Germann Wiggli, CEO WIR Bank Genossenschaft, im Interview

Germann Wiggli, CEO WIR Bank Genossenschaft, im Interview
Germann Wiggli, CEO WIR Bank Genossenschaft. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Wiggli, schadet der Hype um den Bitcoin Ihrer WIR Bank?

Germann Wiggli: Nein. Im Gegenteil. Bitcoin und andere Kryptowährungen haben ganz allgemein die Diskussionen rund um das Thema Geld befeuert – und dabei taucht, gerade auch in der internationalen Medienberichterstattung, die weltgrösste Komplementärwährung WIR sehr oft als komplementärer Ansatz auf.

Besteht jetzt ein verstärkter Aufklärungsbedarf, dass WIR-Geld etwas ganz anderes ist?

Es ist in der Tat so, dass WIR und Kryptowährungen schnell in ein und denselben Topf geworfen werden. Oft werden wir auch gefragt, ob WIR nicht eine Blockchain-Lösung werden sollte. Fakt ist, dass WIR eben nicht alternativ, sondern komplementär eingesetzt wird. Wird eine Transaktion mit WIR bezahlt, sind oftmals auch «klassische» Schweizer Franken im Spiel. Es geht bewusst um Zusatzgeschäfte. Aber natürlich beobachten wir die Entwicklungen rund ums Thema Blockchain als Bank sehr genau.

In den letzten Jahren gab es sehr viele Änderungen, was die Modalitäten der Zahlungen im WIR-Geldsystem betrifft. Wie garantieren Sie Ihren Kunden gegenüber dennoch die langfristige Planungssicherheit?

Die im November 2016 vorgenommene Modernisierung hatte ein grosse Ziel: mehr Transparenz. Alle teilnehmenden KMU sind auf der digitalen Plattform WIRmarket sichtbar – und können dort übrigens auch kostenlos ihre Produkte und Dienstleistungen anbieten oder an Ausschreibungen teilnehmen. Zusammen mit weiteren digitalen Lösungen wie der mobilen Zahl-App WIRpay oder der Anbindung an die E-Payment-Lösung Payrexx sind das eindeutig Mehrwerte, die aus unserer Sicht einen positiven Einfluss auf die Planungssicherheit haben. Und: Diese Modernisierung geht natürlich in hoher Kadenz weiter.

Die Möglichkeiten, sich in der Schweiz weiter zu sehr günstigen Konditionen Geld zu leihen, bremst Ihr Kreditgeschäft. Für wann rechnen Sie mit anziehenden Zinsen?

In der Tat ist das Zinsumfeld für einen grossen Vorteil des WIR-Gelds – nämlich die kostengünstige Finanzierung – seit der Aufhebung der Euro-Franken-Untergrenze durch die Schweizerische Nationalbank alles andere als günstig. Aktuell ist es ja so, dass sich der Franken als Folge der robusten globalen wie auch nationalen Wirtschaftsentwicklung langsam von seiner starken Überbewertung entfernt – entsprechend erhöht sich aus unserer Sicht der Handlungsspielraum der SNB. Wir gehen vor allem mittelfristig von Zinserhöhungen aus.

«Wir haben bereits nach vier Monaten unser Jahresziel bei der vollautomatisierten Vorsorgelösung VIAC übertroffen.»
Gemann Wiggli, CEO WIR Bank Genossenschaft

Die schnellste Wachstumsrate, wenn auch noch auf bescheidenem Niveau, hat bei der WIR Bank im Moment bei der neuen vollautomatisierten Vorsorgelösung VIAC. Bei wieviel Umsatz soll sie Ende Jahr stehen?

Nur soviel: Wir haben bereits nach vier Monaten unser Jahresziel übertroffen und die starke Nachfrage hält an. Mit einem weiteren Release im zweiten Quartal 2018 wird VIAC noch viel mehr Anleger anziehen. Sie dürfen also gespannt sein.

Die gesamte Verwaltungsgebühr bei dieser Vorsorgelösung liegt je nach Anlagestrategie lediglich zwischen 0,17 und 0,72 Prozent. Das müsste doch eigentlich Ihrem Depotpartner Credit Suisse ein Dorn im Auge sein?

VIAC ist einer unter vielen Anbietern im Wertschriftenspargeschäft der Säule 3a. Grosse Anbieter wie zum Beispiel die Credit Suisse oder UBS verkaufen ihre Dienstleistungen im B2B-Bereich anderen Mitbewerbern. VIAC ist ein Abnehmer solcher Produkte und veredelt diese mit der ersten, einzigartigen und zudem noch günstigsten Wertschriftenlösung auf dem Smartphone. So gesehen profitieren unsere Partner – mit ihrem Fondsvertrieb und die Credit Suisse zusätzlich noch als Depotbank – bei VIAC mit. Auch eine Öffnung der Plattform oder ein Lizensierung unter anderem Namen wäre denkbar, ja gar wünschenswert. Gesamthaft wird auch dem Thema Wertschriftensparen mehr Raum in den Medien eingeräumt, und so profitieren auch die bestehenden Anbieter, die nicht direkt mit VIAC zusammenarbeiten.

