angedeutet – weniger in den Umfragen als vor allem auf einigen Marktplätzen: Stärker als frühere Wahlkämpfe war dieser von Anfeindungen und Störungen geprägt. Die Kanzlerin wurde bei Auftritten mehrfach ausgebuht und mit Tomaten beworfen, besonders in Ostdeutschland. (awp/mc/ps)

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