Willi Miesch, CEO Medartis, im Interview

Willi Miesch, CEO Medartis, im Interview
Willi Miesch, ehemaliger Medartis-CEO. (Foto: Medartis)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Miesch, Medartis hat das erste Halbjahr als börsenkotiertes Unternehmen erfolgreich bestritten. Der Umsatz stieg gegenüber der Vorjahresperiode um 23%, alle Marktregionen und Geschäftssegmente trugen dazu bei. Was hat Sie besonders gefreut?

Willi Miesch: Erfreulich ist zum einen, dass wir dort weiter wachsen konnten, wo wir schon länger stark verankert sind – beispielsweise in Europa, unserer grössten Marktregion, und im Bereich der oberen Extremitäten mit unseren Produktlinien für Hand, Handgelenk und Ellenbogen. Zum anderen, und auch das hat mich sehr gefreut, sahen wir in neueren Märkten und im Bereich der unteren Extremitäten, unserem jüngsten Geschäftssegment, ein dynamisches Wachstum.

Medartis ist spezialisiert auf chirurgische Implantate für die Behandlung von Kleinknochenfrakturen in Armen, Beinen sowie im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich. Das grösste Geschäftssegment Obere Extremitäten verzeichnete eine Zunahme von 19 Prozent auf 43,5 Millionen Franken. Was kennzeichnete das Geschäft im jüngeren Geschäftssegment der untere Extremitäten?

Mit einem geschätzten Marktwachstum von rund 7% in den nächsten Jahren ist der Bereich der unteren Extremitäten der am stärksten wachsende Markt. Die Spezialisierung der Fuss- und Sprunggelenkschirurgie schreitet rasch voran. Wir bieten den Ärzten eine durchgängige Auswahl von anatomisch optimierten Verblockungsplatten für die Fixierung von Frakturen und für geplante Korrekturen von Fussfehlstellungen.

Sie wollen stärker als der Markt wachsen. Wird das auch im Gesamtjahr gelingen?

Wir sind zuversichtlich und erwarten für 2018 insgesamt ein Umsatzwachstum in Lokalwährungen im oberen Zehnprozentbereich.

Im März ist Medartis ein erfolgreicher IPO gelungen. Mit diesem ist das Unternehmen auch in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit gerückt. Was hat sich dadurch verändert?

Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist deutlich gestiegen. Dies hilft uns beispielsweise bei der Besetzung von Stellen. Wir sehen bereits, dass wir noch mehr Bewerbungen von hochqualifizierten Kandidatinnen und Kandidaten erhalten. Zudem hat sich die Kommunikation nach aussen durch die Regeln für börsenkotierte Unternehmen stark verändert. Im Alltag der meisten Mitarbeitenden sind diese Veränderungen allerdings kaum spürbar. Es ist mir auch wichtig, dass wir unsere bisherige starke Unternehmenskultur weiter pflegen – dass sich unsere Mitarbeitenden stark mit Medartis verbunden fühlen hat sich auch daran gezeigt, dass im Zuge des Börsengangs über zwei Drittel der Mitarbeitenden in Basel durch das IPO-Mitarbeiterbeteiligungsprogramm zu Miteigentümern geworden sind.

«Den Schlüssel, um in den USA unsere Position weiter zu stärken, sehen wir in der Fokussierung und Spezialisierung auf die Extremitäten.» 
Willi Miesch, CEO Medartis

Mit den Einnahmen durch den Börsengang wollen Sie vor allem auch in den Ausbau des Geschäfts in den USA investieren, wo der Marktanteil noch in einem kleinen Bereich liegt. Was macht den US-Markt besonders attraktiv und wie kann sich Medartis gegen Branchenriesen wie Johnson&Johnson oder Stryker behaupten?

Der US-Markt macht in den Extremitäten fast die Hälfte des Weltmarktes aus. Den Schlüssel, um dort unsere Position weiter zu stärken, sehen wir in der Fokussierung und Spezialisierung auf die Extremitäten. Entscheidend ist neben den Produkten und dem Service auch das Anbieten von hochstehenden Ausbildungsmöglichkeiten für Ärzte. Dazu arbeiten wir eng mit unserem wissenschaftlichen Partner IBRA zusammen, der beispielsweise in den USA vermehrt umfassende Ausbildungskurse anbietet.

Was zeichnet Ihre Produkte aus, wie unterscheiden sie sich von denjenigen der Konkurrenz?

Bevor wir auf dem Gebiet der Extremitäten gestartet sind, haben wir mit einem erfahrenen Team von Osteosynthesespezialisten eine neue Generation von Schlüsseltechnologien entwickelt, beispielsweise das System zur Verblockung der Schraubenköpfe in der Platte (TriLock®) oder neue Schraubengewindeformen. Diese Technologien sind in all unseren Implantaten enthalten und werden laufend weiterentwickelt. Bei der Entwicklung der Implantate arbeiten wir sehr eng mit erfahrenen Ärzten zusammen. Auf Grundlage dieser Kombination von ärztlichem Fachwissen und unserem langjährigen Know-how entstehen optimierte Implantate, welche die anatomischen Formen berücksichtigen und beispielsweise Weichteilirritationen verhindern.

