Kai-Nicholas Kunze, CEO von Lings, im Interview

Kai-Nicholas Kunze, CEO von Lings, im Interview
Kai-Nicholas Kunze, CEO Lings

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Kunze, Sie haben im Juli eine sichere Managementposition bei Generali aufgegeben und sich als Leiter des Gründungsteams von „Lings“ ins Abenteuer Fintech-Startup gestürzt. Was sind für Sie persönlich die einschneidendsten Veränderungen?

Kai-Nicholas Kunze: Die offensichtlichen Veränderungen war an einem Freitag mein komfortables Büro zu verlassen, den Anzug auszuziehen und am nächstem Montag dann in Shorts und T-Shirt im F10 Inkubator mir irgendwo einen Sitzplatz zu ergattern.

«Während den ersten zwei Wochen in der Startup musste ich viele Gewohnheiten über Bord werfen, meine Arbeitsmethoden neu definieren und den Tag selber gestalten.» Kai-Nicholas Kunze, CEO von Lings

Einschneidender war jedoch noch, nach Jahren in Führungspositionen, plötzlich Teil eines kleinen Teams zu sein wo jeder selber anpackt. Während den ersten zwei Wochen in der Startup musste ich viele Gewohnheiten über Bord werfen, meine Arbeitsmethoden neu definieren und den Tag selber gestalten. Das war mein erster Jobwechsel wo ich praktisch mit einem weissen Blatt angefangen habe.

Was war die Motivation nach 19 Jahren bei Generali zum Unternehmer zu mutieren?

Generali hat mir die Chance gegeben, bereits am Anfang meiner Tätigkeit Führungsrollen einnehmen zu dürfen und ich konnte in allen Kernfunktionen der Assekuranz wirken. Dennoch hat mein Werdegang gewisse Konstanten: Zuhören, Verstehen, das Bestehende hinterfragen, Veränderung einleiten und mich schlussendlich überflüssig zu machen. Dies hat mir immer wieder erlaubt, neue Spannende Aufgaben zu übernehmen. Lings ist die einmalige Chance, meine langjährige Erfahrung der Assekuranz nun in der Startup Szene einzusetzen und aktiv die Zukunft der Branche zu gestalten. Und zudem geniesse ich den Komfort, zwar als Unternehmer agieren zu können, jedoch weiterhin Mitarbeiter der Generali zu sein. Diese einmalige Chance musste ich doch einfach nutzen.

Oft werden Innovationsprojekte im Versicherungsbereich irgendwo in der IT angesiedelt und eher als Kosten- denn Opportunitätsfaktor gesehen. Wie sieht es bei Lings aus mit der Unterstützung aus der Geschäftsleitung der Generali?

Die Assekuranz ist im Umbruch und Generali investiert sehr viel in die Veränderung des Geschäftsmodels um weiterhin kompetitiv zu bleiben. Lings ist dabei nicht nur eine Möglichkeit frei zu innovieren, sondern auch ein Beschleuniger von dem die gesamte Generali profitiert. In diesem Sinne ist das Interesse und Unterstützung der Geschäftsleitung gross. Das Lings Team verfügt über eine Art rotes Telefon zu drei Mitgliedern der Geschäftsleitung (Chief Insurance Officer, Chief Operating Officer und Head of Strategy & Innovation). Zudem treffe ich monatlich unseren wichtigsten Sponsor, den CEO der Generali Schweiz, zu einem offenen einstündigen Kaffee-Gespräch. Das ist definitiv Luxus-Unterstützung.

«Lings ist dabei nicht nur eine Möglichkeit frei zu innovieren, sondern auch ein Beschleuniger von dem die gesamte Generali profitiert.»

Wie haben Sie das Team aus drei zusätzlichen Mitstreitern zusammengesetzt, worauf legen Sie besonderen Wert in der Zusammenarbeit?

Das Team hat sich selbst ausgewählt! Alle Mitarbeiter der Generali könnten via Intranet teilnehmen und es haben sich rund 30 Kollegen gemeldet. Während einem offenen „Recruiting-Event“ musste jeder für eine der drei Rollen (Marketing, Operations und Technologies) kandidieren. Dabei hat jeder Teilnehmer für sich selber mit einem 1 Minuten Pitch geworben und danach in Gruppen verschieden Übungen erledigt. Nach jeder Runden haben alle so lange abgestimmt mit wem sie gerne arbeiten würden, bis wir das Team hatten. Für mich war dies ein tolles Erlebnis wo es nur Gewinner gab. Die Kollegen die nicht zum Lings Team gehören haben Mut bewiesen und haben uns in den letzen Monaten auch regelmässig besucht und unterstützt.

Lings ging vor Kurzem nach nur 3.5 Monaten Entwicklungszeit als MVP (Minimal Viable Product) raus. Was kann das Produkt schon und an wen richtet es sich?

Unser Produkt erlaubt es unseren Kunden, ihren Fotoapparat, ihre Fotousrüstung sowie den Laptop, dass Tablet und das Smartphone zu versichern. Der Schutz gilt pro Tag und kann einfach bei Bedarf online aktiviert und deaktiviert werden. Der Schutz ist dabei sehr umfassend und ohne Selbstbehalt.

«Der Kunde kann jederzeit künden. Wir wollen unsere Kunden überzeugen bei Lings Kunde zu sein, aber sie nicht dazu knebeln.»

