Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Kein Wachstum ohne Schulden

Martin Neff

von Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff. (Foto: Raiffeisen)

Von Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen (Foto: Raiffeisen)

Der IMF hielt letztes Wochenende seine jährliche Research Konferenz unter dem Titel «Unconventional Monetary and Exchange Rate Policy» ab. Das wäre normalerweise keine grosse Meldung, wenn da nicht unterschwellig der Helikopter wieder aufgetaucht wäre. Der Helikopter steht für die Erweiterung des geldpolitischen Handlungsspielraums, der für nötig befunden wird, weil man mit der ewigen Geldmengenexpansion in die Liquiditätsfalle geriet. Etwas vereinfacht ausgedrückt gibt es Denker in der Ökonomie, die es für richtig halten, dass die Notenbanken Geld direkt Haushalten oder Staaten zur Verfügung stellen. Doch wofür überhaupt? Ganz klar, es geht um Wachstum.  

Fiskalregime
Es ist zweifellos richtig. Das viele Geld das in die Finanzmärkte gepumpt wird, kommt nicht an, wo es eigentlich sollte – in der realen Wirtschaft. Doch daraus den Schluss zu ziehen, man müsse nun den Staaten ermöglichen, mit monetärer Hilfe die Defizite der öffentlichen Haushalte wieder hochzufahren, ist sehr verwegen und lässt sich eigentlich nur so erklären: Wachstum um jeden Preis. Die goldenen Zeiten der Fiskalpolitik als wichtigstes Instrument der Konjunkturpolitik sind längst passé. Den Beweis, dass die aktiven fiskalpolitischen Massnahmen wirklich die erwünschten Wirkungen zeitigten, sind diese schuldig geblieben. Das einzig gesicherte Resultat der Dekaden fiskalpolitischen Experimentierens waren deutlich höhere Verschuldungsquoten der Industrieländer.

Geldregime
Seit rund 20 Jahren sind es weniger die Konjunkturzyklen, die ohnehin dank der Globalisierung geglättet wurden, welche der Wirtschaft zusetzen, sondern Finanz(markt)krisen. Die jüngste riss sogar die ganze Welt in die Rezession. Und so wie der damalige Chef der US-Notenbank Alan Greenspan 1987 im Oktober den Börsencrash mit Geldfluten löschte, tun es die Geldhüter seither und noch heute – immer ungehemmter. Gestreng dem Motto: «ich kann meine Währung ruhig schwächen, so lang ich nicht sage, dass ich das möchte», hatten und haben wir jüngst offiziell gar keinen Währungskrieg. Quantitative Easing gehört heute zum Standardrepertoire eines jeden Geldhüters, obwohl der Beweis der Wirkung kaum exakt beurteilbar ist. Geschweige denn die Nebenwirkungen. Die Selbstverständlichkeit, mit der die Geldpolitiker heute ihr Werk verrichten und immer neue Massnahmen hervorzaubern, ruht auf dem Wissen des Machtmonopols. Und das wird mittelfristig unbehaglich. Längst schon sind die Notenbanken Gehilfe des schuldenbasierten Kampfes um etwas Wachstum in den gesättigten Volkswirtschaften. Sie führen einen paradoxen Kampf gegen eine gute, von ihnen aber als gefährlich eingeschätzte Deflation und betreiben direkt oder indirekt heute schon eine Art von Staatsfinanzierung, die nur nicht so heissen (darf). Der Helikopter entspringt der Hoffnung aber kaum dem Wissen, dass man heute mit urgewaltigem Aufwand eine Wachstumsmaschinerie in Gang setzen kann, die später nicht nur eine reife Ernte verspricht, sondern auch noch die Begleichung der Verbindlichkeiten. Am Ende ist dies aber nur die Fortsetzung des simplen Wachstums auf Pump und einem gesicherten Resultat: noch mehr Schulden.

Auftrag erfüllt
Als unumstrittene Retter der Welt hatten die Zentralbanken beim Ausbruch der Finanzkrise einen lobenswerten Einsatz und die Welt Ende 2008 vor einer schlimmeren Rezession bewahrt. Sie haben es nur leider verpasst, auszusteigen. Und laufen nun Gefahr, dass der Glanz verblasst. Die Börse in Amerika hatte gestern wieder einen Zinspanikschub und zog die europäischen Märkte im späten Handel auch noch mit runter – obwohl in Europa nicht einmal ein Hauch einer Zinswende denkbar ist. Auch weitere Panikattacken der Märkte sollte Frau Yellen tunlichst ignorieren und im Dezember die Zinsschraube drehen. Das wäre ein positives Signal der wichtigsten Frau der Welt: «seht her, wir brauchen keinen Rettungshelikopter, denn unser Auftrag ist nun beendet». So könnte die kleine Zinswende am Ende zur erlösenden Neuigkeit für die Märkte werden.  (Raiffeisen/mc/ps)

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