OBT: Stolpersteine beim Gewinnverwendungsvorschlag

(Foto: OBT)

St. Gallen – Mit Inkrafttreten des neuen Aktienrechts per 1. Januar 2023 wurden neue Regelungen zur Gewinnverwendung und zur Verlustverrechnung erlassen. In der Praxis sind verschiedene Fragen aufgekommen, wie der Gewinnverwendungsantrag bei Vorliegen von verschiedenen spezifischen Sachverhalten dargestellt werden soll. Dieser Beitrag versucht, die Unsicherheiten in der Praxis durch anschauliche Beispiele zu verringern.

Die neuen Regeln, die Anfang 2023 in Kraft getreten sind, betreffen die Gliederungsvorschriften beim Eigenkapital, die Reservezuweisung sowie die Verlustverrechnung. Gemäss Art. 959a Abs. 2 Ziff. 3 OR muss das Eigenkapital entsprechend seiner Fälligkeit ausgewiesen werden, und mindestens folgende Positionen müssen einzeln und in der vorgegebenen Reihenfolge aufgeführt sein:

Die neuen Vorgaben zur Reservezuweisung finden sich in Art. 672 OR. Seit Inkrafttreten des neuen Aktienrechts sind einheitlich 5% des Jahresgewinns den gesetzlichen Gewinnreserven zuzuweisen, bis diese zusammen mit den gesetzlichen Kapitalreserven 50% des eingetragenen Kapitals der Gesellschaft betragen. Für Holdinggesellschaften liegt die Grenze für die Zuweisung bei 20% des eingetragenen Gesellschaftskapitals.

Des Weiteren wird im neuen Aktienrecht, Art. 674 OR, auch die Verrechnung von Verlusten geregelt. Diese sieht nun eine gesetzlich definierte Reihenfolge der Verlustverrechnung vor:

Schliesst eine Jahresrechnung mit einem Verlust ab, ist dieser mit dem Gewinnvortrag und, falls dieser nicht ausreicht, mit den freiwilligen Reserven zu verrechnen. Die Verrechnung erfolgt jedoch nur in dem notwendigen Umfang, um den Verlust auszugleichen. Diese Vorgehensweise ist verpflichtend, und weder der Verwaltungsrat noch die Generalversammlung haben die Möglichkeit, davon abzuweichen.

Anders gestaltet sich die Situation bei der Verrechnung von Verlusten mit den gesetzlichen Gewinn- und Kapitalreserven. Hier hat die Generalversammlung die Möglichkeit, auf eine Verrechnung zu verzichten und die Verluste in die nächste Geschäftsperiode vorzutragen – entweder auf Antrag des Verwaltungsrats oder aus eigener Initiative. Voraussetzung hierfür ist, dass keine verrechnungspflichtigen Gewinnvorträge oder freiwilligen Reserven mehr vorhanden sind. Zudem muss entweder ein «Antrag auf Verlustvortrag» gestellt oder der entsprechende Beschluss im Protokoll der Generalversammlung festgehalten werden.

Die nachfolgenden Gewinnverwendungsvorschläge sind illustrative Beispiele und decken nicht jeden möglichen Fall ab.

Beispiel 1: Gewinnverwendung zwingende Verlustverrechnung

Die Jahresrechnung schliesst mit einem Verlust ab. Der Verlust muss zwingend mit dem Gewinnvortrag sowie den freiwilligen Gewinnreserven verrechnet werden. Der Verlust wird durch die Verrechnung ausgeglichen. In diesem Fall braucht es keinen Gewinnverwendungsvorschlag gemäss Art. 674 Abs. 1 OR, da der Bilanzverlust von Gesetzes wegen direkt mit dem Gewinnvortrag und den freiwilligen Gewinnreserven verrechnet wird.

Nach der Genehmigung der Jahresrechnung durch die Generalversammlung ergibt sich folgende Eigenkapitalsituation:

Die handelsbilanzielle Verbuchung der gesetzlich erforderlichen Verrechnung findet erst im Folgejahr statt, da der vollständige Jahresverlust im Jahresabschluss explizit auszuweisen ist.

Beispiel 2: Gewinnverwendung teilweise zwingende Verlustverrechnung

Der Antrag zur Verlustverrechnung (Variante 1) oder zum Vortrag des Bilanzverlusts auf neue Rechnung (Variante 2)

In Variante 2 (Vortrag Bilanzverlust) liegt es in der Kompetenz der Generalversammlung, den Vortrag auf neue Rechnung anstelle einer Verrechnung mit den gesetzlichen Reserven zu beschliessen. Dementsprechend muss der Verwaltungsrat der Generalversammlung den Vortrag beantragen. (OBT/mc/ps)

Fazit

Mit Inkrafttreten des neuen Aktienrechts wurden klare Regelungen zur Gewinnverwendung und zur Verlustverrechnung geschaffen. Die Bestimmungen zur Verlustverrechnung beeinflussen auch den Antrag des Verwaltungsrats zur Verwendung des Bilanzgewinns. Es ist wichtig, zu unterscheiden, in welchen Fällen es einen Antrag benötigt und in welchen nicht. Eine sorgfältige Umsetzung bleibt entscheidend, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.

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