von Robert Jakob
Moneycab.com: Herr Kähli, der Geschäftsbericht 2024 zeigt zum ersten Mal seit Langem einen Verlust. Grund ist der Verkauf Ihrer Liegenschaft in Muttenz. Welche Erkenntnis zieht das nach sich?
Beat Kähli: Bei einem Immobilien Developer wie sitEX entstehen Gewinne in der Regel nicht auf Quartal- oder Jahresbasis. Der Zyklus ist ein Marathon, kein Sprint: Kauf eines Grundstückes, Planung, Engineering, Genehmigungsverfahren, erstellen der Infrastruktur, erstellen von Gebäuden, Erstvermietung. Erst dann erfolgen die Verkäufe, und es stellen sich die Gewinne ein. Bei ganz grossen Projekten, wie Avalon Park Daytona – rund die Hälfte der Fläche der Stadt Basel – kann es bis zu einem Jahrzehnt dauern, bis man Gewinne realisiert. Das ist sowohl in den USA als auch in der Schweiz ähnlich, ein Quartierplanverfahren kann in der Schweiz über ein Jahrzehnt dauern.
Wenn man die letzten sieben Jahre kumuliert betrachtet, hat sitEX, inklusive des leicht negativen 2024, (Bewertungskorrektur von 127 Millionen beim Verkauf der Immobilie Powerhouse in Muttenz/Baselbiet) einen Gesamtgewinn von 95.916 Franken Millionen nach Steuern erzielt. Auf das Eigenkapital berechnet entspricht das von 2018-2024 einer Rendite von 10.834 % pro Jahr. Wie sichern Sie jetzt das Eigenkapital ab?
Mitte 2017 haben VRP Christoph Stutz und ich den Aktionären, eine langfristige 10%-Rendite auf das Eigenkapital als optimistisches Ziel in Aussicht gestellt. Wie Sie sehen, haben wir das über sieben Jahre erreicht. Wichtig ist uns, dass die Eigenkapitalquote von leicht unter 40 Prozent per Ende 2024 per 30.6.2025 bei rund 50 Prozent steht, und dass die 50 Millionen-Franken-Obligation, welche an der SIX kotiert war, Mitte Juni 2025 fristgerecht und ohne Aufnahme weiterer Fremd- oder Eigenmittel zurückbezahlt werden konnte. Ebenso beläuft sich heute die Liquidität wieder auf einen tiefen zweistelligen Millionenbetrag.
Die übrigen Liegenschaften und Grundstücke in der Schweiz und den USA blieben stabil und wiesen keine grossen Auf- oder Abwertungen auf. Welchem Ihrer Objekte trauen Sie kurzfristig am meisten Aufwertungspotenzial zu?
sitEx hat eine Entwicklungspipeline von über 5 Milliarden Franken. Unser Bauland in Central Florida, Texas und der Schweiz erlaubt uns, ein Total von 13’442 Wohneinheiten und über 200’000m2 Gewerbeflächen zu erstellen. Wir bewerten diese Pipeline zur Zeit mit weniger als 5 % der geschätzten Gesamterstellungskosten in unserer Bilanz. Es ist klar, dass Grossprojekte, welche den Bau einer ganzen Stadt auf der «grünen Wiese» wie Avalon Park Wesley Chapel oder Avalon Park Daytona das grösste Aufwertungspotential haben. Da ich den Florida-Immobilienmarkt nun seit 35 Jahre kenne, weiss ich aber auch, dass bei sehr grossem Aufwertungspotential auch Risiken bestehen. Sowohl in der Sparkassenkrise anfangs der 1990er Jahre und dann vor allem in der grossen Subprime Crisis von 2008 habe ich erlebt, dass Landwerte teilweise mehr als die Hälfte nach unten korrigiert wurden. Wenn man solche Crashs, wie auch den Immobiliencrash in der Schweiz anfangs der 90er Jahre miterlebt und überlebt hat, prägt das bleibend.
