Renato Flückiger, CIO Valiant, im Interview

Renato Flückiger, CIO Valiant, im Interview
Renato Flückiger, CIO Valiant. (Foto: Valiant)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Flückiger, die Schweizer Konjunktur gewinnt an Fahrt. Wird sich die positive Entwicklung Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr fortsetzen?

Renato Flückiger: Ja. Die Wachstumsdelle des ersten Halbjahres scheint überstanden, denn die vorlaufenden Stimmungsindikatoren bewegen sich auf Mehrjahreshöchstständen. Einerseits profitiert die Schweiz von der wirtschaftlichen Erholung in Europa, andererseits hilft die moderate Abschwächung des Schweizer Frankens dem verarbeitenden Gewerbe und dem Detailhandel.

Wie präsentiert sich die Situation in den wichtigsten Exportmärkten der Schweiz?

Ein wichtiger Faktor ist die Abschwächung des Schweizer Frankens, die der Exportindustrie in die Hände spielt. Ein anderer sind die USA: Dort wächst die Industrieproduktion mit knapp 3% und die Arbeitslosenrate bewegt sich auf rekordtiefe 4% zu. Und schliesslich die Eurozone, wo sich das Konsumentenvertrauen auf einem 10-Jahre-Höchststand befindet. Die sieben Millionen neuen Stellen, die seit der Eurokrise geschaffen wurden, zeigen Wirkung. Die EU-Kommission hat jüngst die Wachstumsprognose für das laufende Jahr signifikant von 1,7% auf 2,2% angehoben. Und für nächstes Jahr rechnen die Konjunkturexperten der EU nur mit einer leichten Wachstumsverlangsamung auf 2.1%.

Geht die Aufwertung des Euro im kommenden Jahr weiter?

Dies hängt hauptsächlich davon ab, ob die Volatilität an den Märkten wieder zunimmt und damit die Nachfrage nach sicheren Häfen wie dem Schweizer Franken wieder ansteigt. Momentan ist dies nicht der Fall. In der ersten Jahreshälfte 2018 scheint mir eine weitere Abschwächung des Franken gegenüber dem Euro durchaus möglich. Das Umfeld in Europa ist derzeit sehr robust.

«In der ersten Jahreshälfte 2018 scheint mir eine weitere Abschwächung des Franken gegenüber dem Euro durchaus möglich.»
Renato Flückiger, CIO Valiant

Von welcher Entwicklung gehen Sie bei den Gewinnen der Unternehmen aus?

Erfreulicherweise kommt die globale konjunkturelle Erholung direkt bei den Gewinnen der Unternehmen an. Zudem wird die Währungsentwicklung ein starker Treiber bleiben. Ich erwarte im kommenden Jahr für Schweizer Aktien ein starkes Gewinnwachstum von 15%, gerade wegen des schwächeren Frankens. Für US-Aktien liegen unsere Schätzungen bei 10% und für Europa – aufgrund des wieder etwas erstarkten Euros – bei etwa 8 Prozent.

Das Fed hebt die Zinsen an, die EZB könnte 2018 folgen. Wie rasch wird der geldpolitische Rückenwind abnehmen?

Der geldpolitische Rückenwind nimmt zwar ab, jedoch nur sehr langsam. Das FED wird die Zinsen weiter erhöhen, dürfte seine Bilanz angesichts des noch fehlenden Inflationsdrucks aber nur zögerlich reduzieren. Da sich die Staatshaushalte vieler peripherer Euro-Staaten nach wie vor in einem prekären Zustand befinden und der Inflationsdruck fehlt, wird sich die EZB hüten, zu früh die Leitzinsen anzuheben. Die Bank of Japan ihrerseits wird wohl an ihrer direkten Steuerung der Zinskurve festhalten und damit die Geldschleusen weit offen lassen.

Welche Schritte erwarten Sie von der SNB im kommenden Jahr? Wird sie Änderungen an Ihrer Geldpolitik vornehmen?

