Sunrise mit Mobilfunktechnik 5G im Temporausch

Zürich – Bereits Jahre vor ihrer Einführung zeigt die neue Mobilfunkgeneration 5G, was sie kann. In einem Test von Sunrise und dem Telekomausrüster Huawei wurde ein Spitzentempo von 3,28 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) erreicht. Das ist dreimal so schnell wie heute.

Dies demonstrierten beide Unternehmen am Dienstag vor den Medien in Zürich. Das sei überraschend viel, sagte Sunrise-Chef Olaf Swantee am Rande im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Man habe höchstens 3 Gbit/s erwartet.

«Das ist wirklich ein Weltrekord», sagte Sunrise-Technikchef Elmar Grasser. Zwar sind anderswo mit 5G viel höhere Geschwindigkeiten gemessen worden. So hatte Huawei mit dem türkischen Mobilfunkanbieter Turkcell im Juli die Marke von 70 Gbit/s durchbrochen.

Allerdings wurden dabei viel höhere Frequenzbänder verwendet, die in der Schweiz für den Mobilfunk nicht zur Verfügung stehen. Generell gilt: Je höher die Frequenzen, desto höher die Geschwindigkeit, desto kleiner aber auch die Abdeckung.

Spitzenwert erreicht
Unter realen Bedingungen für Mobilfunkanbieter, wie sie in der Schweiz möglich sind, haben Sunrise und Huawei also tatsächlich einen Spitzenwert im Frequenzband 3,5 GHz aufgestellt. Vodafone hatte Ende Oktober in einem Text in Mailand 2,7 Gbit/s erreicht, die Deutsche Telekom 2 Gbit/s in Berlin.

Mit höheren Frequenzen könne man höhere Geschwindigkeiten erreichen, sagte ein Huawei-Vertreter. Aber das hat soviel mit der Realität zu tun wie eine Formel-1-Strecke mit einer Autobahn im Stossverkehr.

Zum Vergleich: Mit der heutigen Mobilfunkgeneration 4G (auch LTE genannt) ist im aller-allerbesten Fall etwa 1 Gbit/s möglich. An den meisten Orten endet die Fahnenstange in der Schweiz indes bei 300 Megabit pro Sekunde (Mbit/s). Und dies auch nur, wenn man eine ganze Handyantenne für sich alleine hat.

Handy-Schrank auf Rädern
Einsatzbereit für den Alltag ist 5G allerdings noch lange nicht. Für den Test von Sunrise und Huawei wurde ein «Handy» verwendet, das so gross ist wie ein mittlerer Büroschrank. In die Tasche stecken lässt sich der Klotz nicht, dafür würde nicht mal der Kofferraum eines normalen Autos ausreichen.

Huawei arbeite daran, das Gerät auf die Grösse eines Tischlautsprechers zu verkleinern, sagte Grasser. Und um die hohe Geschwindigkeit zu erzielen, wurden die Antennen bestmöglich ausgerichtet in kurzem Abstand vom Empfangsgerät platziert.

Dennoch: Wie die Geschichte zeigt, waren Computer früher auch viel grösser als heute.

Ersatz fürs Festnetz
Was 5G den Nutzern einst bringen wird, zeigten Sunrise und Huawei eindrücklich: Auf zwölf riesigen Bildschirmen wurden gleichzeitig Filme in ultrahochauflösender Technik UHD (auch 4K genannt) gestreamt. Dafür wurde lediglich ein Fünftel der 5G-Bandbreite gebraucht. Also könnten zwölf Haushalte locker mit einer 5G-Antenne versorgt werden.

Man könnte mit 5G eine Glasfaserleitung ersetzen, sagte Swantee. Dies wäre eine Option in ländlichen Gebieten, statt in jedes Haus die teuren Glasfaserleitungen zu legen.

Aber nicht nur das Surfen in rasendem Tempo von unterwegs wird mit 5G möglich. Auch die Reaktionszeiten werden viel kürzer. Erst damit werden selbstfahrende, vernetzte Autos überhaupt möglich. Bei der jetzigen 4G ist die Reaktionszeit zu langsam. Damit wäre ein selbstfahrendes Auto schon in ein Hindernis gefahren, bevor der Bremsbefehl überhaupt angekommen wäre.

Einführung ab 2020
Zudem biete 5G viel mehr Verbindungen pro Antenne als 4G, sagte der Sunrise-Chef. Mit der neuen Technologie können sich bis zu 1 Million Geräte pro Quadratkilometer ins Mobilfunknetz einloggen. Das sind 100 Mal mehr als heute. Damit können viel mehr Menschen gleichzeitig an einem Standort surfen.

Zudem erlaubt 5G den Telekomfirmen, Netzkapazitäten für bestimmte Anwendungen zu reservieren. So kann die Nutzung durch Polizei, Ambulanz oder Feuerwehr vom allgemeinen Datenstrom getrennt werden und somit Kapazität für die Blaulichtorganisationen garantiert werden. Damit bleiben diese auch erreichbar, wenn das Handynetz in Krisenfällen wie etwa einem Zugsunglück oder Terroranschlag zusammenbricht.

5G soll in der Schweiz ab 2020 eingeführt werden. Bis dahin ist noch einiges zu tun. So muss der Standard noch definiert werden. Und in der Schweiz steht eine Frequenzvergabe im nächsten Jahr an. Zudem müssen noch geeignete Smartphones auf den Markt kommen. Schrank-Handys kauft keiner. (awp/mc/ps)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert