Lebensmittelhandel: Discounter wie Aldi und Lidl holen auf

Lebensmittelhandel: Discounter wie Aldi und Lidl holen auf
Kunden attestieren Discountern attraktive Aktionen und vergleichbare Qualität bei frischen Produkten. (Foto: Aldi Suisse)

Zürich – Die Discounter Aldi und Lidl etablieren sich zunehmend als ebenbürtige Alternative im Schweizer Detailhandel. Die günstigen Anbieter holen in Sachen Sortiment und Qualität auf und greifen zusammen mit Denner die Kundenbasis der Grossverteiler an, wie eine Konsumentenbefragung der Strategieberatung Oliver Wyman zeigt.

Für die Grossverteiler im schweizerischen Lebensmitteldetailhandel brechen härtere Zeiten im Wettbewerb mit den Discountern an. Unverändert schätzen die Schweizer die niedrigen Preise der Discounter: Rund zwei Drittel der Kunden gehen hier von einem besseren Regalpreis aus. Zunehmend greifen aber die Discounter mit Investitionen im Sortiment und in den Filialen weiteres Revier der Grossverteiler an. Schon heute attestieren die Schweizer Kunden Discountern attraktive Aktionen und vergleichbare Qualität bei frischen Produkten, so Oliver Wyman in einer Mitteilung.

Discounter rollen das Feld von hinten auf
Dem Markteintritt von Aldi und Lidl in 2005 und 2009 wurde eine radikale Wende im Schweizer Detailhandel vorausgesagt. Die niedrigen Preise als Markenzeichen der Discounter schienen prädestiniert dafür, den hochpreisigen Lebensmitteldetailhandel umzukrempeln. Obwohl sich die Branche nicht im prognostizierten Ausmass verändert hat, mussten die Grossverteiler proaktiv reagieren, um dem Preisdruck entgegenzuwirken. Coop lancierte die Billiglinie Prix Garantie und Migros stärkte ihre bereits existierende Linie M-Budget.

Doch niedrige Preise bleiben unverändert das Markenzeichen der Discounter. In einer Umfrage unter 1’052 Schweizern attestierten ihnen 60 Prozent die besten regulären Preise. «Die Grossverteiler versuchen oft mit umfangreichen Aktionsprogrammen gegenzuhalten. Allerdings sind die Kunden von dieser Strategie nicht restlos überzeugt, wie unsere Befragung zeigt», sagt Nordal Cavadini, Partner und Handelsexperte bei Oliver Wyman. Währenddessen rollen die Discounter das Feld von hinten auf. In den Bereichen Sortiment, Qualität und Einkaufserlebnis greifen sie gezielt die klassischen Stärken der Grossverteiler an.

Gleichauf in der Frische
Gegen die Discounter versuchten die Grossverteiler in den letzten Jahren sich, mit ihrem traditionellen Vorsprung bei Frische, Regionalität und Convenience zu profilieren. Doch genau hier machen die Discounter nun Boden gut. 59 Prozent der Discounter-Kunden in der Schweiz stimmten in der Umfrage der Aussage zu, dass das wichtigste Kriterium für die Wahl ihres Einkaufsorts die beste Qualität bei frischen Produkten sei. Bei den Grossverteilern lag dieser Anteil mit 67 Prozent nur geringfügig höher.

Das Engagement von Aldi und Lidl im Brot und Backwaren Sortiment zeigt ebenso seine Wirkung. Gemäss der Studie bewerten die Kunden ihr Sortiment in dieser Kategorie als gleich stark wie jenes der Grossverteiler. Darüber hinaus rüsten die Discounter kontinuierlich ihr Angebot an regionalen Produkten in mehreren Frischekategorien auf. Ein guter Ansatz: Laut der Konsumentenbefragung ist die Regionalität wichtiger als Bio.

Lebensmittelkategorien ausserhalb der Frische üben eine geringere Anziehungskraft aus, denn: «Dosen können alle». Vor diesem Hintergrund und der schwindenden Differenzierung in der Frische nimmt die Serviceleistung in den Verkaufsstellen eine noch wichtigere Rolle ein. Cavadini mahnt: «Nur mit einer exzellenten Leistung zu konkurrenzfähigen Preisen können sich die Grossverteiler auf Dauer im Wettbewerb mit den Discountern behaupten.»

Attraktive Aktionen auch bei den Discountern
Hinzu kommt, dass die Discounter auch mit Aktionen punkten. Bei der Frage nach den attraktivsten Aktionen liegen die Discounter mit 44 zu 56 Prozent nur leicht hinter den Grossverteilern. In Anbetracht des Umfangs der jeweiligen Aktionsprogramme ist das ein Warnzeichen insbesondere für die Grossverteiler. Denn sie haben seit Jahren grosse Anstrengungen in Sachen Aktionen und Loyalitätsprogrammen unternommen. «Für den zukünftigen Erfolg ist aber noch nicht genug getan worden», sagt Cavadini. «Die Händler müssen Ihre Aktionen besser verstehen und individualisieren.»

Eins steht fest: die Preisschlacht ist kaum noch mit Aktionen zu gewinnen. Handlungsbedarf unterstreichen weitere Umfrageergebnisse. 57 Prozent der Grossverteiler-Kunden stimmen der Aussage zu, dass dauerhaft niedrige Preise für die Auswahl des Einkaufsorts wichtiger sind als Aktionen. Bei den Discounterkunden sehen sogar 76 Prozent dauerhaft niedrige Preise vor Aktionen. Cavadini resümiert: «Die Schweizer Grossverteiler sollten manche Prioritäten überdenken. Ansonsten wird der Vormarsch der Discounter weiter anhalten.» (mc/pg)

Über die Befragung
Für die Analyse hat Oliver Wyman im Herbst 2017 über 4’000 Konsumenten befragt, darunter 1’052 in der Schweiz. Abgefragt wurden allgemeines Einkaufsverhalten sowie die Relevanz und Bewertung von Preise, Aktionen sowie der Frischeleistung ausgewählter Detailhändler.

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