«sitEx hat eine Entwicklungspipeline von über 5 Milliarden Franken. Unser Bauland in Central Florida, Texas und der Schweiz erlaubt uns, ein Total von 13’442 Wohneinheiten und über 200’000m2 Gewerbeflächen zu erstellen.»
Beat Kähli, CEO sitEX Properties Holding AG
Sie sprachen die Monetarisierung ihres milliardenschweren Projektportfolio an. Sind vor allem in den USA die Infrastrukturkosten sehr teuer? Die Vereinigten Staaten haben ja überall einen jahrzehntelangen Nachholbedarf.
Im Verhältnis zu den Immobilienpreisen sind in Florida die Infrastrukturkosten nicht überproportional gestiegen. Central Floridas Wirtschaftsleistung war vor 30 Jahren vor allem im Tourismus konzentriert, heute ist die Region breit diversifiziert. Ich bin Mitglied des Board of Directors von Advent Health, einer der grössten Spitalgruppen der USA (über 100.000 Mitarbeiter und 23 Milliarden Jahresumsatz, Hauptsitz in Orlando, A.d.R.) und konnte so hautnah erleben, wie sich der Healthcare Sektor zu einer tragenden Säule unserer lokalen Wirtschaft entwickelt hat. Die University of Central Florida (UCF) in Orlando ist heute die grösste Universität von Amerika mit über 80.000 Studenten. Der Flughafen Orlando hatte 2024 ein Passagieraufkommen von beinahe 60 Millionen Passagieren, doppelt so viele wie Zürich Kloten) und wurde in den letzten Jahren stark erweitert. Die Infrastruktur in Central Florida ist also up to date. 1970 war Orlando noch ein «Dorf» mit 30.000 Einwohnern, heute leben in der Region rund 3 Millionen Menschen und wir können über 80 Millionen Besucher pro Jahr begrüssen. Hier kann man nicht sagen, dass die Infrastruktur Nachholbedarf hat, sie ist vielmehr über die letzten Jahrzehnte mit dem anhaltenden wirtschaftlichen Boom adäquat gewachsen.
Die Unterschiede bei den Zinsen zwischen USA und Schweiz könnten grösser nicht sein. Wie steuern Sie sich da durch?
Als ich vor 30 Jahren mit meiner Frau in Fort Lauderdale unser erstes Haus gekauft habe, waren die Zinssätze für Hypotheken bei rund 11-12%, heute sind wir bei 6.75 % p.a. für eine 30-jährige Hypothek. So gesehen ist das heutige Zinsniveau in etwa in der Mitte über die letzten 30 Jahre und somit für die USA nicht wahnsinnig hoch. Wenn man sich aber an das Zinsniveau vor drei Jahren – knapp 3% p.a. – gewöhnt hatte oder Projekte auf dieser Basis gerechnet hat, dann ist diese Verdoppelung vom Tiefstwert schon eine grosse Herausforderung.
Ist die US-Baubürokratie schlimmer als die deutsche?
Wenn man bedenkt, dass in Avalon Park Orlando vor rund 25 Jahren im Dreimeilenradius noch niemand lebte und heute rund 60’000 Menschen, ist es schon so, dass man hier in Central Florida weniger Bürokratie hat als in Deutschland oder der Schweiz. Ich denke, es wäre dort von den bürokratischen Hindernissen absolut unmöglich, in dieser Zeit so rasch so viel zu bauen. Aber auch in den USA wird die Bürokratie mehr und mehr. Vor 30 Jahren – nicht, dass ich das in Ordnung finde – konnte man als Landeigentümer in Texas noch sagen: «Dieses Grundstück gehört mir und keine Behörde sagt mir was ich hier bauen darf und wie, hier entscheide ich ganz alleine, das ist mein Eigentum». Die Zeiten haben sich geändert. Auch in Texas oder in Kalifornien ist die Bürokratie vielleicht heute noch schwieriger zu navigieren als in Deutschland oder der Schweiz. In der Schweiz sehe ich die vielen mutwilligen Einsprachen gegen Bauprojekte und die daraus resultierenden Verzögerungen um Jahre, manchmal Jahrzehnte, als grosses Ärgernis. Solche Herausforderungen haben wir weder in Florida noch in Texas.
