Von Dina Ting, VP ETF Distribution EMA bei Franklin Templeton:
Die möglichen Überraschungskandidaten für den nächsten Zyklus sind Australien, Indien und Saudi-Arabien:
Australien: Ein vorsichtiger Anker im Wandel
Der australische Aktienmarkt hat seit Jahresbeginn in US-Dollar gerechnet rund 16,7 % zugelegt – eine moderate, aber stetige Performance, die eher Ausgewogenheit als Überschwang widerspiegelt. Das Wachstum wurde durch robuste Rohstoffexporte, einen steigenden Konsum und eine vorsichtige geldpolitische Lockerung gestützt. Die jüngsten Zinssenkungen der Reserve Bank of Australia haben zur Stabilisierung des Immobilienmarktes und des Verbrauchervertrauens beigetragen und gleichzeitig die Inflation auf einem Abwärtspfad gehalten. Der Bergbau und der Finanzsektor führten die Renditen an und glichen die Schwäche in den zyklischen Sektoren aus, obwohl die schwächere Nachfrage aus China den Eisenerz- und Lithiummarkt belastete. Die Finanzpolitik in Canberra bleibt expansiv, mit gezielten Investitionen in die Energiewende und die Infrastruktur, um die Beschäftigung aufrechtzuerhalten. Dennoch bleibt das Produktivitätswachstum hinter seinem langfristigen Trend zurück, was den längerfristigen Optimismus dämpft. Für globale Anleger ist Australien unserer Meinung nach ein Anker mit geringer Volatilität und Einkommensorientierung – eine Wirtschaft, die durch politische Stabilität und Haushaltsdisziplin gestützt wird, aber durch die Abhängigkeit vom Ausland eingeschränkt ist. Sollte Chinas Erholung ins Stocken geraten oder die Rohstoffpreise nachgeben, könnte sich die Exportdynamik verlangsamen. Nach unserer Analyse ist Australien jedoch aufgrund seiner diversifizierten fiskalischen Unterstützung und seiner Ressourcenposition besser als viele andere Länder in der Lage, die globale Unsicherheit zu bewältigen.
Indien: Die Pause vor der nächsten Etappe
Indiens Aktien legten seit Jahresbeginn in US-Dollar gerechnet um knapp 3 % zu und kühlten sich damit nach zwei Jahren starker Outperformance ab. Hohe Bewertungen, nachlassende Zuflüsse aus dem Ausland und ein langsameres Wachstum der Unternehmensgewinne haben die Stimmung gedämpft, obwohl wir glauben, dass die fundamentale Binnenkonjunktur des Subkontinents weiterhin robust ist. Der anhaltende Ausbau der Infrastruktur und die rasche Digitalisierung führen in Indien zu messbaren Produktivitätssteigerungen.
Die staatlichen Investitionsausgaben haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verfünffacht und beliefen sich im Haushaltsjahr 2025–26 auf etwa 3,4 % des BIP, während auch die Investitionsausgaben des privaten Sektors Rekordhöhen erreichten. Im digitalen Bereich verbessern Initiativen wie die Unified Payments Interface (UPI), die Ausweitung der Breitbandversorgung und die Digitalisierung der Logistik die Transaktionseffizienz und senken die Kosten.
Ende Juli kündigte US-Präsident Trump einen Zoll von 25 % auf alle aus Indien importierten Waren an, der am 1. August 2025 in Kraft treten soll. Eine Woche später erliess er jedoch eine Verordnung, mit der eine weitere Abgabe von 25 % hinzukam, sodass die Gesamtzölle auf viele indische Produkte nun bei etwa 50 % liegen. Die kürzlich angekündigten US-Zollbefreiungen für ausgewählte in Indien montierte Unterhaltungselektronik – insbesondere im Premium-Smartphone-Segment – haben jedoch die Position des Landes in den globalen Hightech-Lieferketten gestärkt. Diese Veränderungen tragen dazu bei, die Abläufe zu rationalisieren, die Kapazitätsauslastung zu erhöhen und die Produktion zu verbessern – Faktoren, die sich zunehmend in stärkeren Gesamtfaktorproduktivitätskennzahlen widerspiegeln. Beschäftigungsprogramme für den ländlichen Raum und staatliche Investitionsausgaben haben die Nachfrage gestützt, aber exportorientierte Sektoren haben aufgrund der weltweiten Konjunkturabschwächung im verarbeitenden Gewerbe nachgelassen. Einige Investoren haben sich günstiger bewerteten asiatischen Wettbewerbern zugewandt, doch die langfristige Attraktivität Indiens – begründet durch seinen demografischen Vorteil, die Expansion des verarbeitenden Gewerbes und die Reformdynamik – bleibt unserer Analyse zufolge überzeugend.
Wichtige Initiativen wie die Entwicklung von Industriekorridoren, der Ausbau erneuerbarer Energien und die Rationalisierung der Logistik dürften das mittelfristige Wachstum stützen. Wenn die finanzpolitische Vorsicht anhält und die privaten Investitionen wieder anziehen, könnte Indien 2026 seine Führungsposition unter den Schwellenländern zurückerobern, sodass die derzeitige Konsolidierung eher einen potenziellen Einstiegspunkt als einen strukturellen Rückschlag darstellt.
Saudi-Arabien: Geduld inmitten einer sich wandelnden Energielandschaft
Der saudische Markt war in diesem Jahr der schwächste unter den grossen Wettbewerbern und stieg in US-Dollar gerechnet nur um etwa 2,2 %, da gedämpfte Ölpreise und eine geringere Beteiligung ausländischer Investoren die Renditen belasteten. Der Rückgang des Brent-Preises unter 80 US-Dollar pro Barrel zu Beginn des Jahres drückte die Haushaltsüberschüsse und die Gewinne des Energiesektors und dämpfte die Investitionsbereitschaft der Anleger. Dennoch wächst die Nicht-Öl-Wirtschaft weiterhin um über 4 %, angetrieben durch Rekordzahlen im Tourismus, Immobilienentwicklungen und gross angelegte Projekte im Rahmen der Vision 2030. Die Bereitschaft der Regierung, Haushaltsdefizite zu tolerieren, spiegelt eine bewusste Strategie wider: die Finanzierung kurzfristiger Ungleichgewichte, um die langfristige Diversifizierung weg von Kohlenwasserstoffen zu beschleunigen. Im Wesentlichen tauscht Saudi-Arabien kurzfristige finanzielle Entlastung gegen strukturelle Transformation ein, gestützt durch seine starken Reserven und seine moderate Verschuldung. Der Public Investment Fund (PIF) bleibt ein zentraler Stabilisator, der Staatsvermögen in grüne Energie, Infrastruktur und Logistikzentren lenkt. Trotz der kurzfristigen Marktschwäche schreiten die Liberalisierung der Kapitalmärkte und die Diversifizierungsbemühungen voran, wobei neue Vorschriften eine stärkere Beteiligung institutioneller Anleger fördern. Die Pipeline für Börsengänge ist langsamer als erwartet, aber erneute Börsengänge im Jahr 2026 könnten die Stimmung wiederbeleben.
Für langfristige Anleger bietet Saudi-Arabien eine konträre Wertstory – kurzfristige Gegenwinde verdecken die stetige Transformation seines Wachstumsmodells von Kohlenwasserstoffen hin zu Dienstleistungen und Technologie. Mit fortschreitenden Reformen halten wir eine schrittweise Neubewertung saudischer Vermögenswerte für zunehmend plausibel. (Franklin Templeton/mc/ps)