«Diese Technologien sind in all unseren Implantaten enthalten und werden laufend weiterentwickelt. Bei der Entwicklung der Implantate arbeiten wir sehr eng mit erfahrenen Ärzten zusammen.»

Welches sind die grössten Wachstumstreiber für Ihre Produkte?

Die Bevölkerung wird älter und gleichzeitig aktiver. Vor kurzem habe ich gerade Röntgenbilder einer achtzigjährigen E-Bike-Fahrerin gesehen, welche nach einem schweren Sturz mit unseren Implantaten versorgt wurde und dadurch wieder in ihren gewohnten Alltag zurückkehren kann. Zudem schreitet die Spezialisierung in der Chirurgie für komplexere Problemstellungen voran, wodurch auch die Nachfrage nach spezialisierten Lösungen, wie Medartis sie anbietet, steigt.

Medartis verfügt über eine beeindruckende Innovationskraft. Wie viel investieren Sie in den Bereich Forschung und Entwicklung?

Wir setzen gut 10% des Umsatzes für Forschung und Entwicklung ein. Damit wollen wir unsere Rolle als Anbieter von marktführenden Innovationen in der Osteosynthese weiter stärken.

Abseits des Hauptgeschäfts war Medartis vor Jahren an einem ganz anderen Projekt beteiligt, der Entwicklung der damals revolutionären Skibindung von Skispringer Simon Ammann. Wie kam es dazu und engagiert sich Medartis auch heute noch in diesem Bereich?

Das Engagement beim Skispringen beruht auf einer Tradition der Familie Straumann. Daran anknüpfend und aus Freude am Sport hat Medartis ihr Know-how in Mechanik und Metallurgie in die Entwicklung dieser Skibindung eingebracht. Derzeit laufen bei uns aber keine weiteren Projekte auf diesem Gebiet.

Sie sind seit 20 Jahren CEO von Medartis und haben den Aufstieg von einer kleinen Firma zu einem nun börsenkotierten, weltweit tätigen Unternehmen mit über 500 Mitarbeitenden angeführt. Was würden Sie als faszinierendsten Teil Ihrer Arbeit bezeichnen?

Ich habe eine fantastische Aufgabe und schätze am meisten den Kontakt und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschen – mit unseren Mitarbeitenden, unseren Partnern, insbesondere den Chirurgen und neu auch unseren Investoren.

Herr Miesch, wir bedanken uns für das Interview.

Zur Person:

Willi Miesch, Schweizer (Jg 1964)

CEO (Chief Executive Officer)
Mitglied der Geschäftsleitung seit 1998
Mitglied des Verwaltungsrats seit 2010

Seit 1998 führt Willi Miesch als CEO das operative Geschäft der Medartis AG. Er ist zudem Verwaltungsratsmitglied der Gesellschaft, Vorstandsmitglied bei der International Bone Research Association (IBRA) und unabhängiges Verwaltungsratsmitglied bei Osiris Therapeutics Inc.. Als Mitglied des MTIP Investment Advisory Committe kann Willi Miesch sein fundiertes Know-how und seine umfassende Erfahrung im Medtech-Bereich bei der Beurteilung und Selektion von Medtech-Start-Up-Unternehmen einbringen.

Vor seinem Eintritt bei Medartis hatte er langjährige Leitungsfunktionen in den Produktionswerken der Institut Straumann AG Schweiz und USA inne und war mehrere Jahre als Produktionsleiter der Stratec Medical in Mezzovico, Tessin, tätig. In diesen Funktionen war er für den gesamten Produktionsablauf sowie für den Produktionsaufbau der Produktelinie Spine verantwortlich. Überdies war er mehrjährig als Mitglied der Geschäftsleitung mit Verantwortung für den gesamten technischen Bereich beim Fahrradhersteller Villiger tätig.

Seine Ausbildung als Feinmechaniker bei der Institut Straumann AG ergänzte Willi Miesch durch die Weiterbildung zum Betriebstechniker TS an der ABB Technikerschule Baden und durch ein Nachdiplomstudium für marktorientierte Unternehmensführung an der FHZ Fachhochschule Zentralschweiz.

Zum Unternehmen:
Medartis mit Sitz in Basel wurde 1997 gegründet und ist einer der weltweit führenden Hersteller von medizinischen Produkten für die Osteosynthese im Bereich der oberen und unteren Extremitäten und des Gesichtsschädels. Medartis beschäftigt über 500 Mitarbeitende an insgesamt 12 Standorten, und Medartis-Produkte werden weltweit in 52 Ländern angeboten.

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