Wichtig war für uns seit dem ersten Tag: der Kunden versteht was er kauft. So haben wir viel Zeit damit verbracht, unsere Webpage klar zu gestalten und verzichten auf das übliche Kleingedruckte.  Zudem kann der Kunde jederzeit künden. Wir wollen unsere Kunden überzeugen bei Lings Kunde zu sein, aber sie nicht dazu knebeln.

Eine Versicherung mit umfassender Deckung ohne Ausschlüsse, beliebige Laufzeit auch nur für wenige Tage, jederzeit kündbar: Das dürfte auf der Prämienseite so richtig teuer werden.

Ein Lings Kunde aktiviert den Versicherungsschutz für seine wertvollen Gegenstände nur dann, wenn er den Schutz braucht. Zum Beispiel am Wochenende oder während den Ferien. Dafür bekommt er für einen fairen Preis einen Schutz der unser Erachtens in der Schweiz einmalig ist.

Nach der speziellen Zielgruppe der Fotografen, wie lässt sich das erste Produkt weiter entwickeln, welche Zielgruppen und Funktionen kommen als nächste?

Lings kann in drei Richtungen weiterentwickelt werden. Ersten indem wir zusätzlichen Dienstleistungen für Fotografen anbieten.  Zweitens indem wir neue Zielgruppen entwickeln.  Drittens können wir LINGS nutzen um ganz andere Nischenversicherungen zu entwickeln.

«Wir haben unser aktuelles Angebot in Schlaufen entwickelt, indem wir permanent mit potentiellen Kunden gesprochen haben.»

Welchen Weg wir zuerst einschlagen, sollen uns unsere Kunden sagen. Wir haben unser aktuelles Angebot in Schlaufen entwickelt, indem wir permanent mit potentiellen Kunden gesprochen haben. Jetzt lernen wir von unseren ersten Kunden was wir besser machen müssen und welche Bedürfnisse sie haben.

Viele Versicherungen scheuen zu innovative Ansätze (reiner Online-Abschluss, Direktverkauf über digitale Kanäle, Beratung vorwiegend durch Roboter…) aus Angst vor der Kannibalisierung des bestehenden Agenturnetzes. Wie sieht das bei Lings aus?

Lings ist bewusst „ausserhalb“ der klassischen Generali-Welt angesiedelt. Nur so ist freie Innovation möglich. Ich glaube aber auch, dass viele Versicherer die Offenheit des Agenturnetzes für Innovation unterschätzen. Ein Agent der Generali aus Genf hat zum Beispiel sich selber mit einem Avatar-Berater „geklont“. Dieser Avatar soll den Kunden rund um die Uhr zur Verfügung stehen und die persönliche Beratung ergänzen.

Die Generali finanziert Ihr Startup recht grosszügig. Was bedeutet das für die Verwertung der Entwicklungsresultate, welche Freiheiten haben Sie, diese auch Mitbewerbern anzubieten?

Gute Frage, das ist aktuell kein Thema da wir noch den Beweis erbringen müssen, dass der Schweizer Markt bereit für eine „on-demand“ Versicherung ist.

«Wenn ich an meine früheren Budgets denke, ist Lings im Rundungsbereich!»

Zurzeit ist unser Produkt auch nur als beta-MVP erhältlich. Hier rächt sich unsere Rechtsform als digitale Agentur der Generali. Eine breite Vermarktung geht nur indem wir zum Beispiel die internen IT-Security Massnahmen auf den Gruppen-Standard heben. Hier stellt sich auch die Frage, ob Lings nicht doch besser zu einer eigenständigen juristischen Person wird. Zum Thema Budget, für eine Startup sind wir tatsächlich komfortabel unterwegs. Wenn ich an meine früheren Budgets denke, ist Lings im Rundungsbereich!

Falls Sie Ihre Ziele im F10-Inkubator erreichen, wie geht es weiter?

Das F10 Programm hat uns beim Start sehr geholfen. Jetzt geht es drum, den Markt zu bearbeiten. Zudem wollen wir unsere Angebot erweitern und unsere juristischen Setup klären. Und Generali bleibt natürlich im F10 Programm mit weiteren Ideen.

Was sind die wichtigsten Lektionen, die Sie in den ersten Monaten in der Startup-Szene gelernt haben?

„Just-do-it, mach Fehler und lernen daraus“
„Teile grosszügig dein Wissen, du bekommst so viel zurück“
„Sei frech: Wenn du was wissen willst, einfach fragen. Und wenn du andere Prioritäten hast, sag einfach nein“

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Mein egoistischer Wunsch wäre, dass es meine Familie weiterhin gut geht und wir ein glückliches Leben führen können. Und dann wünsche ich mir, dass Lings als Vorreiter dazu beiträgt, dass die Kunden ihre Versicherung wieder lieben!

Das Unternehmen:
Lings versichert die Gegenstände die unseren Kunden wirklich wichtig sind. Der Schutz ist umfassend und einfach via Smartphone oder auf dem PC pro Tag abschliessbar. Lings besteht aus einem Team von vier Generali-Mitarbeitern (Henrik Deecke, Thomas Kistler, Kai Kunze und Roger Schüeber) die sich entschieden haben, ihre Komfortzone zu verlassen und ihr kombiniertes Wissen einzusetzen, um die Versicherungswelt zu prägen. Ursprünglich haben mehrere Mitarbeiter der Generali mit Design Thinking in Innovation Sprints neue Ideen entwickelt. Eine davon war so gut, dass sie durch das Lings Team aufgegriffen, weiterentwickelt und marktfähig gemacht wurde. www.lings.ch


Das Video entstand in Zusammenarbeit mit F10, dem Fintech Incubator & Accelerator

F10

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