Erzwungene Teilzeitarbeit wird häufig Frauen zugemutet

Erzwungene Teilzeitarbeit wird häufig Frauen zugemutet

Bern – Mehr arbeiten wollen, aber nicht dürfen – in dieser ungemütlichen Lage stecken insbesondere teilzeitarbeitende Frauen. Einseitig von Arbeitgebern aufgezwungene Pensenreduktionen dienen in der Regel dazu, den Stellenbestand der Auftragslage anzupassen.

«Grundsätzlich ist ein flexibler Arbeitsmarkt vorteilhaft», heisst es beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Eine Reduktion von Arbeitspensen könne beispielsweise helfen, Entlassungen zu vermeiden, Mitarbeitende könnten besser Beruf und Familie unter einen Hut bringen und die Flexibilität der Betriebe steige.

Mehr als ein Drittel (knapp 37%) der Beschäftigten in der Schweiz arbeitet aktuell weniger als 90% und damit Teilzeit. Teilzeit ist seit jeher ein Merkmal weiblicher Arbeit. Inzwischen leisten laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) fast 59% der erwerbstätigen Frauen Teilzeitarbeit. Während also lediglich 41% der berufstätigen Frauen Vollzeit arbeiten, sind es fast 83% der Männer.

Auftragsschwankungen ausgleichen
Der Wunsch nach einem Teilzeitpensum geht in den meisten Fällen von den Beschäftigten aus. Problematisch sind hingegen einseitig von Arbeitgebern aufgezwungene Pensenreduktionen aus wirtschaftlichen Gründen. Mit diesen werden nach Angaben der Gewerkschaft Unia Auftragsschwankungen insbesondere in Branchen mit traditionell hohem Frauenanteil, etwa bei sozialen Institutionen, in Heimen oder in der Flüchtlingsbetreuung ausgeglichen.

Laut BFS waren im vergangenen Jahr 256’000 Frauen in der Schweiz unterbeschäftigt, d.h. sie wollten eigentlich mehr Erwerbsarbeit leisten und waren dafür auch innert kurzer Zeit verfügbar. Die Unterbeschäftigten-Quote lag bei den Frauen bei 11,3%, 4 Prozentpunkte höher als über die gesamte Erwerbsbevölkerung hinweg gerechnet.

Eine klare Mehrheit der unterbeschäftigten Frauen und Männer wünschte sich laut BFS-Zahlen eine Aufstockung. 47% gar eine Erhöhung auf ein Vollzeitpensum. Seit 2010 nimmt die Unterbeschäftigten-Quote in der Schweiz stetig zu.

Offenbar stellt sich die Lage in anderen Ländern ähnlich dar: Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) kritisierte vor Monatsfrist, dass in Industrieländern die Zahl erzwungener Teilzeitarbeit ansteige.

Teilzeit macht Arbeitgeber attraktiv
Vergeudetes Potential angesichts eines drohenden Fachkräftemangels, der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung und dem überdurchschnittlichen Bildungsniveau von Frauen, könnte man meinen.

Beim Schweizerischen Arbeitsgeberverband heisst es denn auch auf Anfrage, dass aufgrund der Alterung der Gesellschaft künftig jährlich 50’000 Personen mehr aus dem Erwerbsleben ausscheiden als dazukommen werden. Das erhöhe den Druck, sich als «attraktive Arbeitgeber» zu positionieren. Dazu gehöre es, auf verschiedenen Stufen interessante Teilzeitstellen mit Entwicklungspotenzial anzubieten.

Für den Arbeitgeberverband «liegt es aber in der Natur der Sache, dass ein Mitarbeitender mit einem kleinen Teilzeitpensum weniger Möglichkeiten hat als ein Vollzeit angestellter Kollege, sich zu beweisen und für eine Karriere zu empfehlen.»

Ob eine Pensenreduktion für Betroffene positiv und wirtschaftlich sowie mental verkraftbar ist, hängt von der individuellen Situation ab.

Gegen einseitige Reduktionen
Für die Gewerkschaft Unia ist klar: Nicht nur ein Stellenabbau, sondern auch Pensenreduktionen treffen Arbeitnehmende hart und sind, wenn sie einseitig von Arbeitgebern aufgezwungen werden, inakzeptabel. Für die Unia machen Pensenreduktionen nur dann Sinn, wenn dadurch Entlassungen verhindert werden.

Eine Umverteilung der Arbeit auf mehr Köpfe versuchte in den 1990er Jahren die Post. Damals reduzierten in einem «Solidaritätsmodell» Post-Beschäftigte freiwillig und zeitlich befristet den Anstellungsgrad, um Kolleginnen und Kollegen ein Teilpensum zu ermöglichen.

Die Lohneinbussen wurden zu einem Drittel von der Post und zu zwei Dritteln vom betroffenen Mitarbeiter getragen. Das Projekt wurde, wie es bei der Post heisst, seinerzeit nicht ausgebaut oder weitergeführt und bei späteren Reorganisationen auch nicht mehr aufgenommen.

Laut der Gewerkschaft Unia gibt es, obwohl wünschenswert, aktuell keine vergleichbaren Projekte. Diese könnten auch nur in Berufen mit einem relativ hohen Lohnniveau funktionieren, erklärt Beat Baumann, Ökonom der Gewerkschaft Unia, auf Anfrage.

Über natürliche Fluktuation und freiwillige Pensenreduktionen konnte im Herbst 2016 bei den AZ Medien der grösste Teil des Stellenabbaus realisiert werden. Damals wurden aufgrund der angespannten Wirtschaftslage, eines rückläufigen Umsatzes und geringeren Werbeeinnahmen konzernweit 26 Stellen abgebaut und dabei 6 Kündigungen ausgesprochen.

Nur eine Möglichkeit
Derzeit werden bei Post und Swisscom in grösserem Ausmass Stellen abgebaut. Pensenreduktionen stehen dabei bei beiden Konzernen nicht im Vordergrund. Bei Restrukturierungen seien Pensensenkungen, «die mit den Mitarbeitenden gemeinsam geprüft werden, oft auch eine denkbare Lösung», heisst es bei der Post-Medienstelle.

Ganz ähnlich tönt es bei der Swisscom: Eine Pensenreduktion sei eine von vielen Möglichkeiten. Man setze primär «auf eine vorausschauende Planung, ein umsichtiges Vakanzenmanagement sowie Umschulungen», um einen Stellenabbau möglichst tief zu halten, erklärt ein Swisscom-Sprecher.

Bei der Post können nach eigenen Angaben Pensen jederzeit reduziert werden, wenn dies mit den jeweiligen Aufgaben und Kompetenzen vereinbar ist. Bei Post Schweiz, PostFinance und PostAuto arbeiten knapp 44% der über 61’000 Mitarbeitenden Teilzeit.

Gerade mal 20% und damit ein vergleichsweise kleiner Teil der rund 20’500 Swisscom-Beschäftigten arbeiten weniger als 90%. (awp/mc/ps)

 

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