Paul Zumbühl, CEO Interroll, im Interview

Paul Zumbühl, CEO Interroll, im Interview
Interroll-CEO Paul Zumbühl. (Foto: Interroll)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Zumbühl, die Technopolymere, die in den Rollenantrieben eingesetzt werden, stellt Interroll alle selbst in Sant‘ Antonino im Tessin her. Gibt es überhaupt noch etwas, das sie auslagern?

Paul Zumbühl: Im Grunde lagern wir vergleichsweise wenig aus. Dort, wo wir es tun, entwickeln wir uns gemeinsam mit langjährigen Partnern weiter. Viele Prozesse behalten wir auch in-house um die Eintrittsbarrieren in unser Geschäftsfeld auf einem hohen Niveau zu belassen.

Da Interroll mit Systemintegratoren und Anlagenbauern zusammenarbeitet, sind der vertikalen Integration sicher Grenzen gesetzt, oder?

In der Tat fühlen wir uns in unserer Rolle wohl – wir konzentrieren uns auf das, was wir am besten können und generieren gemeinsam mit unseren Partnern einen optimalen Mehrwert für den Kunden, wenn sich jeder auf das konzentriert, was er am besten kann. Daran möchten wir im Grundsatz auch nichts ändern. Unser Partnerprogramm „Rolling on Interroll“ ist mittlerweile ein Netzwerk mit 65 kleineren Systemintegratoren und OEMs aus aller Welt.

Die Interroll-Aktie wird mittlerweile mit dem Dreifachen des Jahresumsatzes bewertet. Das ist nicht billig. Darin spiegelt sich natürlich der Vertrauensvorschuss der Anleger wieder und Ihre Schlüsselstellung in der Intralogistik. Aber ist der schwere Aktienkurs nicht auch eine Last?

Sicherlich erhalten wir damit auch mehr Aufmerksamkeit und erscheinen mit einer Marktkapitalisierung von über einer Milliarde Franken auch auf neuen Radarschirmen. Dennoch sehe ich dies nicht als Last an – unsere hohe Innovationsleistung und gesunde Struktur, unsere langfristige Strategie, unsere Performance im Wettbewerb und der positive Ausblick unserer Branche sind eine ausserordentlich gute Basis für die Zukunft. Darüber hinaus haben wir sehr langfristig orientierte Investoren als Ankeraktionäre an Bord, die unsere Strategie und Performance schätzen. Langfristige Wachstumstrends beispielsweise in der Modeindustrie, in der Lebensmittelindustrie und beim E-Commerce zeigen hohe Potenziale für uns auf.

«Unsere Produktoffensiven führen zwar zu merklichen Initialkosten, die Marge unserer Produkte wird dadurch allerdings mittelfristig nicht geschwächt, sondern sogar gestärkt.»
Paul Zumbühl, CEO Interroll

Wo liegen denn, was die physische Belastung anbelangt, bei Ihren Fördersystemen die Grenzen?

Normalerweise bewegen wir uns im Bereich von bis zu 50 kg, zum Beispiel bei bepackten Kartons im Distributionszentrum aber auch Gegenständen wie Reifen in der Fertigung. Bei Paletten sprechen wir allerdings durchaus von Gewichten bis hin zu 2 Tonnen.

In der Reifenindustrie machen sie also auch gute Geschäfte?

In der Tat – vier der fünf grössten Reifenhersteller weltweit vertrauen auf Lösungen von Interroll.

Alle zwei, drei Jahre startet Interroll bedeutende Produktoffensiven, was zu etwas schwächeren Margen führt, sich dann aber im nächsten Jahr sofort wieder rechnet. Was steht, nachdem sie im ersten Halbjahr kräftig investiert haben, für 2018 an?

Unsere Produktoffensiven führen zwar zu merklichen Initialkosten, die Marge unserer Produkte wird dadurch allerdings mittelfristig nicht geschwächt, sondern gestärkt. 2018 wird in Sachen Produktinnovationen sicherlich ein bedeutendes Jahr werden. Ich kann Ihnen noch nicht alle Details verraten, aber sicher ist: wir werden den Mehrwert unserer Kunden weiter steigern. Unsere neue Trommelmotorengeneration wird Zuwachs bekommen und wir werden neue, intelligente Lösungen auf den Markt bringen. Auch werden wir mit einigen gezielten Adaptionen unserer Plattformlösungen ausgewählte neue Industriesegmente ins Visier nehmen.

Weltweit verlassen pro Jahr über 13 Millionen Rollen in 60.000 Varianten Ihre Werke. Gibt es da auch Varianten, an denen Sie kein Geld verdienen – die Sie nur anbieten, um ihren Kunden zufrieden zu stellen?

Genau davon haben wir uns in der Vergangenheit bereits getrennt. Wir zielen mit allem, was wir tun, darauf ab, unseren Kunden einen Mehrwert bereitzustellen. Damit wollen wir aber auch immer Geld verdienen. Nicht zuletzt darum basieren unsere Varianten auf Plattformen, die sicherstellen, dass die Produktvielfalt beherrschbar bleibt.

