Stefan Karlen, CEO Panalpina, im Interview

Stefan Karlen, CEO Panalpina, im Interview
Panalpina-CEO Stefan Karlen. (Foto: Copyright Panalpina Management Ltd.)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Karlen, bei Panalpina zieht sich der Margendruck wie ein roter Faden von Quartalsbericht zu Quartalsbericht. Auch jetzt im Q3 kann man nur von marginalen Verbesserungen sprechen. Wann wird das ein Ende haben?

Stefan Karlen: Der Margendruck betrifft die ganze Branche, also auch unsere Konkurrenten. Eigentlich sprechen Sie die Profitabilität an. In der Luftfracht und in der Logistik sind wir gut unterwegs. Von Januar bis September 2017 nahmen in der Luftfracht der Bruttogewinn, die Profitabilität pro transportierte Einheit und der EBIT mit jedem Quartal zu. Auch die Logistik ist mittlerweile nachhaltig profitabel und erwirtschaftete im gleichen Zeitraum einen EBIT von 8,1 Millionen Franken. Vor ein paar Jahren hatten wir hier noch einen Verlust von 40 Millionen Franken.

Das Problemkind ist die Seefracht. Dort nahm der Bruttogewinn im Q3 sogar um 10 Prozent ab. Auf 9 Monate rutsche Panalpina auf diesem Logistikpfad sogar in die Verlustzone.

Für die ersten neuen Monate resultierte ein Verlust auf Stufe EBIT von 5,5 Millionen Franken. Unsere neue IT-Plattform wird uns vor allem in der Seefracht helfen, die Effizienz und damit auch die Profitabilität zu steigern. Realistischerweise wird dies aber erst ab Ende 2018 eintreten. Bis dann werden neben Deutschland auch zwei weitere, sehr wichtige Länderorganisationen, die USA und China, mit dem neuen System arbeiten. In den USA beginnen wir noch dieses Jahr mit der Einführung, China folgt nächstes Jahr.

«Grundsätzlich gibt es immer eine gewisse Verzögerung bei der Weitergabe von Frachtraten. Das ist zu unserem Nachteil, wenn Raten ansteigen, und zu unserem Vorteil, wenn sie fallen.»
Stefan Karlen, CEO Panalpina 

Die letztjährige Pleite von Hanjin, der siebtgrössten Reederei der Welt, hat die Seefrachttarife hochschnellen lassen. Können Sie diese nicht vollständig an die Kunden weitergeben?

Seit dem Kollaps von Hanjin und der daraus resultierenden Verknappung der Transportkapazitäten verstehen es die Containerschiffahrtsgesellschaften besser, die Frachtraten auf einem verhältnismässig hohen Niveau zu halten. Das war in der Vergangenheit anders. Die Carrier konnten die Ratenerhöhungen nicht lange durchziehen, und unsere Kunden wussten dies. Sie waren deshalb lange nicht bereit, die höheren Raten zu bezahlen, weil sie mit einem erneuten Einbruch rechneten. Wir haben es hier mit einer neuen Marktdynamik zu tun, die wir vorher so nicht kannten. Allmählich gewöhnen sich die Marktteilnehmer jedoch an die neue Realität. Grundsätzlich gibt es aber immer eine gewisse Verzögerung bei der Weitergabe von Frachtraten. Das ist zu unserem Nachteil, wenn Raten ansteigen, und zu unserem Vorteil, wenn sie fallen.

Mittlerweile liegt der Baltic Dry Index als Referenzgrösse für die Schifffrachtraten über 1500. Damit hat er sich dreimal innert eines Jahres verdoppelt. Andererseits hat er sich auch im selben Zeitraum zweimal wieder halbiert. Nervt das nicht auf Dauer?

Die Volatilität gehört zu unserem Geschäft, nicht nur was die Frachtraten anbelangt. Genau sie macht es aber für unseren Kunden auch interessant oder sogar notwendig, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir glätten Preisschwankungen nach oben und unten zu einem gewissen Grad und bieten unseren Kunden so die Planungssicherheit, die sie suchen.

Werden bei solch extremen Schwankungen frachtindexgebundenen Verträge weiter das Mass der Dinge bleiben?

