Frauen in der Finanzbranche: Noch lange nicht am Ziel

Karriere Aufstieg

Die Finanzwirtschaft bietet im Branchenvergleich die schlechtesten Aufstiegschancen für Frauen.

Zürich – In keiner Branche haben Frauen eine so geringe Chance, aus dem mittleren Management in die Führungsetage aufzusteigen wie in der Finanzwirtschaft. Einer der Hauptgründe dafür liegt in der Kultur der Branche. Sie ist von traditionell als männlich wahrgenommenen Attributen geprägt, wodurch eine unbewusste Tendenz entsteht, Frauen zu benachteiligen. Nur vier Prozent der grössten Finanzdienstleistungsunternehmen weltweit werden von einer Frau geführt, der Anteil der Frauen auf Ebene der Konzernleitung liegt bei 13 Prozent. Verglichen mit anderen Industrien ist der Prozentsatz der weiblichen Führungskräfte damit auf ähnlich niedrigem Niveau, so eine aktuelle Studie der Managementberatung Oliver Wyman zur Rolle von Frauen in der Finanzdienstleistungsbranche.

Die Untersuchung mit dem Titel „Women in Financial Services“ beruht auf quantitativen und qualitativen Analysen zur Geschlechterverteilung von Führungskräften bei mehr als 150 der wichtigsten Finanzunternehmen weltweit sowie einer Befragung von 1.000 Angestellten und Studentinnen und Studenten der Branche.

Danach ist der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten bei Banken und Versicherungen in den vergangenen Jahren zwar deutlich gestiegen. Auf Konzernleitungsebene bleiben sie jedoch mit 13 Prozent klar unterrepräsentiert, und ihr Anteil steigt nur langsam. Zugleich besetzen Frauen häufig Positionen, in denen der Erfolg nicht unmittelbaren Einfluss auf Gewinn und Verlust hat. So werden in den Bereichen Recht, Compliance, Audit und Marketing über 25% der Führungsposten von Frauen besetzt, im Bereich Personal sogar in über der Hälfte der Fälle. Es sind jedoch gerade die Posten mit unmittelbarem Bezug zur Unternehmensbilanz, die gemäss der Studie an die Spitze führen.

Signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Ländern
Auffällig sind die signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Anteils von Frauen in Führungspositionen von Finanzinstituten zwischen den untersuchten 19 Ländern. Dabei wurden in Skandinavien die deutlichsten Fortschritte festgestellt: So sind in Norwegen 35% der Konzernleitungsmitglieder weiblich, in Schweden 29%. Auch Russland schneidet mit 20% gut ab, während die Schweiz mit Platz 18 von 19 im hinteren Drittel landet. Hierzulande hat sich der Anteil der Frauen in Führungspositionen im Zeitraum von 2003 bis 2013 auf sehr niedrigem Niveau leicht erhöht. Während es 2003 noch gar keine weiblichen Vorstände in der Schweiz gab, hat sich ihr Anteil bis im Jahr 2013 auf sechs Prozent erhöht. In Japan war im vergangenen Jahr sogar kein einziger Vorstandsposten von einer Frau besetzt.

Die Finanzbranche muss sich im Wettbewerb um die besten Talente positionieren
Die Studie stellt fest, dass sich die Dominanz von Männern in Führungspositionen der Finanzbranche ändern muss, wenn die Unternehmen Talente effektiv nutzen und Diversität in den Führungsetagen erhöhen wollen. „Der Mangel an Vielfalt in unserer Branche – ob Geschlecht oder anderweitig – verringert auf lange Sicht die Geschäftschancen. Die Finanzdienstleistungsbranche greift im Wettbewerb um Talente zu kurz und ist beim Thema Diversität noch lange nicht am Ziel“, sagt Stefan Jaecklin, Partner bei Oliver Wyman in Zürich. „Eine diverse Arbeitswelt verbessert Entscheidungsfindung, Leistung, Nachhaltigkeit, Service und Erträge. Die Veränderungen müssen über den evolutionären Wandel hinaus vorangetrieben werden.“

Wie die Studie zeigt, hindern zum einen die aktuellen Arbeitsmodelle in der Finanzbranche Frauen am Erfolg. Interviews mit Führungskräften zeigen zum anderen, dass die Kultur der Finanzdienstleistungsbranche von traditionell als männlich wahrgenommenen Attributen geprägt ist, wodurch eine unbewusste Tendenz entsteht, Frauen zu benachteiligen.