Einziger Schwachpunkt im letzten Halbjahr war bei Interroll der Bereich Pallet & Carton Flow mit 18 Prozent weniger Umsatz auf 27 Millionen Franken…

Der Bereich Pallet Flow und Carton Flow ist in hohem Masse von Projektgeschäft geprägt, das naturgemäss eine hohe Schwankungsbreite hat. Konkret schlug hier im Jahr 2016 ein Fliesslager-Grossprojekt in Asien zu Buche, das im vorigen Jahr nicht wiederholbar war.

Selbst im Zeitalter des Internet kann man bei Ihnen den 282 Seiten dicken Rollenkatalog physisch bestellen. Geht das Drucken dieses Produktkatalogs nicht ungemein ins Geld?

Im Vergleich zur Auflage vor fünf Jahren haben wir bereits 80 Prozent der gedruckten Auflage durch die digitale Version ersetzt. Nichtsdestotrotz gibt es einige traditionellere bzw. kleinere Anwender und Integratoren im Markt, die unseren Katalog als „Rollenbibel“ sehen, ihn auch langjährig nutzen und sich auch gern mal eine Notiz machen.

Auf der Kostenseite zeichnen sich weiterhin deutlich höhere Metallpreise ab. Was tun sie dagegen?

Dort, wo es möglich war, haben wir Preiserhöhungen umgesetzt. Wir beobachten die weitere Entwicklung sehr genau und überprüfen stets unsere Beschaffung und die eigene Ressourcennutzung bei der Produktion. Wichtig ist uns, dabei stets weiterhin unsere hohe Qualität zu gewährleisten.

«Unsere Lösungen sind stets rückwärtskompatibel und einfach zu installieren – so ist die Austauschbarkeit für den Kunden kein Problem.»

Wieviel Prozent Ihres Umsatzvolumens machen denn Retrofit-Aufträge aus?

Hierzu machen wir keine konkreten Angaben. Sicher ist: der Modernisierungsbedarf bleibt enorm hoch. Die Leistungsfähigkeit bestehender Distributionszentren kann nur durch Retrofit weiter gesteigert werden. Unsere Lösungen sind stets rückwärtskompatibel und einfach zu installieren – so ist die Austauschbarkeit für den Kunden kein Problem.

Als letzte neue ausländische Tochter hat Interroll Rumänien ins Programm aufgenommen. Welche weiteren Länder sind geplant?

Unser Monitoring umfasst alle relevanten Märkte weltweit. Sicherlich gibt es noch das ein oder andere Schwellenland, in dem eine eigene Struktur Sinn machen würde. Wir sind nun verstärkt in Mexiko aktiv, in Vietnam nehmen wir 2018 die erste Messepräsenz wahr. Mittel- bis langfristig sind Länder wie Indien und weitere Länder in Südamerika im Fokus.

Zur Person:
Im Jahr 2000 übergab Unternehmensgründer Dieter Specht die Konzernleitung von Interroll an den neuen CEO Paul Zumbühl. Er richtete die Unternehmensgruppe strategisch neu aus und veräusserte nicht zum Kerngeschäft gehörende Aktivitäten. In der Folge baute er Interroll mit eigenen neuen Niederlassungen auf allen Kontinenten und gezielten Firmenübernahmen zu einem globalen Markführer aus. Der 1957 geborene Paul Zumbühl ist studierter Diplom-Ingenieur und hält ebenfalls einen MBA-Abschluss. Ausserdem ist Paul Zumbühl als Mitglied im Verwaltungsrat des börsennotierten Schweizer Unternehmens Schlatter Holding AG sowie des Industry Executive Advisory Board des «Executive MBA Supply Chain Management» der ETH Zürich, Schweiz tätig.

Zum Unternehmen:
Die Interroll Gruppe ist der global führende Anbieter von Lösungen für den Materialfluss. Das Unternehmen wurde 1959 gegründet und ist seit 1997 an der SIX Swiss Exchange gelistet. Interroll beliefert Systemintegratoren und Anlagenbauer mit einem umfassenden Sortiment an plattformbasierten Produkten und Services in den Kategorien „Rollers“ (Förderrollen), „Drives“ (Motoren und Antriebe für Förderanlagen), „Conveyors & Sorters“ (Förderer & Sorter) sowie „Pallet & Carton Flow“ (Fliesslager). Lösungen von Interroll sind bei Express- und Postdiensten, im E-Commerce, in Flughäfen sowie in den Bereichen Food & Beverage, Fashion, Automotive und weiteren Industrien im Einsatz. Das Unternehmen zählt führende Marken wie Amazon, Bosch, Coca-Cola, DHL, Nestlé, Procter & Gamble, Siemens, Walmart oder Zalando zu seinen Nutzern. Mit Hauptsitz in der Schweiz verfügt Interroll über ein weltweites Netzwerk von 32 Unternehmungen mit einem Umsatz von rund 401,5 Millionen Franken und 2.000 Mitarbeitenden (2016).

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