REYL Market Insight: Finanzwesen und Nachhaltigkeit – ein gemeinsamer Weg

REYL Market Insight: Finanzwesen und Nachhaltigkeit – ein gemeinsamer Weg
Von Florence Angles, Head of Risk Managment REYL & Cie. (Foto: REYL)

Die Schweiz mit ihrem qualitativ hochwertigen Finanzsektor könnte im Bereich Nachhaltigkeit ihren Wettbewerbsvorteil nutzen. Einige Schweizer Finanzinstitute stellen sich seit vielen Jahren auf eine nachhaltige Finanzierung ein. Dem Schweizer Nachhaltigkeitsbericht 2018 zufolge, sind diese Investments in der Schweiz von 33 Milliarden im Jahr 2007 auf 391 Milliarden im Jahr 2017 gestiegen.

Ist Wachstum nachhaltig? Spätestens in den 1970er-Jahren haben wir erkannt, dass wir in einer Welt begrenzter Ressourcen leben. Diese Rohstoffknappheit führt unweigerlich zu einem Verlust an Wirtschaftsdynamik, die nicht nur auf die newtonsche mechanistische Sichtweise reagiert, sondern ganz im Gegensatz dazu dem Gesetz der Entropie und insbesondere dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik folgt1. Daher kann Wachstum nur aufrechterhalten werden, wenn es das natürliche Kapital erhält und ökologische und soziale Dimensionen über seine wirtschaftliche Komponente hinaus integriert. Dieses Wachstum ist nichts anderes als die nachhaltige Entwicklung, d. h. „eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der Gegenwart entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“2.

Seit dem Brundtland-Bericht von 1987 und dem Weltgipfel von Rio 1992 ist die nachhaltige Entwicklung ein wichtiges Thema: Bis 2030 werden 380 Millionen neue Jobs geschaffen, was einem Wert von 12’000 Milliarden Dollar entspricht3. Für die Befürworter sowohl einer moderaten als auch einer konsequenten Nachhaltigkeit spielt Innovation eine zentrale Rolle und ist untrennbar mit der nachhaltigen Entwicklung verbunden. Diese auch als Öko-Innovationen bezeichnete nachhaltige Entwicklung ist ein strategischer Treiber für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und ermöglicht es ihnen, die Kosten zu senken, sich neue Wachstumsperspektiven zu erschliessen und über den Nachweis ihrer wirtschaftlichen Relevanz ihr Image gegenüber ihren Kunden zu verbessern. Die Nachhaltigkeit überschreitet geografische Grenzen und ist zu einem internationalen Phänomen geworden. Die Europäische Union stellte am 8. März 2018 ihren Aktionsplan zur Finanzierung des nachhaltigen Wachstums vor. Dieser Fahrplan verfolgt drei Ziele: Umlenkung der Kapitalströme hin zu einer nachhaltigeren, integralen Wirtschaft, Integration der Nachhaltigkeit in das Finanzrisikomanagement, Förderung von Transparenz und nachhaltigen Investitionen. Da Europa gegenüber seinen Zielen für 2030 ein jährliches Investitionsdefizit von fast 180 Milliarden Euro ausweist, will die Europäische Kommission den Finanzsektor grundlegend umgestalten, damit diese wichtige Stütze der wirtschaftlichen Entwicklung das Vorankommen der nachhaltigen Entwicklung fördert. Durch die Förderung der ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Governance) bei Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen vereinen sich Finanzwelt und Nachhaltigkeit und schaffen somit die sogenannte nachhaltige Finanzierung.

Diese nachhaltige Finanzierung fasst sozial verantwortliche Investments (SRI), grüne Investments, Solidarfinanzierung sowie, ganz allgemein, verantwortungsbewusste Investitionen zusammen. Das ist kein neues Phänomen. So ist SRI eine Bewegung, die in den USA auf Initiative von Glaubensgemeinschaften entstand, die bestrebt sind, bestimmte Sektoren wie Alkohol, Tabak und Glücksspiel von ihren Investitionen auszuschliessen. Die ersten Fonds dieser Art entstanden in den 1920er-Jahren und basierten auf einer sogenannten Negativselektion, bei der bestimmte, als unmoralisch geltende Sektoren ausgeschlossen wurden. Der berühmteste von ihnen, der Pioneer Fund, wurde 1927 in Boston aufgelegt. Durch die Krise von 1929 geriet diese „ethische“ Anlageform ins Hintertreffen, und erst im Laufe der 70er-Jahre lebte das Interesse für SRI vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs und des Watergate-Skandals wieder auf. Zu dieser Zeit wurde der erste SRI-Fonds mit dem „Best-in-Class“-Ansatz des Pax World Fund eingeführt, der darin besteht, alle Sektoren zu berücksichtigen und dabei den sozial verantwortlichen Unternehmen Vorrang einzuräumen. Dieser Ansatz zielte darauf ab, die finanzielle Performance mit ESG- bzw. mit nicht-finanziellen Kriterien zu kombinieren. In Europa, mit Ausnahme von Schweden, entwickelten sich derartige Investments erst Ende der 80er- und 90er-Jahre unter dem Einfluss des Brundtland-Berichts („Our Common Future“) und dem Aufkommen ökologischer Kriterien. Die Schweiz mit ihrem qualitativ hochwertigen Finanzsektor könnte in diesem Bereich ihren Wettbewerbsvorteil nutzen. Zunächst als Nischensektor betrachtet, haben sich einige Schweizer Finanzinstitute seit vielen Jahren auf eine nachhaltige Finanzierung eingestellt und warten geduldig auf eine stärkere Zuwendung privater und institutioneller Kunden zu diesen Investmentformen. Dem Schweizer Nachhaltigkeitsbericht 2018 zufolge, der von Swiss Sustainable Finance in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich erstellt wurde, sind in den letzten zehn Jahren die nachhaltigen Investments in der Schweiz stark angestiegen: von 33 Milliarden im Jahr 2007 auf 391 Milliarden im Jahr 2017, sie kamen zu 86% von institutionellen Anlegern und zu 14% von Privatanlegern. Bevorzugte Anlageklassen sind Aktien (28%), Immobilienanlagen (22%) und Staatsanleihen (17%).

