Ernest Loumaye, Gründer und CEO ObsEva, im Interview

Ernest Loumaye, Gründer und CEO ObsEva, im Interview
Ernest Loumaye, Gründer und VRP ObsEva. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Loumaye, Ihr Unternehmen ObsEva widmet sich der reproduktiven Gesundheit und Schwangerschaftstherapien von Frauen. Können Sie uns kurz erklären, was dahintersteckt?

Ernest Loumaye: Den Beschwerden von Frauen wird viel zu wenig Beachtung geschenkt. Weltweit sind Millionen von Frauen von Beschwerden betroffen, die ihre Fruchtbarkeit und Schwangerschaft beeinträchtigen. Die Beschwerden können ihre Lebensqualität, ihre Fähigkeit eine Schwangerschaft zu empfangen, und die Gesundheit von Neugeborenen beeinträchtigen. Diese Frauen sind von Infertilität, Endometriose, Gebärmutterfibroiden oder vorzeitiger Wehen betroffen.

Oder sie müssen sich, um den Kinderwunsch zu erfüllen, einer anspruchsvollen Behandlung mittels künstlicher Befruchtung unterziehen.

Wir sind der Ansicht, dass die Wirksamkeit der derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten begrenzt ist und mit klaren Sicherheits-, Sozial- und Kostenproblemen für Frauen, Babys und die Gesellschaft verbunden ist. Heute sind entweder keine Therapien verfügbar oder der Standard der Versorgung ist nahezu 40 Jahre alt. Unser Ziel ist es, im Bereich Frauengesundheit innovative Behandlungen anzubieten, welche die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit verbessern.

Die drei Medikamentenkandidaten von ObsEva sind in Indikationen von ungemein hoher Prävalenz unterwegs, aber noch einige Meter von den Startlöchern einer Marktzulassung entfernt. Wie weit?

Wir sind in der attraktiven Position, dass wir über eine umfassende Pipeline mit drei potenziellen Best-in-Class-Kandidaten im Spätstadium verfügen. Zwei unserer Produktkandidaten sind First-in-Class und haben kein Äquivalent am Markt. Das dritte Produkt, so sind wir überzeugt, ist den bestehenden Behandlungen überlegen, da es weniger Nebenwirkungen verursacht und eine orale Anwendung ermöglicht. Am weitesten fortgeschritten ist Nolasiban, welches das Potenzial hat, die Erfolgsraten von IVF-Behandlungen zu verbessern und sicherer zu gestalten. Wenn alles nach Plan läuft, kann Nolasiban möglicherweise bereits Ende 2020 auf den Markt kommen. Unser zweites Produkt Linzagolix, das zur Verringerung der Symptome im Zusammenhang mit Gebärmutterfibroiden entwickelt wurde, könnte 2021/22 folgen, und das Produkt zur Behandlung von Endometriose etwas später. Zudem haben wir noch ein Produkt in der Entwicklung, welches die Gebärmutterkontraktionen stoppt, wenn diese zu früh in der Schwangerschaft auftreten, was zu einer vorzeitigen Geburt führen kann. Dieses Produkt befindet sich jedoch noch in einem frühen Stadium.

«Das solide Fundament ermöglicht es uns, die Entwicklung von ObsEva und unseren Produkten bis weit in das erste Halbjahr 2020 zu finanzieren.»
Ernest Loumaye, Gründer und CEO ObsEva

Ihre Barmittel halten etwa noch zwei Jahre. Ist das genug für ObsEva und was kommt dann?

Bisher haben wir insgesamt 328 Millionen Dollar beschaffen können, und gegenwärtig verfügen wir noch über etwas mehr als 150 Millionen Dollar in cash. Dies ist ein solides Fundament und ermöglicht es uns, die Entwicklung von ObsEva und unseren Produkten bis weit in das erste Halbjahr 2020 zu finanzieren.

