Jean-François Rime, Präsident Schweiz. Gewerbeverband und Nationalrat, im Interview

Jean-François Rime, Präsident Schweiz. Gewerbeverband und Nationalrat, im Interview
Jean-François Rime, Präsident Schweizerischer Gewerbeverband sgv, Nationalrat SVP Freiburg

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Rime, der Schweizerische Gewerbeverband kämpft an vorderster Front für die NoBillag-Initiative. Bei der Basis hat dies zu geharnischten Reaktionen geführt, zum Beispiel von Alois Gmür, dem Bierbrauer und Schwyzer Nationalrat. Wie gut ist der Entscheid im Vorstand abgestützt und wie stark steht der Vorstand von der Basis her unter Druck, sein Engagement zu mässigen?

Jean-François Rime: Sämtliche Parolen und Entscheidungen, eine Initiative oder ein Referendum zu unterstützen und ob zu einem Thema gar keine Parole gefasst werden soll, werden in der Schweizerischen Gewerbekammer gefällt. Die Schweizerische Gewerbekammer ist das Parlament des sgv, das diese Entscheidungen demokratisch und verbindlich beschliesst. Bei einem so breit aufgestellten Dachverband wie dem sgv ist es normal, dass es zu verschiedenen Themen unterschiedliche Positionen gibt.

«Die Zustimmung zur No Billag-Initiative ist mit einer Zweidrittelmehrheit zustande gekommen.» Jean-François Rime, Präsident Schweizerischer Gewerbeverband sgv, Nationalrat SVP Freiburg

Das war in jüngster Zeit bei der Energiestrategie, der Altersreform und auch bei der No Billag Initiative so. Deshalb nimmt die Gewerbekammer, wo die Diskussionen offen geführt und Entscheidungen gefällt werden, auch eine so wichtige Rolle ein. Die Zustimmung zur No Billag-Initiative ist mit einer Zweidrittelmehrheit zustande gekommen.

Die von vielen als störend empfundene und für die Zukunft noch höher ausfallende Medienabgabe für Unternehmen ist eine der Hauptgründe für das Engagement des sgv für die NoBillag-Initiative. Was werden die nächsten Schritte sein zur Abschaffung dieser Steuer, wenn NoBillag scheitern sollte?

Ganz unabhängig vom Resultat der Abstimmung erwarten wir nach dieser sehr kontrovers geführten Debatte mit hoher Aufmerksamkeit der Stimmbevölkerung, dass die SRG umfassende Reformen in die Wege leitet, welche längerfristig zu einer substantiellen Redimensionierung führen müssten. Die SRG-Verantwortlichen selbst haben angekündigt, dass ein «Plan R» anstehe. Die Doppelbesteuerung der Unternehmen muss ganz klar abgeschafft werden. Wir werden geeignete Massnahmen ergreifen um dieses Ziel zu erreichen.

Die Frage, ob die Billag-Gebühren in Wahrheit nicht eher Steuern sind, wie das der sgv behauptet, könnte juristisch das ganze Fundament des RTVGs erschüttern, weil dadurch die Abstimmung ein Ständemehr benötigt hätte, um in Kraft zu treten. Weshalb hat der sgv bisher nicht auf dem juristischen Weg versucht, das ihr unliebsame RTVG zu Fall zu bringen?

Die kontroverse Diskussion lief bereits 2014. Der sgv ergriff am 8. Oktober 2014 das Referendum gegen das revidierte Radio- und Fernsehgesetz, weil mit dem Gesetz faktisch eine neue Steuer eigeführt wird. Unabhängig davon, ob Radio oder TV konsumiert wird, müssen alle privaten Haushalte und neu sogar auch alle Firmen mit einem Umsatz ab 500’000 CHF diese Steuer bezahlen. Das Bundesgericht bestätigte im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens den Steuercharakter der Billag.

«Die Doppelbesteuerung der Unternehmen muss ganz klar abgeschafft werden. Wir werden geeignete Massnahmen ergreifen um dieses Ziel zu erreichen.»

