Renato Fasciati, CEO Rhätische Bahn, im Interview

Renato Fasciati, CEO Rhätische Bahn, im Interview
Renato Fasciati, CEO Rhätische Bahn. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Fasciati, die Rhätische Bahn hat im vergangenen Jahr einen Gewinn von 1,2 Mio Franken erwirtschaftet und sowohl im Personen- wie auch im Güterverkehr und beim Autoverlad deutlich zugelegt. Gehen Sie für 2018 von einer ähnlichen Entwicklung aus?

Roberto Fasciati: Für 2018 erwartet die RhB keine wesentlichen Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld. Trotz dem kräftigen Wachstum der letzten zwei Jahre wird nochmals eine leichte Steigerung erwartet. Das Ergebnis wird sich per Jahresende voraussichtlich auf Vorjahresniveau einstellen.

Welche Entwicklungen waren im Personenverkehr bei den ausländischen Gästen zu verzeichnen?

Die Entwicklung der europäischen Märkte blieb aufgrund der starken Verschiebung vom Gruppen- zum Einzelreisegeschäft verhalten. Italien bildete mit über zehn Prozent Wachstum im Vergleich zum Vorjahr die Ausnahme. Die Fernmärkte legten erneut stark zu. China, Indien, Korea und Südostasien verzeichneten Rekordwerte, während Japan stabil blieb. Um das Potenzial des südostasiatischen Raumes weiter auszuschöpfen, ist die RhB seit dem 1. Januar 2018 mit einer Sales-Repräsentanz in Singapur und Kuala Lumpur vertreten.

«China, Indien, Korea und Südostasien verzeichneten Rekordwerte, während Japan stabil blieb.»
Renato Fasciati, CEO Rhätische Bahn 

Die Strecken der Rhätischen Bahn haben weltweite Ausstrahlung. Wie wollen Sie die ausländischen Gäste in den kommenden Jahr ansprechen?

Die Brands «Bernina-Express» und «Glacier-Express» sowie das «UNESCO Welterbe Albula / Bernina» sind weltweit bekannt. Dies hilft uns in den verschiedenen Märkten, die nötige Wahrnehmung für unsere Angebote zu bekommen und weiter zu stärken. Grundsätzlich setzen wir in der Marktbearbeitung auf einen Mix aus Bewährtem und Innovation – Aktivierung des Binnenmarkts (v.a. CH-Tagesausflügler) und Gruppenbusiness Europa und Übersee (v.a. Deutschland, Italien, Japan u.a.) – Erschliessung neuer Märkte (v.a. Asien: China, Indien – Europa: Tschechien, Polen).

Konkret geht es um das konsequente und kreative bespielen von Kanäle mit relevantem Content – Inspiration und Verkauf elegant verknüpft und die Schaffung neuer Schnittstellen im Verkaufsprozess, um weiter an Reichweite zu gewinnen. Des weiteren setzen wir auf die sprichwörtliche «Hohe Schweizer Qualität», indem wir in modernes neues Rollmaterial investieren und den Komfort der bestehenden Flotte laufend verbessern, sowie unsere Produkte generell laufend optimieren und verbessern.

Die Bündner Regierung gewährt der Rhätischen Bahn einen Betrag von 900’000 Franken für das Projekt «Landwasserviadukt – Wahrzeichen Graubündens». Das Viadukt soll als Leuchtturm der RhB und des Bündner Tourismus inszeniert werden. Was sieht die Planung vor?

Die mit Exponenten aus der Region, der Politik, dem Tourismus, dem Parc Ela und der RhB erarbeitete Konzeptidee sieht vor, dass das Gebiet zwischen Surava – Alvaneu – Filisur – Bergün und der Station Davos-Wiesen zu einem integralen Erlebnisraum zusammenwachsen und als Sommer-Ausflugsort positioniert und vermarktet werden soll. Die in Zusammenarbeit mit GRF erstellte Benchmark- und Potentialanalyse hat ergeben, dass mit rund 80 000 bis 100 000 Besuchern pro Jahr gerechnet werden darf. Diese Zahlen sind jedoch nur zu erreichen, wenn ein erlebnis- und abwechslungsreicher Ausflugsort geschaffen wird. Hauptziel des Projektes ist es, authentische Themen zu inszenieren und diese den Gästen attraktiv zugänglich zu machen. Darauf basierend wurden im Rahmen des Vorprojektes die Themenfelder Bahn und Natur definiert. So könnte beispielsweise das Thema RhB mit dem Wahrzeichen Landwasserviadukt mittels eines neuen Touristenzuges und einer Haltestelle bei der Aussichtsplattform bei Schmitten erlebbar gemacht werden.

Anlässlich des des Jubiläums «10 Jahre UNESCO Welterbe RhB» wurde der neue RhB Club lanciert. Welche Idee verfolgen Sie damit?