Ich rechne damit, dass die SNB ihre duale Strategie mit Negativzinsen und Interventionen am Währungsmarkt – bei einer neuerlichen Frankenstärke – fortsetzen wird. Sie kann nicht aus dem geldpolitischen Schatten der EZB austreten und muss sich gedulden. Sie würde sonst den Franken erneut stärken und die Möglichkeiten zum Abbau der SNB-Devisenreserven torpedieren.

Was bedeutet die Geldpolitik der wichtigen Notenbanken für die Entwicklung der Zinsen, Inflation und Konjunktur in der Schweiz?

Wie eingangs erwähnt, entwickelt sich die Konjunktur in der Schweiz positiv. Dieser Trend dürfte sich auch im kommenden Jahr und bis mindestens 2019 fortsetzen. Dies dürfte den Weg zum Ausstieg aus den Negativzinsen ebnen. Insbesondere die Belastung für unsere Vorsorgesysteme, aber auch die teilweise zu beobachtenden Blasenbildungen, wie bei den Renditeimmobilien, sind negative Begleiterscheinungen. Am langen Ende der Zinskurve erwarte ich eine moderate Aufwärtsbewegung, da die Inflation nur moderat wachsen wird. Von einem Zinsschock sind wir also weit entfernt.

«Die SNB kann nicht aus dem geldpolitischen Schatten der EZB austreten und muss sich gedulden.»

Bewegen wir uns nun in der Schweiz in eine längere Phase einer negativen Realverzinsung?

Aufgrund der anziehenden Konsumentenpreise haben wir aktuell sogar eine deutlich negative Realverzinsung von 1,5 Prozent. Mit dem schwächeren Schweizerfranken und den ansteigenden Rohstoffpreisen, könnte die Realverzinsung temporär noch weiter sinken. Wir stehen nun vor der neuen Situation, dass mit dem Halten von Liquidität in den nächsten Quartalen ein spürbarer Verlust an Kaufkraft resultiert.

Die Aktienmärkte haben ein gutes Jahr hinter sich, vor allem die Hausse in den USA scheint keine Grenzen zu kennen. Geht es in diesem Stil weiter? Auf was müssen sich Anleger auch im Zusammenhang mit der strafferen Geldpolitik des FED gefasst machen?

Die anstehende US-Steuerreform dürfte den Aktien zusätzlichen Auftrieb verleihen. Der Kongress will den Einkommenssteuersatz für Unternehmen von 35% auf 20% senken und dies könnte die US-Gewinne um zusätzliche 5 bis 7% beflügeln. Wir müssen uns jedoch bewusst sein, dass die zu erwartenden positiven Effekte auf die Unternehmensgewinne bereits mehrheitlich in den Kursen eingepreist sind. Nicht zu vergessen sind auch die massiven Defizite, welche die USA in den kommenden Jahren schreiben werden. Entscheidend für den weiteren Verlauf des US-Aktienmarktes wird aus meiner Sicht die Gewinnentwicklung der US-Unternehmen sein. Und hier sehe ich durchaus Chancen für einen soliden Start ins 2018.

Lohnen sich im Tiefzinsumfeld Anlagen in Obligationen überhaupt noch?

Ja durchaus, denn ich rechne mittelfristig nur mit einem moderaten Zinsanstieg. Damit verbundene Kursverluste werden durch die steigende laufende Rendite teilweise kompensiert. Grundsätzlich sehen wir in risikobehafteten Anlagen wie Unternehmensanleihen und Anleihen aus Schwellenländern noch Wert. Die Risikoaufschläge für diese Anlagen sind jedoch schon stark zurückgekommen. Insbesondere der Schweizer Anleihenmarkt ist aber stark durch Institutionelle Investoren geprägt und es gibt immer wieder interessante Opportunitäten im Bereich BB-BBB. Eine gründliche Schuldneranalyse und ein strukturierter Selektionsprozess sind jedoch entscheiden.

Wie sieht es mit alternativen Anlagen aus – beispielsweise Immobilien?