Kundeneinlagen in WIR sind um 5,3 Prozent gefallen, diejenigen in CHF um 3,3 Prozent gestiegen. Kann diese Tendenz je drehen?

Die WIR-Geldmenge korreliert natürlich mit dem Zinsniveau. Je tiefer dieses ist, umso weniger attraktiv sind die Zinsvorteile, die eine Finanzierung in WIR mit sich bringt. Die zweite wichtige Kenngrösse ist die Umlaufgeschwindigkeit der WIR-Geldes: Auch hier ist der Ausgabedruck auf den nicht verzinsten WIR-Guthaben im aktuellen Null- oder sogar Negativzinsumfeld bei Schweizer Franken nicht gegeben.

«Mit der Modernisierung haben wir eine derartige Fülle an neuen Produkten und Dienstleistungen für das stärkste KMU-Netzwerk der Schweiz lanciert, dass wir damit unsere Kunden teilweise überfordert haben.»

Könnte die Tatsache, dass WIRpay jetzt auch durch Payrexx und seine App das Zahlen in Online-Shops möglich macht, ein Game Changer sein?

Diese digitalen Werkzeuge sind für das WIR-System sehr wichtig. Die prozentuale Nutzung von WIRpay ist äusserst erfreulich, das Produkt wird natürlich laufend weiterentwickelt. Aber wir zeigen uns auch selbstkritisch: Mit der bereits angesprochenen Modernisierung im November 2016 haben wir eine derartige Fülle an neuen Produkten und Dienstleistungen für das stärkste KMU-Netzwerk der Schweiz lanciert, dass wir damit unsere Kunden teilweise auch überfordert haben. Alle, die mit diesen digitalen Angeboten in Kontakt kommen, zeigen sich ob der einfachen Anwendung begeistert. Aber, und das ist auch ganz wichtig: Wir digitalisieren nicht einfach, damit wir digitale Produkte haben – sie müssen dem Kunden immer einen konkreten Nutzen stiften.

Warum stieg bei der WIR Bank im letzten Jahr die Steuerrechnung um ein Drittel?

Höhere Steuern bedeuten immer gute Ergebnisse. Diese werden bei kleineren und mittleren Banken selten auf Ebene Reingewinn gezeigt. Es werden vielmals – auch bei uns – Vorabzuweisungen in die stillen und offenen Reserven getätigt.
Der Erfolg im Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft und der Erfolg aus dem Handelsgeschäft waren im letzten Geschäftsjahr für den Gewinn der WIR Bank verantwortlich. Was wird in diesem Jahr weiter treiben?
Wir diversifizieren weiter und werden in den nächsten Jahren den Erfolg im Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft steigern.

Sie haben im letzten Jahr kräftig in die Digitalisierung investiert. Welche Überraschungen haben Sie noch für die nächsten Jahre bereit?

Einerseits entwickeln wir unsere bereits lancierten digitalen Produkte natürlich laufend weiter. Ein Stillstand wäre fatal. So haben wir seit der Lancierung vor eineinhalb Jahren beispielsweise bei WIRpay in hoher Kadenz diverse neue und attraktive Features eingebaut. Beim WIRmarket wurde erst kürzlich die Ausschreibungsplattform initiiert – auch hier haben wir noch zahlreiche Ideen, die diese Plattform als digitalen Dreh- und Angelpunkt des WIR-Systems weiter stärken. Die Lancierung von VIAC zeigt zudem, dass die WIR Bank absolut offen für revolutionäre Fintech-Ideen ist. Damit haben wir viele überrascht. Und, um Sie ein bisschen in unsere Produkte-Pipeline blicken zu lassen: Das Thema digitale Buchhaltung interessiert uns sehr und soll bestehenden und neuen KMU-Kunden eine echte Alternative bieten.

Zur Person:
Germann Wiggli (53) ist seit 2006 CEO der WIR Bank. Seine KV-Ausbildung absolvierte er bei einem Basler Chemiebetrieb. 1983 startete Wiggli seine Berufskarriere als Revisor bei einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Von einer anderen Bankengruppe, wo er ab 1989 eine Geschäftsstelle leitete, stiess Wiggli 1993 zur WIR Bank. Er hat zudem mehrere Verwaltungsratsmandate bei Energie- und Holzfirmen inne.

Zum Unternehmen:
Die WIR Bank ist eine 1934 gegründete Genossenschaft, die sich mit klassischen und modernen Bankprodukten an Firmen- und Privatkunden in der Schweiz richtet. Eine Besonderheit der WIR Bank ist jedoch die eigene Währung, über welche das Geldinstitut mit WIR (oder CHW) verfügt. Hinter dieser Währung steckt die Idee, alternative und günstige Finanzierungsmöglichkeiten insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) anbieten zu können. Die Stammanteile der WIR Bank werden otc gehandelt. Zum WIR-Netzwerk gehören 30‘000 KMU-Kunden aus der ganzen Schweiz und aus allen Branchen – hinzu kommen über 10‘000 private WIR-Arbeitnehmer-Konten.

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