Das UVEK sah das allerdings nicht so, weshalb der Bundesrat in seiner Botschaft «nur» eine Gesetzesrevision des RTVG vorsah, und nicht etwa eine Verfassungsrevision. Mit diesem Winkelzug erreichte das Departement von Bundesrätin Leuthard, dass die Vorlage bei der Abstimmung trotzt fehlendem Ständemehr durchkam. Da die Schweiz auf Bundesebene keine Verfassungsgerichtsbarkeit kennt, kann ein Bundesgesetz juristisch nicht überprüft werden, weshalb uns dieser Weg nicht offen steht.

Der vom sgv vorgelegte «Plan B» geriet von vielen Seiten unter Beschuss, als unausgegoren oder inkonsistent. Weshalb kam von der Politik kein Gegenvorschlag, der den als radikal taxierten Forderungen von NoBillag eine Alternative gegenübergestellt hätte?

Die SVP brachte einen Gegenvorschlag ein, welcher die Reduzierung der Steuer auf 200 Franken und die Befreiung der Unternehmen vorsah. Der Vorschlag scheiterte jedoch im Nationalrat. Inwiefern nach dem 4. März politische Vorstösse erfolgen werden, wird sich zeigen.

Über die Radio- und Fernsehverordnung (RTVV) sollen die SRG und die Privaten mehr Möglichkeiten zur zielgruppenspezifischen Werbung bekommen und der Bund soll die Nachrichtenagentur SDA besser unterstützen können. Das tönt eher nach Ausbau der Tätigkeiten der SRG als nach Rückzug im Werbemarkt. Wie bringt der sgv hier seine Position ein und welchen Einfluss hat er auf die Ausgestaltung der Verordnung?

Der sgv bezieht im Rahmen des Vernehmlassungsverfahren zur RTVV klar Stellung. Die Stossrichtung der Revision geht in die falsche Richtung. Bundesrat und SRG versprechen andauernd, dass die SRG redimensioniert wird. Aber während dem sie dies versprechen, schicken sie eine Vorlage in Vernehmlassung, die der SRG noch mehr Aufgaben und damit auch mehr Geld zufliessen lässt. Mit der Finanzierung der SDA schlägt der Bundesrat den Ausbau des staatlichen Einflusses auf die Medien vor, was der sgv ablehnt.

In der Schlussphase vor der Abstimmung lässt die SRG-Führung doch noch so etwas wie ein eventuelles Einlenken zu neuen Finanzierungsformen erkennen. Wie beeinflusst das Ihre Strategie?

Das beeinflusst unsere Strategie nicht wesentlich. Andeutungen von möglichen Reformen können vor dem 4. März auch als Abstimmungstaktik eingesetzt und interpretiert werden. Schlussendlich zählen nur die Fakten und konkreten Reformen.

Ein für die Wirtschaft bedeutendes Konfliktfeld sind die Verhandlungen mit der EU. Um schneller zu einem institutionellen Rahmenabkommen zu gelangen, setzt die EU Druck auf mit einer nur befristeten Gleichwertigkeit der Schweizer Börse gegenüber den EU-Börsen. Welches sind für Sie die wichtigsten Verhandlungspunkte mit der EU, welche Strategie glauben Sie, kann in den Verhandlungen erfolgreich sein?

Bilaterale Verträge sind Verträge zwischen Partnern auf Augenhöhe. Die Strategie der Schweiz muss demzufolge sein, der EU auf Augenhöhe zu begegnen. Genauso wie wir etwas von der EU wollen, will die EU etwas von uns, zum Beispiel Zugang zum Land- und Lufttransport, Zugang zum Strommarkt, oder Zugang zum Finanzplatz.

«Bilaterale Verträge sind Verträge zwischen Partnern auf Augenhöhe. Die Strategie der Schweiz muss demzufolge sein, der EU auf Augenhöhe zu begegnen.»

Dass sich 11 EU Länder gegen diesen befristeten Börsenzugang gestellt haben, ist nicht, weil sie die Schweiz lieben. Sondern sie brauchen Zugang zum Finanzplatz. Die EU braucht die Schweiz und das ist auszuspielen.

Seit dem Scheitern der Unternehmenssteuerreform III anfangs 2017 arbeiten die Behörden unter Ueli Maurer an der Steuervorlage 17. Sie lehnen die Massnahmen zur Gegenfinanzierung der erwarteten Ausfälle ab, eine Erhöhung des Kindergeldes und eine Erhöhung der Dividendenbesteuerung, da diese primär die KMU belaste. Welche alternative Gegenfinanzierung schwebt Ihnen vor?