Die expansive Geldpolitik hat in der Schweiz ein neues Ungleichgewicht geschaffen, nämlich im Mietwohnungsmarkt. Dies zeigt sich sowohl bei der angespannten Leerstandsituation als auch bei den sinkenden Angebotsmieten. Wir favorisieren bei den Immobilienanlagen börsengehandelte Immobilienfonds, die trotz der stolzen Agios eine attraktive Ausschüttungsrendite bieten. Zentral bleibt die Qualität des unterliegenden Immobilienportfolios.

«Die expansive Geldpolitik hat in der Schweiz ein neues Ungleichgewicht geschaffen, nämlich im Mietwohnungsmarkt.»

Auch durch die die Produktionsdrosselung der Opec-Staaten und Russlands haben die Ölpreise in den letzten Monaten deutlich angezogen. Von welcher Preisentwicklung gehen Sie nach der Verlängerung dieser Massnahmen bis mindestens Ende 2018 aus?

Die weitere Ölpreisentwicklung hängt von mehreren Faktoren ab. Bei der OPEC und deren Verbündeten muss sich zeigen, ob die versprochenen Kürzungen auch weiterhin eingehalten werden. Zudem dürften die höheren Preise zu einer Beschleunigung der Erdölproduktion in den USA und damit für zusätzliches Angebot auf dem Markt führen. Ich sehe aufgrund der fundamentalen Daten – trotz der erhöhten Nachfrage – tendenziell eher tiefere Preise. Das US-Öl WTI erwarte ich in den kommenden Monaten wieder unter der Marke von 55 Dollar pro Fass.

Von den geopolitischen Risiken überschattet der Nordkorea-Konflikt alles und gerade im Zusammenhang mit US-Präsident Trump ist vieles schwer vorherzusehen. Wie können sich Anleger absichern?

Dank der tiefen Volatilität ist der Kauf von Put-Optionen aktuell wohl die beste Variante, sein Depot abzusichern. Wer sein SMI-Depot jetzt absichert, zahlt bei einer Laufzeit von drei Monaten rund 3% und für sechs Monate ca. 5.5%. Mit Teilabsicherungen oder tieferen Ausübungspreisen kann die Versicherungsprämie situativ reduziert werden. Ich empfehle jedoch, vor dem Kauf einer Absicherung das Depot genau zu analysieren. Häufig können schon durch eine geschickte Diversifikation oder Gewinnmitnahmen die Risiken reduziert werden.

Herr Flückiger, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Renato Flückiger (28. November 1975)

Ausbildung
2014 Advanced Executive Program, Swiss Finance Institute
2002 – 2004 Chartered Financial Analyst (CFA)
1997 – 2000 Betriebsökonom HSW / FH, Banking & Finance

Beruflicher Werdegang
Seit August 2012 CIO / Leiter Investment, Valiant Bank AG
2011 – 2012   Leiter Regional Market Advisory Mitte, Nord & Ticino, UBS AG Bern
2006 – 2011  Investment Consulting / Regional Market Advisory, UBS AG Bern
2005 – 2006 Leiter Portfolio Management Bern, Bank Ehinger & Armand v. Ernst Bern (Tochtergesellschaft UBS AG)
2000 – 2005 Investment Advisor, Active Advisory, UBS AG Bern und Zürich

Über Valiant
Valiant ist eine unabhängige, ausschliesslich in der Schweiz tätige Retail- und KMU-Bank. Sie bietet Privatkunden und KMU ein umfassendes, einfach verständliches Angebot in allen Finanzfragen. Mit ihren 91 Geschäftsstellen ist Valiant in folgenden elf Kantonen lokal verankert: Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Freiburg, Jura, Luzern, Neuenburg, Solothurn, Waadt und Zug. Zudem ist sie dank innovativen, digitalen Dienstleistungen in der ganzen Schweiz präsent. Valiant hat eine Bilanzsumme von 27,2 Milliarden Franken und beschäftigt rund 1000 Mitarbeitende.

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