Kapital oder Rente? Ein Entscheid mit markanten Folgen für das Einkommen im Alter

Zürich – Künftige Rentner müssen mit tieferen Altersleistungen aus der beruflichen Vorsorge rechnen. Die Frage nach der Form des Bezugs des Altersguthabens – ob es als Kapital oder über eine Rente bezogen werden soll – gewinnt auch deshalb zunehmend an Relevanz. Die heute veröffentlichte Studie der Credit Suisse zeigt, wie die einzelnen Optionen in Abhängigkeit von Umwandlungssatz, Renditeumfeld, Lebenserwartung und Steuerbelastung für die Versicherten aussehen. Die unwiderrufliche Entscheidung zwischen Kapital und Rente kann das im Alter zur Verfügung stehende Einkommen je nach Wohnort und Steuersituation markant beeinflussen.

Eine umfassende Reform des Vorsorgesystems lässt weiter auf sich warten. Pensionskassen nutzen deshalb den bestehenden Spielraum im überobligatorischen Bereich, um so weit wie möglich der neuen Realität von tiefen Zinsen und fortschreitender demografischer Alterung gerecht zu werden: Die Umwandlungssätze und die technischen Zinssätze sinken. Zudem übertragen die Pensionskassen vermehrt Anlage- und Langlebigkeitsrisiken auf die Versicherten, indem das Altersguthaben zumindest teilweise als Kapital bezogen werden muss. Manche Pensionskassen sehen vor, dass das für höhere Lohnbestandteile angesparte Altersguthaben bei der Pensionierung ausschliesslich als Kapital ausbezahlt wird.

1e-Vorsorgepläne bieten Pensionskassen neue Möglichkeiten zur Reduktion von Anlage- und Langlebigkeitsrisiken. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie die Bilanz von langfristigen Rentenverpflichtungen entlasten können. Bei diesen Plänen, die für die Lohnanteile über CHF 126’900 gelten, können Versicherte selbst ihre Anlagestrategie wählen und müssen keine systemwidrige Umverteilung zwischen Aktiven und Rentnern in Kauf nehmen. Dabei können die Versicherten von potentiell höheren Renditechancen profitieren. Im Gegensatz zu anderen Vorsorgelösungen trägt der Versicherte bei den 1e-Plänen das Anlagerisiko vollständig selber und erhält bei Pensionierung in der Regel das Kapital ausbezahlt. Nur jeder zehnte Versicherte erreicht aber die Einkommenshöhe und könnte in einem 1e-Plan ihres Arbeitgebers investieren.

Markus Stierli, Leiter Vorsorgelösungen der Credit Suisse: «Gezielte Anreize für die freiwillige Vorsorge in der 2. und 3. Säule und ein funktionierender Generationenvertrag sind als Basis für den weiteren Erfolg des Schweizer Vorsorgesystems notwendig. Die verstärkte Betonung der Eigenverantwortung in der beruflichen Vorsorge führt unweigerlich zu einem erhöhten Beratungsbedarf bei den Versicherten. Mehr denn je müssen Lücken in der Vorsorge früh thematisiert und adäquate Lösungen aufgezeigt werden.»

Knapp ein Drittel der Versicherten bezieht ganzes Altersguthaben in Kapitalform
Das Altersguthaben wird nach wie vor am häufigsten als monatliche Rente bezogen: Gemäss Daten des Bundesamts für Statistik wählt 2016 rund die Hälfte der Versicherten diese Option, Frauen etwas häufiger als Männer. Rund 31 % liessen sich das gesamte Altersguthaben auszahlen, weitere 18 % wählten eine Kombination aus beiden Varianten. Der durchschnittlich ausbezahlte Kapitalbetrag aus der beruflichen Vorsorge im Rahmen der Pensionierung – sowohl reine Kapitalbezüge als auch in Kombination mit einer Altersrente – liegt bei CHF 173’892, wobei Männer mit CHF 225’509 mehr als doppelt so viel beziehen wie Frauen mit CHF 100’689. Die Wahrscheinlichkeit eines Kapitalbezugs und die Höhe der bezogenen Kapitalleistungen steigen im Allgemeinen mit dem Bildungsniveau (vgl. Grafik 1). Zudem kommen Kapitalbezüge bei Schweizern (38 %) häufiger vor als bei Ausländern (30 %).

Bis anhin lässt sich keine klare Tendenz zu einem häufigeren Kapitalbezug ausmachen, obschon der durchschnittliche Kapitalbetrag pro Bezüger zugenommen hat. Es gab allerdings in der Vergangenheit Phasen, in denen sich die Kapitalbezüge häuften, was mit guten Börsenjahren zusammenzufallen schien. Aktuell beobachtet man wieder eine solche Tendenz. Bei weiter sinkenden Umwandlungssätzen und getrieben durch die Verbreitung von 1e-Vorsorgeplänen dürften Kapitalbezüge in Zukunft weiteren Auftrieb gewinnen.