Im Augenblick laufen bei ObsEva fünf grosse klinische Studien parallel. Linzagolix, Ihr Medikament gegen Endometriose und weitere Gebährmutterwucherungen führt zu einer deutlichen Schmerzreduktion bei mindestens drei von vier Patientinnen. Wie verlässlich ist das durch die Patienten selbst angewendete Rating-System von 0 bis 3?

Das Rating-System ist ziemlich zuverlässig. Das Bewertungssystem wurde nach empfohlenen Standards validiert, und die Schmerzreduktion wurde mit der Verbesserung des Wohlbefindens des Patienten korreliert. Gemessen wurde mit spezifischen und geeigneten Instrumenten.

Die von ObsEva veröffentlichten klinischen Daten sind sehr vielversprechend. Allein Linzagolix hat hervorragende Chancen, zugelassen zu werden. Für die Behandlung, der durch die Endometriose verursachten Symptome, wird Linzagolix aber weiter mit der klassischen Laparoskopie konkurrieren, oder?

Die Symptome der Endometriose beginnen meist in der Pubertät und dauern bis in die Wechseljahre. Die Frau muss mehr als 30 Jahre mit den Bedingungen leben, und es gibt keine Heilung. Oftmals wird deshalb operiert, aber die Chirurgie hat viele Einschränkungen und kann aufgrund der Invasivität nicht zu oft wiederholt werden. Es ist gut dokumentiert, dass ein bedeutender Teil der Patienten, die wegen Endometriose operiert wurden, innerhalb von 5 Jahren nach der Operation wiederkehrende Symptome aufweisen. Daher ist eine effektivere und besser verträgliche medizinische Behandlung erforderlich. Linzagolix könnte hier einen wesentlichen Beitrag leisten.

Kann Linzagolix gerade bei älteren Patientinnen, die Hysterektomie-Rate (Entfernung der Gebährmutter, A.d.R.) wesentlich senken?

Ja, wir denken schon. Viele Myome werden im Alter von 40 bis 50 Jahren symptomatisch und äussern sich über meist starke und verlängerte Menstruationsblutungen. Die Symptome werden nach der Menopause oft spontan besser. Weshalb also eine Hysterektomie durchführen, die einen grossen chirurgischen Eingriff darstellt, wenn die Symptome durch eine medizinische Behandlung für ein paar Jahre kontrolliert werden können?

Wieso kam es bei den rund 1500 Versuchsteilnehmern so gut wie nie zu Nebenwirkungen?

Bei klinischen Studien werden immer Nebenwirkungen festgestellt. Bis dato wurden in der Studie jedoch keine festgestellt, die von Belang wären.

Das Umsatzpotenzial für die ObsEva-Produkte liegt sicher über einer Milliarde. Ist es da nicht schade, dass Sie für Linzagolix nicht auch die Lizenz für den asiatischen Markt haben?

Wir besitzen für Linzagolix eine exklusive Lizenz für die ganze Welt, mit Ausnahme von Asien, wo unser Partner Kissei das Medikament entwickelt. Das Marktpotenzial in den USA und der EU ist jedoch bereits sehr gross. Bei Nolasiban und auch für das Medikament Preterm Labor (OBE022) halten wir aber exklusiv weltweite Rechte.

Wenn der Patentschutz für die beiden konkurrierenden GnRH-Antagonisten Orilissa und Relugolix in rund zehn Jahren ausläuft, besteht dann für Linzagolix freie Fahrt oder dürfte dann das Terrain gleich von Generika besetzt werden?

Wir geben grundsätzlich keine Kommentare zu anderen Patenten ab, gehen aber davon aus, dass unsere Mitbewerber nicht nur über einen Patentschutz für Orilissa und Relugolix verfügen, sondern auch noch über zusätzliche Patentfamilien.

«Unfruchtbarkeit stellt ein einschneidendes Ereignis für die betroffenen Paare dar, mit emotionalen, sozialen, wirtschaftlichen und psychologischen Konsequenzen.»