«In der Schweiz sehe ich die vielen mutwilligen Einsprachen gegen Bauprojekte und die daraus resultierenden Verzögerungen um Jahre, manchmal Jahrzehnte, als grosses Ärgernis.»
Schwerpunkt Ihrer Realisierungsstrategie ist jetzt der Avalon Park in Daytona. Wie läuft der Plan?
Wir haben Ende 2024 einen Meilenstein erreicht, indem der gesamte Verkehrsplan für Avalon Park Daytona, sowohl von der Stadt Daytona als auch von Volussia County in öffentlichen Anhörungen genehmigt wurde. Dies erlaubt uns im Jahr 2026 mit dem Bau von Downtown Avalon Park Daytona zu starten. In Daytona können wir unsere Erfahrung von über 30 Jahren im Entwickeln von grossen Immobilienprojekten in Florida einbringen.
Meine Cousine ist schon vor Jahren wie so viele Amerikaner nach Florida gezogen. Ist diese inneramerikanische Wanderbewegung weiterhin intakt?
In meinem Geburtsjahr 1964 hatte Florida knapp sechs Millionen Einwohner, die Schweiz auch. 1995 waren es in der Schweiz rund 7 Millionen und in Florida 14 Millionen. Heute sind es in Florida 23 und in der Schweiz rund 9 Millionen. Die Bevölkerung in der Schweiz ist in meinem Leben bis jetzt um rund einen Drittel gewachsen, in Florida hat sie sich in der gleichen Zeit fast vervierfacht. Das Wachstum hält an, während der Covid-Pandemie fand eine starke Zuwanderung aus Nordosten der USA nach Florida und von Kalifornien nach Texas statt. In der Folge kamen vor allem auch Menschen aus Kolumbien, Venezuela und Brasilien zu uns nach Central Florida. Für 2050 rechnet man für den Staat Florida mit einer Bevölkerung von 32 Millionen Einwohnern. In den letzten 30 Jahren wurden alle Voraussagen in Bezug auf Wachstum übertroffen. Florida wird diese Jahre die Einwohnerzahl des Kontinents Australien erreichen. Das heisst, es müssen über die nächsten 25 Jahren viele weitere Wohneinheiten gebaut werden. Da Florida eine Halbinsel ist, kann man gut sehen wie das Land knapper und entsprechend teurer wird. Darum sind wir bezüglich des Wertes unserer «Landbank» für die Zukunft optimistisch eingestellt.
«In den letzten 30 Jahren wurden alle Voraussagen in Bezug auf Wachstum übertroffen. Florida wird diese Jahre die Einwohnerzahl des Kontinents Australien erreichen.»
Sie haben bereits 2024 mit dem Bau einer wichtigen Verbindungsstrasse zum Innenstadtanschluss des Avalon Parks begonnen. Gibt es in den USA so etwas wie Private Public Partnership?
Wir haben über die Jahre eine ganze Anzahl von Public Private Partnerships mit Erfolg ausgeführt, mehrere Schulen und Strassen in sogenannten PPP’s gebaut. Wir haben über die Jahrzehnte auch gelernt, dass beim erfolgreichen Bau einer Stadt – und es gibt wenige Firmen, die für dieses Businessmodell die Geduld, Erfahrung, das Kapital und das Interesse aufbringen – am Ende ein grosser Profiteur die öffentliche Hand ist. Warum? Nun: In Florida oder Texas und allen anderen US-Staaten gibt es eine property tax, eine eigentliche Vermögenssteuer auf Immobilien, diese beträgt zwischen rund ein bis drei Prozent pro Jahr. Somit erstellt der Entwickler eine Infrastruktur, welche die öffentliche Hand dann mit Steuergeldern unterhält. Für den Staat ist das ein gutes Geschäft. In Avalon Park Orlando finden so im Jahr gegen dreissig Millionen Dollar an Grundsteuern den Weg in die Staatskasse.
Können Sie für Ihren Avalon Park einmal Details nennen?
