Abstimmung zu Brexit-Deal: May steuert auf historische Niederlage zu

Abstimmung zu Brexit-Deal: May steuert auf historische Niederlage zu
Grossbritanniens Premierministerin Theresa May.

London – Die britische Premierministerin Theresa May muss sich auf eine historische Niederlage bei der Abstimmung zu ihrem Brexit-Deal am heutigen Dienstagabend gefasst machen. Britische Medien rechnen damit, dass ihr mehr als 100 Stimmen aus dem eigenen Lager fehlen könnten.

Noch am Montag hatte May versucht, die Abgeordneten mit einem leidenschaftlichen Appell umzustimmen. Nur die Zustimmung zum Austrittsabkommen könne einen chaotischen EU-Austritt am 29. März oder eine Abkehr vom Brexit verhindern, warnte May. «Geben Sie diesem Deal eine zweite Chance», rief sie den Abgeordneten zu.

Ob der Appell der Premierministerin Wirkung zeigen wird, ist allerdings fraglich. Trotz neuer Zusicherungen aus Brüssel werden May kaum Chancen eingeräumt, eine Mehrheit für ihren Deal zu bekommen. Zu gross ist der Widerstand dagegen.

Abstimmung nach 20 Uhr erwartet
Die Debatte im Unterhaus soll voraussichtlich um kurz vor 13.00 Uhr (MEZ) beginnen. Mit Abstimmungen wird von 20.00 Uhr an gerechnet. Die Abgeordneten haben die Möglichkeit, die Beschlussvorlage der Regierung vor dem eigentlichen Votum abzuändern. Wie viele Änderungsanträge zur Abstimmung zugelassen werden, war zunächst unklar.

Die Abgeordneten könnten damit neben der Ablehnung von Mays Deal eine Richtung vorgeben, wie es weitergehen soll, oder die Zustimmung mit Bedingungen verknüpfen. Doch noch zeichnet sich für keine der möglichen Optionen eine Mehrheit ab. Zu den Forderungen zählt unter anderem eine zeitliche Befristung der Garantie einer offenen Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland (Backstop), wie sie im Austrittsabkommen festgeschrieben ist.

Grenzkontrollen auf der irischen Insel wollen alle Seiten vermeiden. Doch mit dem geplanten Austritt Londons aus der Europäischen Zollunion und dem Binnenmarkt scheinen sie unausweichlich. Der sogenannte Backstop ist heftig umstritten. Er sieht vor, dass Grossbritannien solange in einer Zollunion mit der EU bleibt, bis die Frage anderweitig gelöst ist. Kritiker befürchten, Grossbritannien könne so dauerhaft eng an die EU gebunden bleiben.

Unterstützung aus Brüssel
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk sprangen May am Montag mit einem langen Brief zur Seite, um die Bedenken der Kritiker im Parlament auszuräumen. Die nordirisch-protestantische DUP, die Mays Minderheitsregierung stützt, bezeichnete diese Zusicherungen jedoch als «bedeutungslos». Erwartet wird, dass May nach einer Niederlage erneut versuchen könnte, der EU Zugeständnisse abzuringen, um ein zweites Mal über eine Vereinbarung abstimmen zu lassen.

Die deutsche Bundesregierung wies am Dienstagmorgen einen Bericht der britischen Zeitung «The Sun» zurück, dem zufolge Bundeskanzlerin Angela Merkel May Hilfe über die bisherigen Zusagen der EU hinaus zugesichert habe. Der Inhalt eines Telefongesprächs Merkels mit May werde von der Zeitung falsch wiedergegeben, erklärte ein Regierungssprecher in Berlin. Die Zeitung hatte berichtet, dass May nach einer Hilfszusage Merkels neue Hoffnung habe, doch noch ein Brexit-Abkommen in einer zweiten Abstimmung durch das Unterhaus zu bringen.

Neben der DUP haben sich etwa 100 Abgeordnete aus dem Regierungslager bereits gegen das Abkommen ausgesprochen. Die Oppositionsparteien wollen geschlossen gegen Mays Deal stimmen. Labour-Chef Jeremy Corbyn kündigte im Fall einer Niederlage Mays ein Misstrauensvotum im Parlament an. Wann genau, liess er offen.

Wie weiter?
Auch bei einer Niederlage der Regierung ohne Vorgaben des Parlaments wäre nicht klar, was als nächstes passiert. Viele Abgeordnete forderten am Montag, den EU-Austritt zu verschieben – eine Möglichkeit, die auch in Brüssel nicht mehr ausgeschlossen wird. Doch das lehnte May am Montag vehement ab.

Nach dem Willen des Parlaments muss die Regierung im Falle einer Niederlage bis zum kommenden Montag (21.1.) einen Plan B vorlegen, über den innerhalb von sieben Sitzungstagen abgestimmt werden soll – spätestens am 31. Januar. Doch es ist unklar, ob die Regierung rechtlich an diese Vorgaben gebunden ist.

Sollte das Parlament sich auch in den kommenden Wochen nicht auf ein weiteres Vorgehen einigen, droht ein Austritt ohne Abkommen mit dramatischen Konsequenzen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche. (awp/mc/ps)

10 Downing Street

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert