EY-Studie: Schweizer Unternehmen sehen Nachhaltigkeit als Chefsache

Nachhaltigkeit

Zürich – Das Thema Nachhaltigkeit hat für Schweizer Grossunternehmen weiter an Bedeutung gewonnen: Im letzten Geschäftsjahr haben gemäss einer aktuellen Studie von EY Schweiz 55 Prozent der grössten Schweizer Unternehmen einen Bericht dazu veröffentlicht. Das sind leicht mehr als im Vorjahr. Zudem haben sie dabei die Transparenz ausgeweitet und umfangreicher berichtet. Ein Grossteil der Unternehmen verzichtet auf die Prüfung ihrer Zahlen. Weiter haben knapp ein Drittel der Unternehmen Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie explizit verankert. Die heute Montag vom Europäischen Rat verabschiedeten Bestimmungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung sollen das Thema auf die Traktandenliste der Konzern­leitungen bringen. Die neuen Bestimmungen erhöhen gemäss der Einschätzung von EY auch den Druck auf Schweizer Firmen, ihr Nachhaltigkeitsmanagement zu verstärken.

Die EU hat heute beschlossen, dass börsenkotierte Unter­nehmen und Finanzinstitute mit mehr als 500 Mitarbeitenden über ihre Nachhaltigkeitsleistungen öffentlich berichten müssen. Konkret geht es um soziale und mitarbeiterbezogene Aspekte, um Umwelt, Menschenrechte, Korruption, Bestechung und Diversity. «Die Verpflichtung zum Reporting ist ein zentraler Hebel des Gesetzgebers, um alle grossen Firmen dazu zu bringen, sich um Themen wie Umweltschutz und Menschenrechte zu kümmern», sagt der für Climate Change and Sustainability Services zuständige Partner bei EY Schweiz, Roger Müller. Viele Unternehmen hätten sich zwar dem Thema angenommen, das wirtschaftliche Potenzial eines effizienten Nachhaltigkeitsmanagements aber noch nicht umfassend erkannt.

Gemäss der ebenfalls heute Montag veröffentlichten Studie des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY (Ernst & Young) geben nur knapp ein Drittel der Schweizer Konzerne an, dass Nachhaltigkeit in ihrer Unternehmensstrategie verankert ist. Bei gut der Hälfte der Unternehmen ist die Nachhaltigkeit zumindest eng mit der Unternehmensstrategie verknüpft. Vier Fünftel der befragten Unternehmen sehen es allerdings als nötig an, dass Nachhaltigkeit eng an die Strategie gebunden sein sollte. Eine deutliche Mehrheit der befragten Unternehmen antwortete, dass die Geschäftsleitung als Gremium die Hauptverantwortung für die Thematik Nachhaltigkeit innehat.

«Unsere Umfrage zeigt die aktuelle Lage vieler Firmen klar auf: Führungskräfte auf allen Ebenen sehen zwar Nachhaltigkeit als zentrales Thema, aber wenn es um die konkrete Umsetzung und Implementierung von Nachhaltigkeitsprogrammen sowie die Erfüllung von Rechenschaftspflichten geht, haben zahlreiche Unternehmen noch einen weiten Weg vor sich», erläutert Roger Müller.

Ziel ist klar die Steigerung des Unternehmenswerts
Nachhaltigkeit ist für die meisten Unternehmen kein Schönwetterthema mehr, das nur zu Marketingzwecken gepflegt wird: 88 Prozent der Befragten gaben an, dass das wichtigste Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie die Erhöhung des Unternehmenswerts sei. 67 Prozent wollen damit Wettbewerbsvorteile erzielen oder die Erwartungen von Kunden, Lieferanten oder der Gesellschaft erfüllen. Bei 58 Prozent der Antwortenden geht es darum, interne und externe Geschäftsrisiken zu identifizieren und zu adressieren. Rund die Hälfte will mittels eines vorbildlichen Nachhaltigkeitsmanagements Mitarbeitende, Kunden oder Investoren gewinnen und binden. Kosteneinsparungen stehen nur für einen Drittel im Vordergrund.

Die Umfrage zeigt weiter, dass die befragten Unternehmen ihre Kunden als die Gruppe mit der grössten Relevanz für die Nachhaltigkeitsstrategie ansehen, gefolgt von Mitarbeitern, der Öffentlichkeit, Aktionären und Regulatoren. Die Unternehmen sind der Auffassung, dass Analysten ihre Nachhaltigkeitsleistung sehr wohl zur Kenntnis nehmen: Die Hälfte der befragten Unternehmen glauben, dass diese die ökologischen und sozialen Faktoren für die Bewertung des Unternehmens beachten. Nur ein Fünftel geht davon aus, dass Analysten diese Informationen ignorieren.

