Wahlausgang facht Katalonien-Konflikt neu an

Wahlausgang facht Katalonien-Konflikt neu an
Kataloniens Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont - wie geht es nun weiter?

Barcelona – Der unerwartete Erfolg der Separatisten bei der Parlamentsneuwahl in Katalonien hat den Konflikt in der spanischen Region neu angefacht. Der Ende Oktober abgesetzte Separatisten-Chef Carles Puigdemont nutzte die neugewonnene Stärke am Freitag, um ein Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy zu fordern.

Bei der Wahl hatten die für Unabhängigkeit eintretenden Parteien am Donnerstag entgegen der meisten Umfragen erneut eine absolute Mehrheit im Parlament von Barcelona errungen. Die Hoffnung von Gegnern einer Abspaltung auf ein Ende der Konfrontation, die auch zunehmend negative Auswirkungen auf die Wirtschaft der wohlhabenden Region hat, erfüllte sich damit nicht.

«Ich glaube, das Mindeste, was wir uns verdient haben, ist, dass wir angehört werden», sagte Puigdemont vor zahlreichen Journalisten in Brüssel. Katalonien sei der Unabhängigkeit wieder ein Stück nähergerückt, meinte er. Er wolle wieder Regionalpräsident werden. Allerdings besteht gegen den 54-jährigen Ex-Journalisten ein spanischer Haftbefehl. Bei einer Rückkehr aus Belgien müsste er mit seiner sofortigen Festnahme rechnen.

Rajoy relativiert Erfolg der Separatisten in Katalonien
Rajoy seinerseits hat den überraschenden Erfolg der Separatisten bei der Parlamentsneuwahl in der Konfliktregion Katalonien relativiert. «Die Unabhängigkeits-Befürworter haben an Unterstützung eingebüsst. Weniger, als wir uns gewünscht hatten, aber sie haben eingebüsst», sagte der konservative Regierungschef am Freitag vor Journalisten in Madrid. Zu der Dialogforderung Puigdemonts sagte er, er wolle nur auf der Grundlage des Gesetzes verhandeln.

Ciudadanos stärkste Partei – aber keine Mehrheit im Parlament
Puigdemonts Allianz JuntsXCat landete bei der Wahl zwar mit 34 Sitzen hinter den liberalen Unabhängigkeitsgegnern Ciudadanos (37) nur auf dem 2. Platz. Doch im Gegensatz zur regionalen Ciudadanos-Chefin Inés Arrimadas kann sich Puigdemont Hoffnungen auf eine erneute Wahl zum Regionalpräsidenten machen. Die Separatisten kamen zwar zusammen lediglich auf knapp 47,5 Prozent der Stimmen – aufgrund des Wahlgesetzes, das bevölkerungsarme Gebiete bevorzugt, werden sie aber 70 der 135 Parlamentssitze besetzen.

Viele Differenzen zwischen Separatisten
Die linksradikale Partei CUP erklärte sich am Freitag bereit, der Bildung einer Regierung unter Führung von Puigdemont zuzustimmen. Voraussetzung sei, dass Puigdemont weiter das Ziel «der Gründung einer katalanischen Republik» verfolge, sagte CUP-Spitzenkandidat Carles Riera. Beobachter sagen aber lange und schwierige Koalitionsverhandlungen voraus. Im Lager der Separatisten – das von JuntsXCat, CUP und der linksnationalistischen ERC gebildet wird – gibt es nämlich ebenso wie zwischen den sogenannten «verfassungstreuen» Parteien viele Differenzen.

Arrimadas schliesst Regierungsbildung aus
Die Gegner der Unabhängigkeit verpassten die absolute Mehrheit überraschend deutlich. Arrimadas schloss bereits in der Nacht zum Freitag den Versuch einer Regierungsbildung aus. Das sei aufgrund des «ungerechten Wahlgesetzes» nicht möglich, sagte sie im spanischen TV. «Der historische Triumph von Arrimadas kann die Unabhängigkeitsbestrebungen nicht aufhalten», schrieb die Zeitung «El Mundo».

Puigdemont riskiert bei Rückkehr hohe Haftstrafe
Puigdemont war nach der Abhaltung am 1. Oktober eines illegalen Unabhängigkeitsreferendums und einem Beschluss zur Abspaltung von Spanien von Rajoy vor knapp zwei Monaten abgesetzt worden. Madrid stellte Katalonien zudem unter Zwangsverwaltung. Diese soll in Kraft bleiben, bis die neue Regionalregierung vereidigt wird.

Nach seiner Amtsenthebung hatte sich Puigdemont nach Belgien abgesetzt, um einer Festnahme zu entgehen. Wie ehemalige Mitstreiter riskiert der Ex-Journalist wegen Vorwürfe der Rebellion, des Aufruhrs und der Veruntreuung öffentlicher Mittel bei einer Rückkehr nach Spanien eine lange Haftstrafe. Die spanische Verfassung erlaubt keine einseitig von einer Region erklärte Abspaltung. Puigdemont deutete aber an, dass er bei einer Wahl zum Regionalpräsidenten in die Heimat zurückkehren würde.

«Niederlage des spanischen Staates»
Den Wahlausgang bezeichnete Puigdemont schon in der Nacht in Brüssel vor Journalisten und Hunderten jubelnden Anhängern als Niederlage «des spanischen Staates». Rajoy und seine Allierten hätten «von den Katalanen eine Ohrfeige bekommen». Am Freitag betonte er dann, die Katalanen wünschten die Abspaltung von Spanien. Nach der Neuwahl müsse man «neue Lösungen» finden. Seine Regierung sei im Oktober in illegaler Form abgesetzt worden.

Auch die linksnationalistische Partei ERC des in U-Haft sitzenden Spitzenkandidaten Oriol Junqueras schnitt gut ab und holte 32 Sitze. Ihm werden ebenso wie Puigdemont Rebellion und Aufruhr vorgeworfen. Fast 82 Prozent der 5,5 Millionen wahlberechtigten Katalanen waren zu den Urnen gegangen – ein neuer Rekord, der zeigt, wie wichtig den Bürgern die Unabhängigkeitsfrage ist.

Zur Lösung der Krise fordern Europaabgeordnete derweil Zugeständnisse der spanischen Regierung. «Ein Ausweg aus der Misere kann das ernsthafte Angebot einer Reform der spanischen Verfassung sein», sagte der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Katalonien solle ähnlich wie das Baskenland mehr kulturelle und wirtschaftlich-finanzielle Eigenständigkeit bekommen. «Das sture Festhalten an alten Glaubenssätzen hilft jetzt nicht mehr weiter», meinte Leinen. (awp/mc/pg)

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