Lufthansa kauft Grossteil von Air Berlin – noch kein Deal mit Easyjet

Lufthansa kauft Grossteil von Air Berlin – noch kein Deal mit Easyjet
Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG. (Foto: Lufthansa)

Berlin / Frankfurt – Die Lufthansa übernimmt den grössten Teil der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin. An den Branchenprimus im deutschen Luftverkehr gehen 81 von 134 Flugzeugen. Zudem können 3000 der rund 8000 Air-Berlin-Beschäftigten zu dem Konzern wechseln, wie Lufthansa-Chef Carsten Spohr ankündigte. Air Berlin erhält nach eigenen Angaben etwa 210 Millionen Euro als Kaufpreis. Der Vertrag sollte noch am Donnerstag unterschrieben werden.

Die Aktien beider Unternehmen reagierten mit Kurssprüngen auf die Nachrichten. Die Lufthansa-Aktie setzte sich früh an die Spitze des Dax und lag am späten Nachmittag mit 2,36 Prozent im Plus bei 25,205 Euro. Für die zuletzt besonders schwer gebeutelten Papiere von Air Berlin ging es um rund 45 Prozent Prozent auf 0,237 Euro nach oben. Schon vor der Insolvenzanmeldung waren die Papiere nur noch zu Centbeträgen gehandelt worden.

Für weitere Maschinen verhandelt Air Berlin mit Easyjet, anders als geplant gelang bisher aber keine Einigung. Zugleich sucht das Management in einem gesonderten Verfahren noch Angebote für die Techniksparte.

«In der Tat ist das heute ein grosser Tag», sagte Spohr, der von einer historischen Entscheidung sprach. Insgesamt investiere Lufthansa 1,5 Milliarden Euro, vor allem für den Kauf der Air-Berlin-Flugzeuge von Leasing-Gesellschaften.

Gewerkschaften warfen dem Konzern vor, sich seiner sozialen Verantwortung zu entziehen. Hintergrund ist, dass nur rund 1300 der 3000 genannten Mitarbeiter direkt übernommen werden – das sind diejenigen, die bei den Air-Berlin-Töchtern Niki und Luftfahrtgesellschaft Walter beschäftigt sind, die Lufthansa komplett übernimmt. Die übrigen Mitarbeiter müssen sich bei der Konzerntochter Eurowings neu bewerben und fürchten Gehaltseinbussen. Verdi forderte von der Politik und den beteiligten Unternehmen, eine Transfergesellschaft für die übrigen Beschäftigten zu ermöglichen.

Die Air-Berlin-Gläubiger entscheiden am 24. Oktober über den Verkauf, anschliessend prüft die europäische Wettbewerbsbehörde in Brüssel das Geschäft, was voraussichtlich mehrere Monate dauern wird. Erst dann kann der Kauf formal vollzogen werden.

Damit Air Berlin finanziell in der Lage bleibt, die für Lufthansa bestimmten Maschinen in der Luft zu halten, will der Dax-Konzern Plätze in Niki-Fliegern kaufen und weitervermarkten sowie die Propeller-Maschinen zunächst leasen, wie Spohr erläuterte.

Easyjet an 30 Maschinen interessiert
Easyjet will bis zu 30 Maschinen samt Verkehrsrechten und Besatzungen übernehmen. Die Verhandlungen wurden nach Unternehmensangaben am Donnerstag fortgesetzt. Von Freitag an könnte Air Berlin weitere Bieter an den Tisch holen, ein Kaufinteressent ist der Ferienflieger Condor des Reisekonzerns Thomas Cook (Neckermann Reisen).

Easyjet wollte sich nicht äussern. Für die Lufthansa könnte sich ein Abwinken des britischen Billigfliegers negativ auswirken. «Falls Easyjet aussteigt, wird die kartellrechtliche Genehmigung für Lufthansa noch schwieriger zu bekommen sein», sagte der Luftverkehrsberater Gerald Wissel.

Aus Spohrs Sicht ändert das Aus für Air Berlin am internationalen Trend sinkender Ticketpreise nichts. Er kündigte an, dass die Konzernmarken Lufthansa und Eurowings sich auf bestimmten Strecken gegenseitig Konkurrenz machen sollen. Dies traf bei Experten sofort auf Skepsis. «Konzerne werden aus kartellrechtlicher Sicht als ein Unternehmen angesehen», sagte der Düsseldorfer Kartellrechtler Martin Gramsch von der Kanzlei Simmons & Simmons der Deutschen Presse-Agentur.

Air Berlin – die nach Lufthansa bisher zweitgrösste deutsche Fluglinie – hatte Mitte August Insolvenz angemeldet. Der Flugbetrieb seitdem war nur durch einen Kredit des Bundes über 150 Millionen Euro gesichert. Mit der Kaufsumme der Lufthansa bestehe eine gute Chance, das Geld zurückzuzahlen, sagte Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann.

AB-Flugbetrieb ab 28. Oktober eingestellt
Spohr kündigte in der «Rheinischen Post» (Donnerstag) ein Angebot an, «um im Ausland gestrandeten Passagieren der Air Berlin die Heimreise zu einem fairen Preis anzubieten, sofern wir die Kapazitäten dafür haben». Es ist unklar, um wie viele Fluggäste es dabei geht. Dass Air Berlin alle Langstreckenverbindungen am 15. Oktober einstellt, ist seit mehr als zwei Wochen bekannt. Ab 28. Oktober gibt es dann gar keine Flüge mit AB-Flugnummern mehr. Tickets für spätere Flüge verlieren ihre Gültigkeit. Der Flugverkehr der nicht insolventen Töchter Niki und LG Walter soll weitergeführt werden.

Die Lufthansa hat inzwischen schon die nächste marode Fluggesellschaft im Blick. «Wir haben Interesse an einer neu aufgestellten Alitalia», sagte ein Konzernsprecher am Donnerstag. Es gilt damit als äusserst wahrscheinlich, dass der Dax-Konzern an dem bis Montag (16. Oktober) befristeten Bieterverfahren um die einstige italienische Staats-Airline teilnimmt. (awp/mc/ps)

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