Das Büro der Zukunft ist flexibel und vernetzt – aber Vorgesetzte sind noch zu wenig Vorbild

Das Büro der Zukunft ist flexibel und vernetzt – aber Vorgesetzte sind noch zu wenig Vorbild
Matthias Thalmann, Partner für den Bereich Human Capital bei Deloitte Schweiz. (Foto: Deloitte)

Zürich – Bereits knapp ein Viertel der Bürobeschäftigten in der Schweiz muss sich morgens zuerst einen Arbeitsplatz suchen. Und zwei Drittel arbeiten zumindest gelegentlich bereits auswärts. Die zunehmende Flexibilität in Schweizer Büros ist eine Reaktion auf sich verändernde Arbeitswelten, die immer wissensintensiver, kreativer und vernetzter werden. Noch sind die Arbeitsumgebung, die technologischen Hilfsmittel und vor allem die Unternehmenskultur aber nicht genügend aufeinander abgestimmt.

Neue Technologien, die zunehmende Globalisierung und die Anforderungen der jungen Arbeitskräfte treiben den Wandel der Arbeitswelt und die Art und Weise der Zusammenarbeit rasch voran. Damit zusammenhängend haben sich ganze Branchen, Berufe, Tätigkeitsfelder und dafür benötigte Kompetenzen grundlegend verändert.

«Ändert sich die Arbeitswelt, muss sich auch der Arbeitsplatz ändern», erklärt Matthias Thalmann, Partner für den Bereich Human Capital bei Deloitte Schweiz. «Die Mehrheit der Schweizer Beschäftigten ist heute auf digitale Technologien angewiesen und geht vorwiegend wissensintensiven und kreativen Tätigkeiten nach, die ein hohes Mass an Interaktion erfordern. Die Bürolandschaft von morgen, die diesen Eigenschaften Rechnung trägt, muss auf Flexibilität, Zusammenarbeit und Austausch ausgerichtet sein.»

Das Beratungsunternehmen Deloitte hat 1000 Büroangestellte in der Schweiz dazu befragt, wie diese Entwicklungen heute konkret im Alltag abgebildet sind. Die Befragten verbringen mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit vor einem Computer. Zwei Drittel von ihnen sind nicht mehr fix an die Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers gebunden. 40 Prozent arbeiten mindestens einen Tag pro Woche zuhause oder an einem anderen Ort, wie etwa einem Coworking-Space.

Mehrheit noch mit festem Arbeitsplatz
Obwohl in Unternehmen in der Schweiz agile und flexible Arbeitskonzepte wie Home-Office oder das flexible Teilen der Büroarbeitsplätze (so genanntes Hotdesking) salonfähig werden, ist die grosse Mehrheit (77%) der Schweizer Beschäftigten nach wie vor fest einem Arbeitsplatz zugewiesen. Deutlich flexibler ist hingegen die Zeiteinteilung: 72 Prozent können ihre Präsenzzeit im Büro weitgehend frei gestalten und nur 9 Prozent geben an, sich an starre Arbeitszeiten halten zu müssen.

Nur noch ein Drittel der im Büro Beschäftigten arbeitet jeden Tag fix im Büro des Arbeitgebers. Die Mehrheit kann also regelmässig ortsungebunden arbeiten. Es bestehen aber grosse Unterschiede: 28 Prozent tun dies weniger als einen Tag pro Woche, 12 Prozent genau einen Tag pro Woche und über ein Viertel (27%) arbeitet mehr als einen Tag pro Woche nicht im Büro des Arbeitgebers.

Wenn die Mitarbeitenden häufiger auswärts arbeiten und im Büro Hotdesking eingeführt wird, lässt sich die Zahl der fixen Arbeitsplätze senken. Dies schafft Raum für spezielle Zonen zum konzentrierten Arbeiten, zum Austausch oder zum Ausruhen. Sorgfältig geplante und umgesetzte Massnahmen fördern die bereichsübergreifende Zusammenarbeit und die Mitarbeiterzufriedenheit.