Die RhB ist ein «Love Brand», eine Herzensangelegenheit. Für unsere Gäste, die sich immer wieder auf unseren 384 Kilometern Streckennetz bewegen – sei es als Pendler, als Freizeitgäste und natürlich für Touristinnen und Touristen aus aller Welt. Und wie der HCD seinen treuen Fanclub hat, wie Airlines ihr Kundenbindungsprogramm pflegen, wie Hotels an ihre Stammgäste denken, so wollen wir es auch bei der RhB künftig halten. Und zwar nicht einfach als plumpe Kopie, sondern eigenständig, faszinierend anders eben.

Der neue RhB Club schafft Mehrwerte – für jene, die mit dabei sind. Er liefert jährliche Geschenke, Sonderangebote, Anlässe, Hintergründe, die man nur erfährt, wenn man mit dabei ist. Und er will unsere Club-Mitglieder auch zu Botschaftern und Kommunikatoren machen. Sie bestimmen den Kurs, sie liefern Inhalte, sie steuern die Kadenz. Das ist modernes Marketing, das ist aber auch ein Dankeschön an unsere treuesten Freunde in aller Welt.

Insgesamt hat die RhB im letzten Jahr 228 Mio Franken investiert. In welche Projekte flossen die Investitionen hauptsächlich?

In der Sparte Infrastruktur wurde für den Substanzerhalt und die dringend notwendige Erneuerung der Infrastruktur mit rund 184 Millionen Franken der Spitzenwert des letzten Jahres (182 Millionen) noch leicht übertroffen. Darin enthalten ist das Grossprojekt «Neubau Albulatunnel», auf welches mit 46 Millionen Franken praktisch gleich viel Mittel wie im Vorjahr entfielen sowie neue Doppelspurabschnitte. Für die Instandhaltung und die Beschaffung von Rollmaterial, unter anderem für die Alvra-Gliederzüge und die neuen Steuerwagen, wurden insgesamt 36 Millionen Franken aufgewendet.

«Der Erneuerungs- und Modernisierungsbedarf im Bereich Infrastruktur betrifft das ganze 384 km lange Streckennetz der RhB, das vor über 100 Jahren in einem relativ kurzen Zeithorizont von 20 Jahren gebaut worden ist.» 

Die RhB befindet sich in einer Phase der tiefgreifenden Modernisierung. Wird das Investitionsniveau entsprechend hoch bleiben?

Der Investitionsbedarf der RhB bleibt auf absehbare Zeit hoch, und zwar sowohl im Bereich Infrastruktur also auch Rollmaterial. Der Erneuerungs- und Modernisierungsbedarf im Bereich Infrastruktur betrifft das ganze 384 km lange Streckennetz der RhB, das vor über 100 Jahren in einem relativ kurzen Zeithorizont von 20 Jahren gebaut worden ist. Seit einigen Jahren werden gemäss detaillierter Zustandserfassung die nötigen Erneuerungsinvestitionen bei Kunstbauten (Tunnel, Galerien, Viadukte, usw.), Fahrbahn (Gleise, Weichen), Bahnstromanlagen, Sicherungs- und elektrotechnischen Anlagen, Publikumsanlagen und Bahnhöfe ausgelöst. Es ist definitiv nötig, das nunmehr erreichte Niveau an Investitionsausgaben über mehrere Jahre halten zu können.

Das Gleiche findet auch im Bereich Rollmaterial statt. Die Modernisierung der Fahrzeugflotte ist voll am Laufen und so können die heutigen Anforderungen von Kunden, Technik und auch Gesetzen (Behindertengleichstellung, Sicherheit) eingehalten werden. Zusammen mit dem geplanten Angebotsausbau in Richtung Halbstundentakt kann sich die RhB nachhaltig als attraktives, zuverlässiges und effizientes Transportunternehmen präsentieren.

Am ersten 1. Januar 2018 hat die Glacier Express AG, an der die RhB und die Matterhorn Gotthard Bahn zu je 50 % beteiligt sind, die Geschäftstätigkeit offiziell aufgenommen. Welche Pläne können nun umgesetzt werden?

Mit der Gründung und Konstituierung der Glacier Express AG wurden Voraussetzungen geschaffen, den Glacier Express aus einer Hand vermarkten zu können. Es wurde eine kleine, schlagkräftige Organisationseinheit eingesetzt mit Kernkompetenzen im Online- und Offline-Vertrieb sowie Nutzung der digitalen Potenziale. Dies zeitigt erste Erfolge: Neben der Unternehmungsgründung haben es die drei Unternehmungen (Rhätische Bahn AG, Matterhorn Gotthard Bahn und Glacier Express AG) im 2017 geschafft, die Passagierzahlen auf dem Glacier Express um über 18% auf 220’797 zu steigern. Gründe dafür waren neben der generellen Erholung des Schweizer Tourismus und einer Zunahme der Gäste aus Übersee auch die ersten Massnahmen der Neuausrichtung. So beispielsweise die Einführung von «Kurzstrecken» und die einfachere Buchbarkeit des Glacier Express für Individualreisende. Mit dem Webshop auf www.glacierexpress.ch können ihre Bedürfnisse besser abgedeckt werden. Der Webshop ist seit dem Relaunch im November 2016 zu einem der wichtigsten Absatzkanäle geworden.

