Ferien-Flatrate: Schweizer Arbeitnehmende würden sich 30,5 Tage gönnen

Ferien-Flatrate: Schweizer Arbeitnehmende würden sich 30,5 Tage gönnen
Yves Schneuwly, Geschäftsführer von XING Schweiz. (Foto: XING)

Zürich — Ferien à discrétion: Besonders in der Sommerzeit klingt die Idee von Urlaub so viel man will verlockend. Beim US Streaming-Dienst Netflix, aber auch beim Schweizer Fintech-Unternehmen Advanon ist die Ferien-Flatrate bereits Realität. Rechtzeitig zum Beginn der grossen Feriensaison wollte das berufliche Online-Netzwerk XING wissen, was Arbeitnehmende in der Schweiz vom Selbstbedienungsmodell halten. Das Ergebnis: Die Ferien-Flatrate polarisiert. Etwas mehr als die Hälfte glaubt, dass der Ansatz funktionieren kann. Der Rest kann dem Modell wenig abgewinnen. Besonders gut kommt die Idee bei den Jungen an. Könnten Arbeitnehmende die Anzahl Urlaubstage tatsächlich selbst bestimmen, so wären sie im Schnitt 30,5 Tage im Jahr in den Ferien – deutlich länger als der heutige Mittelwert.

Im Auftrag von XING Schweiz hat das Markt- und Meinungsforschungsunternehmen Marketagent.com rund tausend berufstätige Personen in der Deutschschweiz zum Thema Ferien befragt. Die wichtigsten Resultate der repräsentativen Studie:

Junge glauben an unbegrenzte Ferien
Im Bestreben, durch attraktive Arbeitsbedingungen die besten Mitarbeitenden anzuziehen, überlassen es Unternehmen wie der amerikanische Streaming-Dienstleister Netflix oder das Zürcher Startup Advanon ihren Mitarbeitenden, wie viele Ferientage sie pro Jahr beziehen wollen. Kann das gut gehen? Ja, finden 56% der Befragten, während sich die übrigen 44% nicht vorstellen können, dass dieses Modell funktionieren kann. Der Ferienvergabe in Eigenregie stehen vor allem jüngere Arbeitnehmende positiv gegenüber. In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen sind es zwei Drittel (66%), die glauben, dass der freie Bezug von Ferientagen klappen kann. In der Altersgruppe der 60- bis 65-Jährigen können sich hingegen weniger als die Hälfte (49%) für das Modell erwärmen.

Eine Woche mehr Ferien im Flatrate-Modell
In den USA hat das Internet-Unternehmen Kickstarter die unlimitierten Ferientage bereits wieder gestrichen. Nicht etwa, weil die Mitarbeitenden ständig weg waren, sondern weil sie dank der Regelung zu wenig Ferien gemacht haben. Schweizer Arbeitnehmende scheinen indes gewillt, die Vorzüge einer Ferien-Flatrate auszukosten. Könnten Arbeitnehmende tatsächlich frei bestimmen, so würden sie im Durchschnitt 30,5 Tage pro Jahr Ferien nehmen. Das ist deutlich mehr als der heutige Durchschnittswert von 25,5 Tagen, den das Bundesamt für Statistik veröffentlicht hat. Die durchschnittliche Anzahl geplanter Ferientage im Flatrate-Modell ist über alle Hierarchiestufen recht konstant, vom einfachen Angestellten bis zur Unternehmensleitung. Vielleicht hätten die Befragten auch noch herzhafter zugegriffen, hätte es da in der Fragestellung nicht noch zwei Anforderungen gegeben: Durch den Umfang der genommenen Ferientage sollte keine Arbeit liegen bleiben und die Kolleginnen und Kollegen sollten durch die Abwesenheit nicht über Gebühr belastet werden.

XING Schweiz Geschäftsführer Yves Schneuwly sagt zu den Studienergebnissen: «Die freie Gestaltung der Arbeitszeiten ist heute für viele Arbeitnehmende ein wichtiger Faktor, der es ihnen erlaubt, Berufsleben und Privates in Einklang zu bringen. Der uneingeschränkte Bezug von Ferientagen kann als Fortführung dieses Gedankens gesehen werden. Das Fehlen klarer Regeln überträgt aber auch zusätzliche Verantwortung auf die Arbeitnehmenden, was belastend wirken kann. Eine Ferien-Flatrate setzt deshalb eine durch Vertrauen und Kollaboration geprägte Unternehmenskultur voraus.»