Erstens hat das Kindergeld nichts mit der Gegenfinanzierung zu tun. Mehr noch: Die Erhöhung des Kindergeldes ist an sich eine Mehrausgabe, die eine Gegenfinanzierung braucht. Zweitens kann man die Vorlage nur insgesamt beurteilen. Das heisst, man muss zunächst analysieren, wie sich die Erhöhung der Teildividendenbesteuerung im Zusammenspiel mit der Senkung des Gewinnsteuersatzes Kanton pro Kanton auswirkt. Und nun zur Frage der Gegenfinanzierung: Tiefere Steuersätze führen zu mehr Wertschöpfung und damit zu mehr Steuereinnahmen. Was nicht geht ist, dass man die Grossunternehmen entlastet und das Geld bei den KMU holt.

Welche weiteren Schwerpunkte setzen Sie in Ihrer Arbeit innerhalb des SGVs im laufenden Jahr?

Das Kerngeschäft des sgv ist: Für KMU gute Rahmenbedingungen schaffen. Insbesondere gehört dazu, dass bestehende unnötige Regulierungskosten gesenkt werden und neue ungerechtfertigte Regulierungskosten eingedämmt werden. Wir wollen eine Regulierungskostenbremse und sind fast schon so weit. Das Parlament hat schon ihre wesentlichen Elemente angenommen und sie muss jetzt umgesetzt werden. Das ist das Kerngeschäft, nicht nur des sgv, sondern auch meines.

«Wir wollen eine Regulierungskostenbremse und sind fast schon so weit.»

Im Mai dieses Jahres verabschiedet der Gewerbekongress die neue politische Zelsetzung des Verbandes für die Jahre 2018 – 2022. Das sind die Aufträge, welche die Mitglieder dem Verband geben, also auch mir. Darin sind unsere Themen festgehalten: Berufsbildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Umwelt und Mobilität, Raumplanung, Finanz- und Steuerpolitik sowie die allegemeine Wirtschaftspolitik.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?

Ich wünsche mir mehr unternehmerischen Freiraum in der Schweiz und weniger Regulierungskosten, weil dies zu einer erhöhten Wertschöpfung führt, welche schlussendlich allen, sowohl den Unternehmen als auch den Angestellten zu Gute kommt.

Der Gesprächspartner:
Jean-François Rime war von Juni 1989 bis Februar 1991 im Regierungsrat von Bulle. 2002 wechselte er die Parteizugehörigkeit von der FDP zur SVP, für die er bei den Parlamentswahlen 2003 in den Nationalrat gewählt und bis heute bestätigt wurde. Seit dem 1. Dezember 2003 hat er Einsitz in die nationalrätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben, welche er seit Anfangs 2018 präsidiert. Vom 3. Dezember 2007 bis zum 3. Oktober 2008 war er in der Spezialkommission  Legislaturplanung 2007–2011 und vom 3. Dezember 2007 bis zum 1. März 2009 in der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen. Von der Fraktion der Schweizerischen Volkspartei der Bundesversammlung wurde Rime für die Bundesratswahlen vom 22. September 2010 und erneut für die Bundesratswahlen vom 14. Dezember 2011 nominiert.

Rime ist Unternehmer; Er besitzt ein Sägewerk, einen Betrieb für Strassenunterhalt und ein Gartenbauunternehmen. Von 2008 bis Mai 2015 war er Präsident des Verbands Holzindustrie Schweiz (HIS) und seit Mai 2012 ist er Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv. Rime lebt in Bulle, ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne, die in seinen Betrieben tätig sind.

Der Schweizerische Gewerbeverband:
Als grösster Dachverband der Schweizer Wirtschaft ist der sgv die repräsentative und führende Wirtschaftsorganisation der KMU in der Schweiz. Dabei vertritt der sgv rund 250 Ver bän de mit gegen 500 000 Unternehmen. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv bildet die nationale Interessenvertretung zur Förderung der KMU und der Selbständig erwerbenden in der Schweiz.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert