Premierministerin May weicht klarer Brexit-Position weiter aus

Premierministerin May weicht klarer Brexit-Position weiter aus
Theresa May, britische Premierministerin. (Foto: gov.uk)

London – Die britische Premierministerin Theresa May hat auf eine klare Position zu den künftigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Grossbritannien und der EU verzichtet. Sie wolle keines der bekannten Modelle für eine künftige Partnerschaft mit der EU nach dem Brexit übernehmen, sagte May am Freitag in London bei einer Grundsatzrede zum Ausstieg Grossbritanniens aus der EU. Ein reines Handelsabkommen wie zwischen der EU und Kanada lehnte sie ebenso ab wie eine Mitgliedschaft im Europäischen Binnenmarkt nach dem Vorbild von Norwegen oder eine Mitgliedschaft in der Zollunion.

EU-Chefunterhändler Michel Barnier begrüsste die Rede per Twitter dennoch als Schritt zu einem künftigen Abkommen. Er stellte fest, Klarheit über den Austritt Grossbritanniens aus dem Binnenmarkt und der Zollunion werde der EU helfen, ihre eigenen Richtlinien für ein Freihandelsabkommen zu entwerfen. Im Klartext: Ihr wollt einen harten Brexit – dann müsst ihr mit den Konsequenzen leben.

Der irische Regierungschef Leo Varadkar begrüsste Mays Rede ebenfalls, mahnte aber, aus London müssten noch mehr detaillierte und realistischere Vorschläge kommen. Labour-Chef Jeremy Corbyn kritisierte, May habe erneut versagt darin, echte Klarheit in die Verhandlungen zu bringen.

Quadratur des Kreises
May gab zu, dass es «Spannungen» in der britischen Position gibt: «Wir wollen die Freiheit, Handelsabkommen mit anderen Ländern rund um die Welt zu verhandeln. Wir wollen die Kontrolle über unsere Gesetze zurück. Wir wollen eine so reibungsfreie Grenze wie möglich zwischen uns und der EU – damit wir unsere integrierten Lieferketten, von denen unsere Industrien abhängen, nicht beschädigen und damit wir keine befestigte Grenze zwischen Nordirland und Irland haben», sagte May.

Erreicht werden soll die Quadratur des Kreises durch ein Zoll-Abkommen mit der EU, das Grenzkontrollen überflüssig mache. Technologische Lösungen und auf Vertrauen basierende Abmachungen sollen das möglich machen.

Zugang zum europäischen Binnenmarkt teilweise eingeschränkt
May gestand auch ein, das der Zugang Grossbritanniens zum europäischen Binnenmarkt teilweise eingeschränkt sein wird. «Wie könnte die Struktur der EU aufrechterhalten werden, wenn sie es Grossbritannien, oder irgendeinem anderen Land erlaubt würde, alle Vorteile zu geniessen ohne alle Verpflichtungen zu haben?».

Sie schlug vor, das Land könne sich weiterhin an einzelnen EU-Agenturen beteiligen – und werde dafür auch die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs teilweise in Kauf nehmen – ein rotes Tuch für viele Brexit-Befürworter in ihrer Partei. In Sachen Fischerei und Landwirtschaft wolle man aber eigene Wege gehen.

Finanzdienstleistungen: Gegenseitiger Marktzugang angestrebt
Bei den für Grossbritannien besonders wichtigen Finanzdienstleistungen will May gegenseitigen Marktzugang ermöglichen, indem sich das Land weiterhin am EU-Regelwerk orientiert. Auch in anderen Bereichen wie in Sachen Staatshilfen und Wettbewerb werde man weiterhin mit EU-Regeln im Einklang zu bleiben, so May. Die EU müsse auch nicht befürchten, dass Grossbritannien bei Arbeitnehmerrechten oder beim Umweltschutz einen Wettlauf um niedrige Standards in Gang setzen werde.

May verwies darauf, dass jedes Handelsabkommen der EU mit Drittstaaten einzigartige Abmachungen enthalte. «Wenn das Rosinenpicken ist, dann ist jedes Handelsabkommen Rosinenpicken», so May.

Kein Rosinenpicken
Ob sie mit ihren Vorschlägen in Brüssel auf Gegenliebe stossen wird, ist zu bezweifeln. Die EU hat bereits deutlich gemacht, dass Grossbritannien nicht beides haben kann. Entweder das Land entscheidet sich für reibungslosen Warenverkehr an den Grenzen oder die Freiheit, Handelsverträge mit Drittstaaten abzuschliessen. Rosinenpicken schliesst Brüssel aus. «Es kann keinen reibungslosen Handel ausserhalb der Zollunion und des Binnenmarkts geben. Reibung ist eine unvermeidliche Nebenwirkung des Brexits», hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Mittwoch bei einer Rede in Brüssel gewarnt. (awp/mc/upd/pg)

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