Machtwechsel in Spanien – Sozialist Sánchez wird neuer Regierungschef

Machtwechsel in Spanien – Sozialist Sánchez wird neuer Regierungschef
Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez.

Madrid – In einem historischen Votum hat das spanische Parlament am Freitag Ministerpräsident Mariano Rajoy abgewählt. Der 63-jährige konservative Politiker stürzte über einen von den Sozialisten (PSOE) eingebrachten konstruktiven Misstrauensantrag im Zuge eines Korruptionsskandals.

180 der 350 Abgeordneten stimmten am Mittag gegen den 63-Jährigen und unterstützten damit den Vorstoss von Sozialistenchef Pedro Sánchez. Der 46-Jährige wird damit neuer Regierungschef. Es ist das erste Mal in der demokratischen Geschichte des Landes nach dem Ende der Franco-Diktatur 1975, dass ein Ministerpräsident durch einen Misstrauensantrag zu Fall kommt.

Der Abstimmung war eine lebhafte Debatte vorausgegangen. Parlamentspräsidentin Ana Pastor musste die Abgeordneten immer wieder zur Ruhe mahnen. Der Sprecher von Rajoys konservativer Volkspartei PP, Rafael Hernando, warf den Sozialisten vor, einen «Staatsstreich» zu verüben. Wie zuvor bereits Rajoy warnte auch er, Sánchez habe nur ein Ziel verfolgt, nämlich um jeden Preis selbst an die Macht zu kommen. «Ist es das alles wert, um Ihre persönlichen Ambitionen zu befriedigen?», fragte Hernando.

Niederlage bereits vor Abstimmung eingeräumt
Rajoy räumte hingegen bereits vor der Abstimmung seine Niederlage ein. Es sei ihm eine Ehre gewesen, Ministerpräsident zu sein, erklärte er. «Ich bin froh, ein besseres Spanien zu hinterlassen, als ich es vorgefunden habe», sagte er mit Blick auf den wirtschaftlichen Aufschwung des ehemaligen Krisenlandes dank der von ihm vorangetriebenen Reformen und Sparpläne. «Ich hoffe, dass mein Nachfolger irgendwann das Gleiche sagen kann.»

Tatsächlich verfügt die PSOE im Parlament von Madrid nach ihrer Wahlschlappe von 2016 nur über 84 Stimmen. Rajoy, der seit 2011 Ministerpräsident war, führte seit 2016 mit 134 PP-Abgeordneten eine Minderheitsregierung. Verbündete waren dabei die liberalen Ciudadanos (Bürger), die in den vergangenen Tagen aber ebenfalls einen Rücktritt Rajoys und Neuwahlen gefordert hatten. Sie unterstützten ihn bei dem Votum dennoch.

Für Rajoy bedeutet die Abwahl vermutlich das politische Ende – Medienberichten zufolge bahnt sich eine heftige Debatte innerhalb der PP über die künftige Führung an. Zunächst musste er bei König Felipe VI. seinen Rücktritt einreichen.

Berlin hofft auf stabile neue Regierung
Die deutsche Bundesregierung betonte angesichts des Wechsels von Rajoy zu Sánchez, Berlin hoffe auf eine stabile neue Regierung. Regierungssprecher Steffen Seibert würdigte die Leistungen Rajoys. Dieser habe dazu beigetragen, dass sich Spanien in den vergangenen Jahren aus eigener Kraft aus der Krise herausgearbeitet habe. Spanien habe heute mit das stärkste Wirtschaftswachstum in Europa und sei ein wichtiger Partner Deutschlands.

Der Wirtschaftsdozent Sánchez versprach, den europäischen Verpflichtungen seines Landes unvermindert nachzukommen. Er hatte den Misstrauensantrag als Reaktion auf die Gerichtsurteile in der Korruptionsaffäre um Rajoys PP eingebracht. Der nationale Strafgerichtshof hatte die Partei in der vergangenen Woche wegen Verwicklung in den Skandal zu einer Geldstrafe von 245 000 Euro verurteilt. Mehrere frühere Parteimitglieder erhielten teils langjährige Haftstrafen.

«Surreales Szenario»
Die PSOE wurde bei der Abstimmung vom linken Bündnis Unidos Podemos, das über 67 Sitze verfügt, und mehreren Regionalparteien – unter anderem auch aus der Krisenregion Katalonien – sowie von der baskischen PNV unterstützt. Ob und welche Gegenleistungen Sánchez den katalanischen Separatisten versprochen hat, um sich ihre Stimmen zu sichern, war unklar. Die renommierte Zeitung «El Mundo» kommentierte, Sánchez habe weder ein Regierungsprogramm vorgelegt noch offengelegt, welche «Zugeständnisse» er den Separatisten machen werde. Das Blatt sprach von einem «surrealen Szenario» und einer «Reise ins Nirgendwo».

Tatsächlich scheint es vielen zwar als befremdlich, dass ausgerechnet kleinere Separatistenparteien aus der Krisenregion Katalonien, die sich seit vielen Monaten ein Tauziehen mit Rajoy geliefert hatten, das Zünglein an der Waage waren und ihn nun zu Fall brachten. Medien fragten, ob und was ihnen Sánchez versprochen haben könnte. Allerdings wurden auch Hoffnungen laut, dass ein kompromissbereiterer und im Ton gegenüber den Katalanen freundlicherer Sánchez die Katalonienkrise entschärfen könnte.

Rajoy hatte einen harten Kurs gegenüber Katalonien gefahren und die Region im Zuge eines verbotenen Unabhängigkeitsreferendums im Herbst vergangenen Jahres unter Zwangsverwaltung aus Madrid gestellt. Mit der Vorstellung des Kabinetts des neuen Regionalchefs Quim Torra könnte diese nun in den nächsten Tagen aufgehoben werden. PP-Sprecher Hernando erinnerte Sánchez aber daran, dass er selbst die katalanische Separatistenführung mehrfach als «Putschisten» bezeichnet habe. (awp/mc/ps)

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