«Viele Schweizer Unternehmen ignorieren notwendige Anpassungen der Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitsmodelle und verlieren dadurch Geld und Mitarbeitende», ist Matthias Thalmann überzeugt. «Wenn sie auch in Zukunft produktive, kreative und motivierte Mitarbeitende haben wollen, müssen sie unabhängig vom Arbeitsort und -platz ein innovatives und inspirierendes Arbeitsumfeld bereitstellen. Um die hohen Anforderungen der jungen Mitarbeitenden nach mehr Flexibilität und den Wunsch nach Sicherheit und Orientierung der älteren Belegschaft unter einen Hut zu bringen, braucht es intelligente und strategisch abgestützte Konzepte.»

Deutlicher Aufholbedarf bei der Technologie
Bei der von Unternehmen zur Verfügung gestellten Hardware ist das Verbesserungspotenzial gross. Nur knapp die Hälfte (47%) hat einen Laptop vom Arbeitgeber erhalten, der mobiles Arbeiten ermöglicht. 11 Prozent haben nur ein Smartphone oder Tablet. Insgesamt 42 Prozent aller befragten Beschäftigten bekommen von ihrem Arbeitgeber gar kein digitales Gerät bereitgestellt, das ihnen erlaubt mobil zu arbeiten und auf die Unternehmensdaten zuzugreifen. Gerade mal etwas mehr als die Hälfte (53%) nutzt Chats oder Instant Messaging, 39 Prozent verwenden ein modernes Dokumentenmanagement und 36 Prozent können Videokonferenzen durchführen. Knapp ein Drittel der Unternehmen wenden aber gar keine modernen Kollaborationslösungen an.

Neue Unternehmenskultur und weniger Regulierung
Ein agiles und modernes Arbeitsplatzkonzept kann nur dann richtig funktionieren und sich positiv auf die Leistung und Zufriedenheit der Mitarbeitenden auswirken, wenn dieses auch verständlich kommuniziert und strategisch abgestützt ist. Viele Schweizer Unternehmen scheinen dieses Thema noch nicht angepackt zu haben, wie eine andere Deloitte-Umfrage bei HR-Verantwortlichen bereits zeigt. Die aktuelle Studie bestätigt dies: Nur 39 Prozent geben an, dass es in ihrem Unternehmen Richtlinien für flexibles Arbeiten gibt. Allerdings zeigen sich deutliche Unterschiede je nach Unternehmensgrösse: Bei Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden liegt der Anteil bei 55 Prozent, bei denen mit weniger als 50 Mitarbeitenden lediglich bei 24 Prozent.

Noch eindrücklicher: Während flexible Arbeitszeiten von mehr als der Hälfte (56%) der Vorgesetzten unterstützt werden, befürwortet nur ein Drittel der Vorgesetzten der Befragten flexible Arbeitsorte wie etwa Home-Office oder Coworking-Spaces. Vor dem Hintergrund einer offenen und modernen Unternehmenskultur ist es wichtig, dass Vorgesetzte flexibles Arbeiten nicht nur unterstützen, sondern auch vorleben und mit gutem Beispiel vorangehen. Ganze 38 Prozent geben aber an, dass ihre Vorgesetzten flexibles Arbeiten in keiner Weise vorleben würden.

«Die Raumkonzeption, das Arbeitsortkonzept und die Technologie können noch so ausgereift sein – letztlich kann sich deren Wirkung nur vollständig entfalten, wenn die Unternehmenskultur aktiv angepasst wird und sich die Einstellungen der Mitarbeitenden und Führungskräfte entsprechend ändern», so Luc Zobrist, Ökonom bei Deloitte Schweiz und Co-Autor der Studie. «Unternehmen, die nur die Kostensenkung in den Vordergrund stellen und die Mitarbeiterzufriedenheit ignorieren, werden eine nachhaltige Umgestaltung des Arbeitsplatzes nicht erfolgreich bewerkstelligen.»

Nicht zu vergessen ist auch der gesetzliche Rahmen in der Schweiz. Neben flexiblen Arbeitsplätzen und -formen, moderner Technologie und einer vertrauensvollen Unternehmenskultur braucht es auch ein Entgegenkommen des Gesetzgebers: «Unser Arbeitsgesetz stammt noch aus dem Industriezeitalter und müsste für das digitale Zeitalter entsprechend angepasst werden.», erläutert Zobrist. (Deloitte/mc/ps)

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