Als ehemaliger Serono-Mann haben Sie zwei Moleküle von Ihrem ehemaligen Arbeitgeber für ObsEva einlizensiert. Nolasiban verbessert die relative Schwangerschaftsrate beim Embryotransfer um ein Viertel. Das ist vor dem Hintergrund der hohen emotionalen und materiellen Kosten der In-Vitro-Befruchtung beachtlich. Welches Marktpotential sehen Sie?

Unfruchtbarkeit stellt ein einschneidendes Ereignis für die betroffenen Paare dar, das emotionale, soziale, wirtschaftliche und psychologische Konsequenzen hat. Bis heute gibt es keine zugelassene Therapie auf dem Markt, welche die Chancen von IVF-Behandlungen zum Zeitpunkt des Embryotransfers erhöht. Um die Erfolgsaussichten einer IVF-Behandlung zu verbessern, wird heute oftmals mehr als ein Embryo transferiert. Dies steigert aber auch die Wahrscheinlichkeit von Mehrfachschwangerschaften mit entsprechenden höheren Gesundheitskosten und -risiken für Mutter und Kind. Das Marktpotenzial ist deshalb signifikant. Heute werden jährlich mehr als 2 Millionen ART-Zyklen (ART= Assistierte Reproduktive Technologie, A.d.R.) weltweit durchgeführt und der Fertilitätsmarkt wächst weiter. Unfruchtbarkeit betrifft etwa 11% der Paare, und die Kosten im Zusammenhang mit IVF-Mehrlingsgeburten sind sehr hoch.

Der dritte Kandidat heisst OBE022 und reduziert die vorzeitige Kontraktion der Gebärmutter und hat somit das Potenzial, eine vorzeitige Geburt zu verhindern. Die orale Einnahme solcher Medikamente ist relativ neu. Sehen Sie hier das höchste Wachstumspotenzial?

Die Raten von Frühgeburten steigen in den meisten Ländern und sind mit immensen finanziellen Auswirkungen auf das globale Gesundheitssystem verbunden. Ungefähr 10% der Babys in den Vereinigten Staaten werden vorzeitig geboren und über 1 Million Kinder unter fünf Jahren sterben aufgrund von Frühgeburtskomplikationen. Viele Säuglinge, welche die Frühgeburt überleben, sind einem größeren Risiko für zerebrale Lähmung, Verzögerungen bei der Entwicklung, Hör- und Sehstörungen ausgesetzt und sehen sich nicht selten einem Leben mit einer Behinderung gegenüber. Die Kosten, welche in den Vereinigten Staaten mit Frühgeburten verbunden sind, betrugen 2007 26.2 Milliarden Dollar. Unser Produkt OBE022, das darauf abzielt, Frühgeburten zu reduzieren oder zu vermeiden, ist eine potenzielle First-in-Class Therapie ohne Wettbewerb und hat ein dementsprechend grosses Potenzial.

Sind Sie zufrieden mit Ihrer Zweitkotierung an der SWX? Was hat Sie bewogen, diese vorzunehmen?

Als Schweizer Unternehmen sind wir überzeugt, dass die Kotierung an der SIX Swiss Exchange von grossem Wert ist. Mit unserer Kotierung möchten wir unser Profil bei Schweizer und europäischen Investoren schärfen. Die SIX Swiss Exchange ist Europas führende Börse für Life-Science-Unternehmen, und Schweizer institutionelle und private Investoren haben ein umfassendes Verständnis für den Gesundheitssektor entwickelt. Dies ist für uns attraktiv.

Zum Gesprächspartner:
Ernest Loumaye ist sowohl Dr. med. als auch PhD der Katholischen Universität Löwen im belgischen Flandern (1969-1980). Er war Mitbegründer von ObsEva im Jahr 2012. Davor amtete er sechseinhalb Jahre als CEO der biopharmazeutischen Firma PregLem in Genf. Ernest Loumaye ist Professor für Reproduktive Endokrinologie an seiner Alma Mater.

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