Frachtindexbegundene Verträge in der Seefracht sind grundsätzlich ein adäquates und für beide Seiten faires Instrument. Trotzdem stellen wir fest, dass der Appetit auf solche Verträge seitens der Kunden allgemein nicht sehr gross ist. Der Grund liegt beim Ratenniveau. Die Raten sind heute zwar höher als die rekordtiefen Raten vor dem Hanjin-Kollaps im Jahr 2016, aber historisch betrachtet immer noch auf tiefem Niveau.

Besser sieht es in der Luftfracht aus. Der Transport verderblicher Güter ist ja eine besondere Spezialität von Panalpina. Gibt es da so etwas wie eine Versicherungsdeckung für Sie als Anbieter?

Wir stellen im Bereich der Frischwaren hohe Anforderungen an unsere Subunternehmer und uns selbst, damit diese empfindlichen Güter unbeschadet und in bestmöglicher Qualität beim Konsumenten ankommen. Als Spediteur haben wir für Frischwaren aber keine spezielle Versicherungsdeckung. Die normalen Vertragsbedingungen finden Anwendung. Falls der Kunde seine Ladung versichern will, bieten wir eine Transportversicherung an.

«Wir klären unsere Kunden auf und ermutigen sie, wenn immer möglich, auf umweltfreundlichere Transportarten zu setzen.»

Bei AirCargo wird oft der ökologische Fussabdruck von Umweltschützern argwöhnisch beäugt. Wo punktet Panalpina in der Nachhaltigkeit?

An der UNO-Klimakonferenz in Paris im Dezember 2015 verpflichtete sich Panalpina als damals erster Logistikdienstleister zur Festlegung von Emissionsreduktionszielen im Rahmen der Science Based Targets Initiative. Für die Jahre 2013 bis 2025 haben wir klar definierte Zielvorgaben für unsere eigenen Treibhausgasemissionen. Sie wurden von unabhängigen Instanzen und auf wissenschaftlicher Grundlage errechnet. Seit 2014 bieten wir unseren Kunden zudem das Tool „EcoTransIT World“ an, mit dem diese wirksame Strategien zur Reduzierung der Umweltauswirkungen ihrer weltweiten Transportketten entwickeln können. EcoTransIT berechnet die Emissionen pro Sendung einschliesslich Vor- und Rücklauf anhand von Transportweg, Gewicht, Transportart sowie Typ des Schiffs oder Flugzeugs. In der Luft können Treibhausgasemissionen beispielsweise reduziert werden, wenn die Ware per Frachtflugzeugen statt Passagiermaschine befördert wird. Darüber klären wir unsere Kunden auf, und wir ermutigen sie, wenn immer möglich, auf umweltfreundlichere Transportarten zu setzen.

Im Bereich Logistik konnten sie die Marge eindrücklich stabilisieren. Wo liegt da nun die Standardbandbreite?

In der Logistik haben wir den Turnaround in der Tat geschafft. In den letzten drei Quartalen lag der EBIT bei jeweills 2 bis 3 Millionen Franken. Bezogen auf den Nettoumsatz liegt die EBIT-Marge aktuell bei 2 Prozent und wir sind zuversichtlich, dass wir diese Marge in den nächsten drei Jahren auf die angestrebten 3 bis 4 Prozent anheben können.

Schwellenländer als dynamisch wachsende Märkte entwickeln sich oft sehr chaotisch. Während Indien gerade davongaloppiert, stürzt die Türkei in eine selbstverschuldete Krise. Wie schnell merken Sie solche Veränderungen in den Auftragsbüchern?

Wenn ein Markt anzieht, spüren wir das zeitnah. Wenn ein Markt hingegen abflaut, wirkt sich das bei uns in der Regel erst mit einer gewissen Verzögerung von ein bis zwei Quartalen aus, weil unsere Kunden Zeit brauchen, um sich der neuen Situation anzupassen. Letzten Endes gilt: Wie immer sich die Warenströme auch verändern, wir gehen als global aufgestelltes Unternehmen mit ihnen. Das ist der Vorteil eines weltweiten Netzwerkes.