Der Unterhalt der Infrastruktur in Avalon Park Orlando beläuft sich auf einen Betrag im einstelligen Millionenbereich. Es ist Avalon Park, Wesley Chapel erfolgreich gelungen, ein Partnership mit dem lokalen Pasco County (gut 700.000 Einwohner) auszuhandeln. Wir haben aufgezeigt, dass eine Stadt bauen, dann win/win ist, wenn der Entwickler auch einen Anteil an den zukünftigen Vermögenssteuern für Immobilien erhält, da diese ja das Resultat von dessen Investitionen in Infrastruktur und den Bau von Immobilien ist. Wir haben ein Gesamtpaket im Wert von rund 50 Millionen ausgehandelt, so erhalten wir über 30 Jahre im Downtown einen Anteil von einem Viertel an den Grundsteuern, Vergünstigungen bei Verkehrsabgaben und können sogar bei Bedarf auf nicht rückzahlbare Kredite für Bürobauten zurückgreifen.
Auf der konstanten Einkommensseite wuchsen die Mieteinnahmen auf 10,8 Millionen. Wo liegt da die mittelfristige Zielgrösse?
Wir haben im letzten Jahr in Bubendorf/BL einen Gewerbebau mit einem Aldi im Erdgeschoss und in Wesley Chapel, Florida ein rund 10.000 Quadratmeter grosses Gebäude mit Wohnungen und Gewerbeflächen gebaut. Zusammen mit den in Avalon Park Orlando vorgesehenen bis zu 500 Wohnungen und den bestehenden Bestandsliegenschaften wird sich bei sitEX (nach dem Verkauf des Powerhouse in Muttenz) bald wieder ein Gesamtmietertrag im tiefen zweistelligen Millionenbetrag ergeben. Die Mietzinseinnahmen sind aber nicht unser Hauptfokus, da wir uns als Entwickler verstehen, also Werte durch Entwicklung von Grundstücken und Gebäuden schaffen, und dann realisieren.
«Die Mietzinseinnahmen sind aber nicht unser Hauptfokus, da wir uns als Entwickler verstehen, also Werte durch Entwicklung von Grundstücken und Gebäuden schaffen, und dann realisieren.»
Wann rechnen Sie mit der Wiederaufnahme von Dividendenzahlungen?
Wir legen den Schwerpunkt auf Kapitalrückflüsse. Über die letzten sieben Jahre haben wir mehr als 60 Millionen Franken in Form von Aktienrückkäufen und Nennwertrückzahlungen an die Aktionäre ausbezahlt, also mehr als das ursprünglich einbezahlte Eigenkapital. Der Verwaltungsrat von sitEX kontrolliert rund 85% aller Aktien. Dr. Christoph Stutz und ich sind zusammen mit rund 200 Millionen bei SitEX durch Aktienbesitz und Garantien engagiert. Zusammen mit den weiteren 10 Aktionären, welche grössere Anteile an sitEX besitzen (zusammen rund 13 %) und mit denen wir seit Jahren in freundschaftlicher Partnerschaft verbunden sind, wollen wir in den nächsten sechs Monaten Schritte zu einem «Umbau» von sitEX ergreifen. Wir wollen Aktionäre weitgehend selber entscheiden lassen, ob sie via sitEX an allen Projekten der Firma indirekt beteiligt sind oder ob sie sich gezielt unter dem Einsatz ihrer Aktien (oder Teilen davon) an Einzelprojekten beteiligen wollen. So wird es möglich sein, als Aktionär zu entscheiden, ob man fokussieren, diversifizieren oder monetarisieren will. Der Umbau ist auch darum angezeigt, da sich durch den Verkauf des Powerhouse und den Aufbau der riesigen Landpipeline in Florida die Kräfte der Gesellschaft in Bezug auf die Vermögenswerte Richtung USA verschoben haben. Die Frage, wann und in welcher Form weitere Ausschüttungen erfolgen, werden wir darum im Rahmen dieser Neustrukturierung in den nächsten 6 Monaten partnerschaftlich als Eigentümer der Firma mit unseren Miteigentümern klären.