Bundesrat sagt weder Ja noch Nein zum Rahmenabkommen

Bundesrat sagt weder Ja noch Nein zum Rahmenabkommen
(Bild: michaklootwijk - Fotolia)

Bern – Die Schweiz und die EU haben sich nicht auf ein institutionelles Rahmenabkommen geeinigt. Der Bundesrat stellt das Ergebnis trotzdem zur Diskussion. Er habe das Aussendepartement EDA beauftragt, die betroffenen Kreise zum Verhandlungsresultat zu konsultieren, heisst es in einer Mitteilung vom Freitag. Erst auf dieser Grundlage will der Bundesrat entscheiden, ob er das institutionelle Abkommen (Insta) unterzeichnen will.

Er betont, dass die EU nicht bereit ist, die Verhandlungen aufzuschieben oder zu sistieren. Institutionelle Verhandlungen in der Zukunft seien zwar nicht ausgeschlossen. Die EU brauche dafür aber ein neues Mandat. Neue Verhandlungen wären nicht vor Mitte 2020 möglich. Es bestehe keine Garantie, dass dann auf das bisher Erreichte aufgebaut werden könne.

Der Bundesrat erinnert auch an die Konsequenzen, die bei einem Abbruch drohen. Verhandlungen über ein Stromabkommen oder Abkommen in den Bereichen öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit wären nicht mehr möglich, schreibt er. Die EU will bekanntlich auch die Schweizer Börsenregulierung nicht als gleichwertig anerkennen. Zudem warnt der Bundesrat vor Rechtsunsicherheiten bei der Aktualisierung bestehender Marktzugangsabkommen.

Knacknuss Flankierende Massnahmen
Das Verhandlungsergebnis, das die Regierung am Freitag veröffentlicht hat, ist inhaltlich bereits weitgehend bekannt. Bekannt ist auch, in welchen Punkten sich die Parteien nicht einigen konnten. Der wichtigste ungelöste Streitpunkt betrifft die Flankierenden Massnahmen. Brüssel hält den Schweizer Lohnschutz für unverhältnismässig und verlangt, dass die Schweiz innerhalb von drei Jahren die EU-Regeln übernimmt. Doch diese schützen Löhne und Arbeitsbedingungen nicht gleich gut wie das Schweizer Recht.

Die EU hat sich gemäss Bundesrat bereit erklärt, gewisse Flankierende Massnahmen vertraglich abzusichern. Die Voranmeldefrist von acht Tagen für Dienstleistungserbringer aus der EU müsste auf vier Tage verkürzt werden. Zudem dürfte sie nur dort angewendet werden, wo das Missbrauchsrisiko besonders gross ist.

Garantiert würden auch die Kautionspflicht für Firmen, die in früheren Fällen finanziellen Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, sowie eine Dokumentationspflicht für Selbstständige. Ungelöst bleibt das Problem, dass mit der Übernahme von EU-Recht der Europäische Gerichtshof beim Schweizer Lohnschutz mitbestimmen könnte.

Unionsbürgerrichtlinie
Ein weiterer Streitpunkt ist die Unionsbürgerrichtline. Aus Sicht der EU gehört diese zur Personenfreizügigkeit und muss von der Schweiz übernommen werden. Der Bundesrat sieht dies anders. Problematisch sind seiner Ansicht nach der Ausbau der Sozialhilfeansprüche, die Ausweitung des Ausweisungsschutzes und das Daueraufenthaltsrecht ab fünf Jahren.

Die Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie wird im Entwurf nicht explizit ausgeschlossen. Damit könnte sie zum Streitfall für das Schiedsgericht werden. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Schweiz im ungünstigen Fall zur Übernahme der Unionsbürgerrichtline verpflichtet werden könnte. Der gleiche Mechanismus droht bei der Arbeitslosenentschädigung für Grenzgänger. Eine Missachtung des Schiedsspruchs hätte Ausgleichsmassnahmen zur Folge.

Umstritten waren auch die staatlichen Beihilfen. Die inhaltlichen Bestimmungen im Insta beschränken sich auf nicht direkt anwendbare Grundsätze. Lediglich im Luftverkehrsabkommen sind diese bereits angelegt und damit durchsetzbar. In künftigen Marktzugangsabkommen sollen hingegen materielle Bestimmungen aufgenommen werden. Die Schweiz und die EU überwachen die staatlichen Beihilfen eigenständig. Die Schweizer Modalitäten müssen aber jenen der EU gleichwertig sein.

Eingeschränkter Geltungsbereich
Geltungsbereich und die Grundzüge der institutionellen Mechanismen folgen den bekannten Eckwerten. Das institutionelle Abkommen Insta soll auf fünf bestehende Marktzugangsabkommen angewendet werden: Personenfreizügigkeit, Landverkehr, Luftverkehr, Abbau technischer Handelshemmnisse und Landwirtschaft. Zudem würde es für künftige Marktzugangsabkommen gelten, zum Beispiel für das Stromabkommen.

Für diese Abkommen legt das Insta Mechanismen für Rechtsentwicklung, Überwachung, Auslegung und Streitbeilegung fest. Gemäss dem Entwurf verpflichten sich die Schweiz und die EU, relevante EU-Rechtsentwicklungen in die Abkommen zu übernehmen. Das Referendumsrecht wird nicht eingeschränkt. Eine automatische Rechtsübernahme ist ausgeschlossen.

Das Abkommen sieht auch Ausnahmen von der Rechtsübernahme vor. Bestätigt werden Schweizer Sonderregelungen zu Nacht- und Sonntagsfahrverbot, zur 40-Tonnen-Limite, das Verbot von internationalen Tiertransporten auf der Strasse oder die Nicht-Exportierbarkeit gewisser Sozialversicherungsleistungen.

Neues Schiedsgericht
Die Schweiz und die EU legen die bilateralen Abkommen eigenständig aus. Sie sind auch für deren korrekte Anwendung auf ihrem Territorium verantwortlich. Allfällige Probleme werden in den Gemischten Ausschüssen diskutiert. Kann ein Streitfall nicht im Gemischten Ausschuss beigelegt werden, kann jede Partei die Einsetzung eines paritätischen Schiedsgerichts verlangen.

Die Schweiz und die EU ernennen je einen oder zwei Richter. Diese bestimmen dann einen weiteren, der als Vorsitzender fungiert. Fragen zur Auslegung oder Anwendung von EU-Recht legt das Schiedsgericht dem Europäischen Gerichtshof vor. Das Schiedsgericht legt den Streit gestützt auf dessen Auslegung bei. Der Entscheid des Schiedsgerichts ist verbindlich.

Setzt die Schweiz oder die EU ein Urteil nicht um, kann die andere Partei Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Diese müssen aber verhältnismässig sein. Bestehen diesbezüglich unterschiedliche Meinungen, kann ebenfalls das Schiedsgericht angerufen werden. (awp/mc/pg)

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