Entwicklung nachhaltiger Anlagen in der Schweiz
(in Mrd. CHF)

Dieser Trend kann sich in Zukunft dank der zunehmenden Bedeutung der nachhaltigen Entwicklung und der steigenden Nachfrage seitens institutioneller Investoren nur verstärken. Der Finanzplatz Genf wird als weltweiter Hauptsitz für nachhaltige Finanzmärkte mit der Schaffung des FC4S-Sekretariats (Financial Centers for Sustainability) die Möglichkeit haben, seine Expertise auf diesem Gebiet unter Beweis zu stellen.

Nachhaltiges Finanzwesen ist somit ein internationales Phänomen. Es wird die Privatanleger jedoch nur dann überzeugen können, wenn es ein attraktives Rendite-Risiko-Verhältnis bietet, das demjenigen konventioneller Finanzprodukten mindestens ebenbürtig ist. Obwohl uns diesbezüglich noch keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen und die Datenlage in Bezug auf Konsistenz, Qualität, Abdeckung und Frequenz noch verbesserungsfähig ist, so hat BlackRock in einer aktuellen Studie dennoch darauf verwiesen, dass die ESG-Kriterien für die meisten Anlageklassen gelten können, ohne dabei an risikobereinigter Rendite einzubüssen.

Kein Opfer erforderlich?
Vergleich von traditionellen und ESG-fokussierten Benchmarks nach Regionen, 2012 – 2018

Ein wissenschaftlicher Bericht der Professoren Rajna Gibson Brandon und Philipp Krüger aus dem Jahr 2018 („The Sustainability Footprint of Institutional Investors“) in Zusammenarbeit mit dem Swiss Finance Institute und der Universität Genf unterstreicht, dass Nachhaltigkeit die Risiken reduziert und langfristig Ursprung höherer Renditen ist4. Nachhaltige Vermögensanlagen scheinen daher ebenso renditestark zu sein und sie berücksichtigen andere Dimensionen, die das Interesse engagierter Anleger wecken, die sich um ihre Umwelt und die Gesellschaft im Allgemeinen sorgen. Da die Abdeckung nachhaltiger Finanzprodukte bei den Anlageklassen und Regionen von Jahr zu Jahr weiter zunimmt, gewinnen sie im Anlageuniversum zunehmend an Bedeutung.

Die nachhaltige Entwicklung ist daher ein neues gesamtgesellschaftliches Projekt, das erhebliche finanzielle Mittel benötigt. Dies wird nur mit Unterstützung des Finanzsektors möglich sein. Inzwischen sind wichtige Initiativen angelaufen, um die Spielregeln des Finanzwesens zu ändern, um seine DNA zu modifizieren und das Konzept der Nachhaltigkeit in seine Gene einzuführen. Das nachhaltige Finanzwesen ist eine Antwort auf die jüngsten wirtschaftlichen und ökologischen Krisen und auch ein Weg, das allzu kurzfristige Profitstreben zu beenden. Durch das Fokussieren auf Prinzipien von Transparenz, Verantwortung und Nachhaltigkeit gewinnen die Banken das Vertrauen und Interesse der Kunden von heute und morgen. Bietet diese Entwicklung den Banken nicht die Gelegenheit, sich anzupassen und zu wandeln, um den Bedürfnissen ihres Ökosystems entgegenzukommen und so alle Interessengruppen im Sinne einer verantwortungsvollen Geschäftspolitik zu integrieren? (REYL/mc/ps)

1 Bezug auf die Arbeiten des Ökonomen Nicholas Georgescu-Roegen
2 Brundtland-Bericht von 1987, „Unsere gemeinsame Zukunft”, herausgegeben von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen
3 Bericht 2017 „Better Business, Better World“ der Business and Sustainable Development Commission, United Nations
4 Weitere Einzelheiten auf https://www.bafu.admin.ch/bafu/fr/home/themes/economie-consommation/dossiers/magazin2017-2-dossier/die-rendite-stimmt.html

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