Viele Kunden begnügen sich nicht mehr nur mit einem einfachen Transportauftrag, sondern wollen komplette, oft komplexe Supply Chain – Lösungen. Wieviel Prozent des Panalpina-Umsatzes entfallen Ihrer Schätzung nach bereits auf solche Aufträge?

Schätzungsweise bei rund einem Drittel aller Sendungen bieten wir Mehrwertdienste oder Supply-Chain-Lösungen verschiedenster Prägung und Komplexität an. Es ist ganz klar unser strategisches Ziel, dieses Geschäft weiter auszubauen und entsprechend investieren wir hier in Experten und Strukturen. Es geht darum, mit massgeschneiderten Dienstleistungen Mehrwert für unsere Kunden zu schaffen. Für einen Sportartikelhersteller steuern und optimieren wir beispielsweise riesige Warenströme in der Seefracht. Ein weitere gutes Beispiel sind unsere Logistics Manufacturing Services (LMS). Hier übernehmen wir für Kunden aus der Telekomindustrie im Zielmarkt zum letztmöglichen Zeitpunkt die Endmontage inklusive Software-Upload für Antennen-Basisstationen. Wir führen nicht nur die Endmontage durch, sondern übernehmen den gesamten Prozess, von der Planung bis zur Qualitätskontrolle, teilweise sogar die Antenneninstallation im Gelände. So eliminieren wir Schnittstellen in der Lieferkette, verkürzen Lieferzeiten und senken Kosten. Im Bereich LMS sind wir die Pioniere in der Branche.

«Bald werden 60% unserer Transaktionen über das neue IT-System laufen.»

Wann beginnen Sie ganz genau mit der SAP-Implementierung in den USA?

Wir beginnen noch im November.

Die Migration zur IT-Plattform wurde und wird ja schrittweise Land für Land getätigt. Wird der entsprechende Kostenblock 2018 letztmals in den Büchern sein?

In 2016 und 2017 hatten wir die bisher grössten Investitionen für SAP TM. Zuletzt haben wir die neue Plattform im sehr wichtigen Markt Deutschland erfolgreich eingeführt, was mit entsprechenden Kosten verbunden war. Im nächsten Jahr sollten die Kosten herunterkommen. Die genaue Höhe wird vom Fortschritt, den wir in den USA und China machen, abhängen. Danach werden schrittweise alle übrigen Länder folgen. Fest steht, dass schon 2019 keine zusätzlichen Abschreibungen mehr nötig sein werden. Dadurch wird die Erfolgsrechnung mit etwa 17 Millionen Franken entlastet. Wir haben die Investitionen aus Risikoüberlegungen rascher als üblich abgeschrieben.

Noch halten sich die Kosteneinsparungen durch die neue IT in Grenzen. Wie hoch werden die Effizienzgewinne jährlich sein, wenn alles aufgeschaltet ist?

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Produktivität erst sichtbar zunimmt, wenn das System auf beiden Seiten einer Transaktion funktioniert. Deshalb ist es entscheidend, die wichtigsten Märkte, sprich Deutschland, die USA und China möglichst früh aufzuschalten. Sobald dies geschehen ist, laufen rund 60% unserer Transaktionen über das neue System. Die Produktivität wird an der Anzahl Sendungen gemessen, die ein Mitarbeiter pro Tag bearbeiten kann. Mit dem neuen System gehen wir von einer Produktivtätssteigerung von 10% aus. Ab Ende 2018 erwarten wir damit einhergehend einen deutlichen Schub bei der Profitabilität.

Zum Gesprächspartner:
Der Schweizer Staatsbürger Stefan Karlen kam 1997 zu Panalpina und hatte verschiedene Managementpositionen in Europa, Afrika, Zentralasien und im Raum Asien-Pazifik inne. Karlen spielte bei der internationalen Expansion von Panalpina eine Schlüsselrolle. 2012 übernahm er die Geschäftsführung für Südostasien bevor er 2013 die Position als Regionaler CEO Asien-Pazifik übernahm. Seit gut einem Jahr ist Stefan Karlen CEO von Panalpina.

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