Kapital vs. Rente – Das Einkommen im Alter variiert von Region zu Region erheblich
Was für einen Einfluss dieser Entscheid auf die im Alter zur Verfügung stehenden Mittel hat, zeigen die Ökonomen der Credit Suisse anhand von Beispielsszenarien auf. Zu diesem Zweck wurde für alle Gemeinden der Schweiz das resultierende Nettoeinkommen nach Steuern aus AHV-Rente, Altersrente und Kapitalbezug geschätzt, jeweils bei Umwandlung des gesamten Altersguthabens aus der zweiten Säule in eine Rente, bei vollständigem Kapitalbezug sowie bei Wahl einer Mischform (vgl. Grafik 2).

Aufgrund der regionalen Differenzen in der Belastung durch Einkommens-, Kapitalbezugs- und Vermögenssteuern hängt das Nettoeinkommen auch vom Wohnort ab. So resultiert im Beispielsszenario je nach Wohnort eine Differenz im jährlichen Nettoeinkommen von bis zu fast CHF 12’000 (vgl. Grafik 3). Auffallend ist auch, dass sich die steuerliche Attraktivität eines Standorts im Alter ändern kann: So positioniert sich insbesondere Genf bei den nach der Pensionierung in der Regel tieferen Einkommen deutlich attraktiver als für höhere Einkommen.

Die steuerlichen Differenzen führen auch dazu, dass der Entscheid Kapital vs. Rente nicht überall gleich ausfällt. Bei einem vollständigen Kapitalbezug kann die Steuerbelastung deutlich reduziert werden – es fallen zwar mehr Vermögenssteuern an, dies wird aber in der Regel durch die Reduktion der Einkommenssteuern überkompensiert. Für Personen mit einem hohen Altersguthaben sollte die Steuerbelastung bei der Entscheidung Kapital versus Rente auf alle Fälle miteinbezogen werden, insbesondere in Regionen mit hohen Einkommenssteuern. In der Stadt Zürich – steuerlich attraktiver als das Schweizer Mittel – ist ein reiner Rentenbezug z.B. bei einem Umwandlungssatz von 5,0 %, einer Rentendauer von 25 Jahren und einer erwarteten Rendite von 2 % finanziell in etwa gleich attraktiv wie ein reiner Kapitalbezug. In einer Region mit höherer Steuerbelastung, etwa in Neuenburg, kann das jährliche Nettoeinkommen im selben Fall bei Kapitalbezug bereits mehrere Tausend Franken höher ausfallen als im Falle des Rentenbezugs. Neben diesen finanziellen Aspekten gilt es die spezifische Familiensituation, erbrechtliche Aspekte, Gesundheit und Wohnverhältnisse zu berücksichtigen.

Neue Arbeitsmodelle führen zu Vorsorgelücken
Auch gesellschaftliche Veränderungen, wie die zunehmende Verbreitung von Teilzeitarbeit und anderen flexiblen Arbeitsformen wie temporäre Arbeitsverträge oder Freelancer-Tätigkeiten, stellen das Vorsorgesystem auf die Probe. Sie können für die Betroffenen zu Vorsorgelücken führen, weil Löhne unter der Eintrittsschwelle von CHF 21’150 in der obligatorischen beruflichen Vorsorge nicht versichert sind und zudem der Koordinationsabzug den versicherten Lohn verringert.

Wenn sich zum Beispiel der Arbeitseinstieg zwecks längerer Ausbildung um sechs Jahre verlängert, fällt das Altersvermögen bei der Pensionierung in den untersuchten Einkommensklassen (CHF 50’000–200’000) um ca. 8 % bis 10 % geringer aus, so die Analyse der Credit Suisse-Ökonomen. Ähnliche Auswirkungen hat eine sechsjährige Babypause. Weil die BVG-Beiträge von anfänglich 7 % mit 25 Jahren auf bis zu 18 % ab 55 Jahren ansteigen, führt ein Arbeitsunterbruch in einem späteren Stadium des Erwerbslebens zu höheren Einbussen. Im Vergleich zu einer ordentlichen Pensionierung macht eine Frühpensionierung um sechs Jahre eine Differenz von fast 30 % im Altersguthaben aus. (Credit Suisse/mc/ps)

Die Publikation «Berufliche Vorsorge: Kapital oder Rente?» ist im Internet in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch verfügbar unter:
credit-suisse.com/vorsorgestudie

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