Nachhaltigkeitsbericht oft zu stark im Fokus
Weiter zeigt die Umfrage deutlich, dass Nachhaltigkeitsinformationen hauptsächlich zur Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts erhoben werden, denn fast zwei Drittel der Unternehmen sammeln die Daten auf jährlicher Basis. «Der Nachhaltigkeitsbericht steht bei vielen Unternehmen noch zu stark im Fokus. Nachhaltigkeit ist kein Thema, das jährlich im ganzen Unternehmen zusammengetragen wird und dann wieder in Vergessenheit geraten darf. Ohne klare Ziele und eine Strategie werden Nachhaltigkeitsberichte nach wenigen Jahren zu Feigenblättern», gibt Mark Veser, Senior Manager Climate Change and Sustainability Services bei EY Schweiz, zu bedenken.

Mehr und transparentere Berichte
Die Anzahl der von den 110 grössten Unternehmen der Schweiz veröffentlichten Nachhaltigkeitsberichte ist von 58 im Jahr 2012 auf 60 Berichte im Jahr 2013 gestiegen. Die Entwicklung im Vergleich zu den Vorjahren ist konstant. Zudem stieg die Transparenz, da die Anzahl ausgewiesener Kennzahlen erhöht wurde. So hat sich die Anzahl Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsleistungen umfassend offenlegen, von 47 auf 52 erhöht.

Die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) bleiben weiterhin der am weitesten verbreitete Standard bei den berichtenden Unternehmen. Rund drei Viertel berichten auf dieser Basis, zehn davon folgen bereits der im vergangenen Jahr publizierten neuen Version der Richtlinien. Zahlreiche Unternehmen wollen ihre Berichterstattung nun umstellen. Ein Grossteil der Unternehmen verzichtet auf die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Rund ein Drittel der Berichte der grössten 110 Schweizer Unternehmen (21 Berichte) sind extern verifiziert. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieser Wert nahezu unverändert geblieben.

Auswirkungen der EU-Regulierung auf die Schweiz
Mark Veser rechnet damit, dass diese neue EU-Direktive auch an der Schweiz nicht spurlos vorübergehen wird: «Direkte Auswirkungen haben die neuen Regeln auf an EU-Börsen kotierte Schweizer Unternehmen. Andere Firmen werden voraussichtlich den Druck spüren, beim Nachhaltigkeitsreporting zu ihren europäischen Kollegen aufzuschliessen, um bei Ausschreibungen oder Ratings keine Nachteile zu erleiden.»

In der Schweiz sind verschiedene politische Aktivitäten angelaufen: Bei der aktuellen laufenden Revision des Umweltschutzgesetzes ist vorgesehen, dass der Bundesrat bestimmte Firmen verpflichten kann, darüber zu berichten, ob und wie international anerkannte ökologische Standards eingehalten werden. Weiter hat die aussenpolitische Kommission des Nationalrats den Bundesrat beauftragt, einen Vorschlag zur Einführung der Sorgfaltsprüfungspflicht für Unternehmen bezüglich Menschenrechten und Umwelt auszuarbeiten. Verschiedene Nichtregierungsorganisationen haben zudem die Kampagne «Recht ohne Grenzen» gegründet und beraten über die Lancierung einer ähnlich gerichteten Volksinitiative.

Drei Erfolgsfaktoren
Mark Veser sieht seine drei Erfolgsfaktoren für ein Nachhaltigkeitsmanagement durch die Studie und die politischen Aktivitäten bestätigt: «Wenn Firmen es schaffen, anspruchsvolle und explizite Ziele für die Nachhaltigkeit zu setzen, eine einheitliche und auf wenige Kernpunkte fokussierte Strategie zu erarbeiten und das Thema eine breite Abstützung im Topmanagement hat, sind die Voraussetzungen gegeben für ein erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement, das durch die Integration in bestehende Prozesse einen substanziellen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet.» (EY/mc/ps)

Über die Studie
Die Studie umfasst zum einen eine systematische Analyse der Nachhaltigkeitsberichterstattung der 110 grössten Schweizer Unternehmen sowie der 50 Unternehmen des SMI Expanded (insgesamt 118 Unternehmen. Zum anderen wurde bei denselben Unternehmen eine schriftliche Befragung durchgeführt, an der 24 Unternehmen teilgenommen haben. Die Umfrage wurde hauptsächlich an die CFOs der Unternehmen gesandt. Die allermeisten der Unternehmen (87 Prozent), die geantwortet haben, berichten auch über ihre Nachhaltigkeitsleistung und können daher als führende Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit angesehen werden.

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