In den Ferien erreichbar: Jüngere können sich besser abgrenzen
Zwar ist gemäss den Resultaten nur knapp jeder Zehnte (9%) in seinen Ferien ständig erreichbar. 21% sagen, dass sie manchmal erreichbar sind und knapp die Hälfte (45%) kann in Ausnahmefällen kontaktiert werden. Ob man in den Ferien tatsächlich gestört wird, hängt also oft davon ab, was Kollegen, Vorgesetzte und Kunden als Ausnahmefall betrachten. Nur 26% melden sich vollständig ab und sind in den Ferien gar nicht erreichbar. Jüngeren Berufstätigen scheint es einfacher zu fallen, sich für ein paar Tage oder Wochen komplett vom Job zu lösen: Bei den 18- bis 24-Jährigen ist es rund ein Drittel (34%) der angibt, in den Ferien gar nicht erreichbar zu sein.

Wenn einer eine Reise tut – so gibt’s noch was zu erledigen
Bevor es in die Ferien geht, gibt es meist noch Einiges zu erledigen. Folgende Aufgaben vor den Ferien finden die Befragten besonders herausfordernd: Möglichst viele Arbeiten noch abschliessen, damit nichts liegen bleibt (finden 40%), die Abstimmung der Urlaubstage mit Kolleginnen und Kollegen (24%), die Übergabe offener Arbeiten an Kolleginnen und Kollegen (20%) und das Informieren von Kunden und Ansprechpersonen über die Abwesenheit (9%). (XING Schweiz/mc/ps)

Über die Studie
Die Befragung wurde 2018 vom Markt- und Meinungsforschungsunternehmen Marketagent.com im Auftrag von XING Schweiz mittels Computer Assisted Web Interviews (CAWI) durchgeführt. Befragt wurden n=1’036 web-aktive Arbeitnehmende in der Deutschschweiz im Alter zwischen 18 und 65 Jahren. Die Auswahl der Umfrageteilnehmer erfolgte über ein quotengesteuertes Zufallsverfahren. Die Resultate der Studie sind für Arbeitnehmende in der Deutschschweiz repräsentativ.

Empfehlungen für eine erfolgreiche Ferien-Flatrate
Mit Bezug auf unbegrenzte Ferien hat XING Schweiz folgende Tipps für Arbeitnehmende und Arbeitgeber parat.

Für Arbeitnehmende:

  • Nicht zu hart mit sich sein: Erfahrungen mit dem Modell der unbegrenzten Ferien zeigen, dass Arbeitnehmende mitunter zu wenig Urlaub machen. Deshalb sollten sich Mitarbeitende nicht selbst unter Druck setzen und sich ruhig eingestehen, wenn sie eine Auszeit nötig haben. Falls sie unsicher sind, so können sie sich immer noch grob an der in ihrer Branche üblichen Anzahl Ferientage orientieren.
  • Als Team denken: Eine Ferien-Flatrate erfordert von den Arbeitnehmenden mehr Mitdenken. Im Idealfall können sich alle Mitarbeitenden entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen erholen – und die Unternehmensziele werden auch erreicht. Damit das klappt ist ein offener Dialog und gute Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen nötig.
  • Probleme offen ansprechen: Eine Mitarbeiterin leistet den ganzen Winter Überstunden, weil der Kollege seine Ski-Technik perfektionieren will? Ganz klar, die Ferien-Flatrate birgt auch Konfliktpotenzial. Deshalb: Probleme sollen möglichst früh und offen angesprochen werden.

Für Arbeitgeber:

  • Die richtigen Rahmenbedingungen schaffen: Sind die Mitarbeitenden unter Dauerstress, so wird sich kaum einer von ihnen getrauen, ausreichend Ferien zu machen. Damit die Ferien-Flatrate funktionieren kann, müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden auch die Chance geben, mit gutem Gewissen in Urlaub gehen zu können.
  • Den Gemeinschaftssinn fördern: Unbegrenzte Ferientage sind auch ein soziales Experiment. Nur wenn die einzelnen Mitarbeitenden als Gruppe denken und ihre individuellen Ferienpläne in den grösseren Kontext stellen können, erhalten am Ende alle die Erholung, die sie benötigen.
  • Die richtigen Planungs-Tools zur Verfügung stellen: Unbegrenzte Ferien erfordern zusätzliche Abstimmung und Planung. Gerade ohne fixes Ferienkonto ist es wichtig, den Mitarbeitenden entsprechende Tools zur Verfügung zu stellen, damit der Betrieb nicht unnötig leidet.

XING Schweiz

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