Frauen und Männer nehmen die damit verbundenen Herausforderungen ganz unterschiedlich wahr: 51% der Frauen finden, dass eine fairere Geschlechterverteilung in Führungspositionen oberste Priorität haben sollte, doch nur 30% der Männer sind derselben Meinung. Die Erhöhung der Vielfalt in Führungspositionen von Finanzunternehmen ist für etliche Unternehmen inzwischen jedoch ein zentrales Thema. Um Diversität erfolgreich umzusetzen, muss diese von einem stiefmütterlichen Projekt der Personalabteilung zu einer grundsätzlichen Bedingung für die Führung von Finanzinstituten werden. (Oliver Wyman/mc/ps)

Über die Studie
„Women in Financial Services“ untersucht die Frage, was Frauen daran hindert, an die Spitze von Finanzinstituten vorzustossen, und wie die Branche Hindernisse beseitigen kann. Anlass für die Studie war eine Initiative zur mangelnden Geschlechter-Diversität bei Oliver Wyman selbst und die anschliessende Entwicklung und Umsetzung interner Initiativen. Die Studie umfasst qualitative und quantitative Forschung zur Geschlechterverteilung von Führungskräften in über 150 internationalen Firmen sowie die Befragung von 1.000 Angestellten und potenziellen Mitarbeitern von Finanzdienstleistern. Ausserdem wurden Tiefeninterviews mit 60 überwiegend weiblichen Führungskräften in leitenden Funktionen der Branche geführt.
Zur Verbesserung des Ungleichgewichtes von Männern und Frauen werden in dieser Studie sechs Initiativen vorgestellt: das Hinterfragen bewusster und unbewusster Vorurteile; die Bestärkung von Frauen, früh auf ihrem Karriereweg bilanzrelevante Positionen zu übernehmen; die Förderung familienfreundlicher Arbeitsweisen; die Einführung von Mentoren- und Sponsorenprogrammen sowie die Definition und konsequente Umsetzung von Diversitätszielen. Sie umfasst zudem individuelle Artikel zu den Themen Frauen in Aufsichtsräten, Frauen und Risikokultur, Erkenntnisse aus der Geschlechterdebatte in der KfZ-Versicherung, Frauen als Konsumenten von Investmentprodukten, Case Studies aus Russland, Skandinavien und Kanada sowie zu Oliver Wymans eigenen Initiativen zum Thema Geschlechterdiversität.
Die Studie ist unter http://www.oliverwyman.com/insights/publications/2014/dec/women-in-financial­services.html zum Download erhältlich.

Über Oliver Wyman
Oliver Wyman ist eine international führende Managementberatung mit weltweit 3.000 Mitarbeitern in mehr als 50 Büros in 25 Ländern. Das Unternehmen verbindet ausgeprägte Branchenspezialisierung mit hoher Methodenkompetenz bei Strategieentwicklung, Prozessdesign, Risikomanagement und Organisationsberatung. Gemeinsam mit Kunden entwirft und realisiert Oliver Wyman nachhaltige Wachstumsstrategien. Wir unterstützen Unternehmen dabei, ihre Geschäftsmodelle, Prozesse, IT, Risikostrukturen und Organisationen zu verbessern, Abläufe zu beschleunigen und Marktchancen optimal zu nutzen. Oliver Wyman ist eine hundertprozentige Tochter von Marsh & McLennan Companies (NYSE: MMC). Weitere Informationen finden Sie unter www.oliverwyman.com.

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