Mit der Lancierung der Excellence Class im Winter 2018/19, der Erneuerung des Rollmaterials bis 2020 und der seit Mai bereits umgesetzten neuen Nachmittagsverbindungen von Brig nach St. Moritz und von Chur nach Zermatt, sind weitere Entwicklungsschritte umgesetzt resp. in Bearbeitung. Auch die Halbjahreszahlen sind erfreulich: von Januar bis Juni 2018 waren die Fahrgastzahlen um nochmals 11% höher als im Vorjahr. Der Webshop verzeichnete monatlich ebenfalls ein Wachstum von 30 – 60%.

«Eine Auseinandersetzung mit der Digitalisierung ist für die RhB unerlässlich, auch um in Zukunft die nötige Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.»

Seit Mitte letzten Jahres steht die Ticket-App Fairtiq auf dem ganzen Netz der RhB zur Verfügung. Wie sind die Reaktionen?

Die Reaktionen sind sehr positiv, und die App läuft stabil. Mit einem Marktanteil gesamtschweizerisch von 80 % hat sie sich gegen verschiedene Konkurrenzprodukte durchgesetzt.

Der Verwaltungsrat hat Anfang des Jahres die Digitalisierungsstrategie genehmigt. Welche Ziele verfolgt diese?

Eine Auseinandersetzung mit der Digitalisierung ist für die RhB unerlässlich, auch um in Zukunft die nötige Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Unternehmen, welche sich diesem Trend widersetzen, werden langfristig auf der Strecke bleiben. Mit unserer Digitalisierungsstrategie verfolgen wir mehrere Ziele: Wir wollen näher bei den Kunden sein, unsere Servicequalität erhöhen, Prozesse optimieren und automatisieren sowie die Kommunikation und Zusammenarbeit verbessern. Wir haben in den letzten Jahren schon einige vielversprechende Digitalisierungsprojekte durchgeführt. Beispiele mit direktem Mehrwert für unsere Fahrgäste sind beispielsweise die Fairtiq, das Fahrgastinformationssystem PassengerTV oder das Fahrgastinformations- und Unterhaltungsprogramm «Info(t)rainment» im Bernina Express.

Die Digitalisierung wird auch im Prozessmanagement genutzt. So haben wir eine App für das betriebsinterne Innovations- und Verbesserungsmanagement eingeführt. Diese ermöglicht es unseren Mitarbeitenden, via mobilem Device Kundenrückmeldungen zu erfassen sowie eigene Beobachtungen und Wahrnehmungen der Bearbeitung und Erledigung zuzuführen. Ebenfalls wird das Störungsmanagement mittels App abgewickelt. Dies gibt allen Beteiligten eine bessere Übersicht, da bereichsübergreifend alle Massnahmen und Informationen zur Störungsbewältigung zentral erfasst und mobil abrufbar sind. Rollmaterialseitig wurde in den Systemwechsel beim Rollmaterialunterhalt investiert. Dieser kann dank Digitalisierung nun zustandsbasiert und nicht mehr nach starrem Arbeitsprogramm vorgenommen werden. Als weiteres Beispiel für die Digitalisierung ist die Ablösung des bisherigen Zugsicherungssystems zu nennen.

Herr Fasciati, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Renato Fasciati (Jg. 1975) ist seit dem 11. Juni 2016 CEO der Rhätischen Bahn.
Ausbildung:
Dr. oec. HSG
Berufliche Laufbahn:
Geschäftsführer zb Zentralbahn AG;
Leiter Unternehmensentwicklung SBB Cargo AG;
Projektleiter SBB Generalsekretariat
Tätigkeiten:
Verwaltungsratspräsident in den Unternehmen: RAILplus AG, Panoramic Gourmet AG; Vizepräsident Verwaltungsrat RailAway AG; Verwaltungsrat in den Unternehmen Glacier Express AG, Swiss Travel System AG; Präsident Verein UNESCO Welterbe RhB; Vorstandsmitglied VöV; Mitglied VöV-Kommission Touristischer Verkehr; Vorstandsmitglied LITRA; Vorstandsmitglied Graubünden Ferien; Stiftungsrat Wirtschaftsforum Graubünden; Vorstand ITG, Interessengemeinschaft Tourismus Graubünden; Mitglied Berghilferat; Mitglied Patronatskomitee Ballenberg

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