Neue EU-Regeln: Aktionäre und Kunden müssen künftig Banken retten

Jeroen Dijsselbloem

Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. (Copyright: Rijksoverheid)

Brüssel – Marode Banken werden in Europa künftig als erstes von den Aktionären und Kunden gerettet – und nicht mehr allein von den Steuerzahlern. Auf diese Regeln für die Sanierung und Schliessung von Kriseninstituten haben sich die EU-Finanzminister in der Nacht zum Donnerstag in Brüssel geeinigt. Die EU-Staaten haben eine genaue Reihenfolge festgelegt, in der Inhaber, Gläubiger und Sparer an den Kosten beteiligt werden. «Der Finanzsektor wird nun zu einem grossen, grossen Teil selbst für seine Probleme einstehen müssen», bilanzierte der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, der zugleich Chef der Eurogruppe ist, nach den siebenstündigen Verhandlungen.

Kleinsparer mit Einlagen bis 100 000 Euro sind dabei geschützt. Vermögende Sparer und kleine Unternehmen mit Einlagen oberhalb dieser Grenze sollen erst zum Schluss an der Reihe sein. Erstmals wurden Grossanleger im Frühjahr in Zypern für eine Bankenrettung herangezogen. Im Fall einer Bankenkrise soll der Beitrag der Aktionäre und Gläubiger mindestens acht Prozent der gesamten Verbindlichkeiten ausmachen, um Verluste abzudecken.

Aktionäre und Gläubiger werden stärker in die Pflicht genommen
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach von einem «wichtigen Schritt», da der Staat – sprich der Steuerzahler – nur noch an letzter Stelle Löcher in den Bankbilanzen stopfen müsse: «In erster Linie haften die Eigentümer und Gläubiger der Banken.» Zudem müssen die Banken in nationale Abwicklungsfonds einzahlen. Aus diesen Töpfen werden dann die Rettungskosten bestritten, falls eine Bank in Schieflage gerät und dringend Hilfe benötigt. Die EU-Richtlinie gibt den Ländern zehn Jahre Zeit für den Aufbau solcher Fonds.

Nun werden die Verhandlungen mit dem Europaparlament aufgenommen, das dem Gesetzespaket zustimmen muss. Eine Einigung soll bis Ende des Jahres stehen.

Banken sollen verantwortungsvoller handeln
Mit den Auflagen will die EU dafür sorgen, dass die Banken verantwortungsvoller handeln. Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici sagte, dies werde «die Finanzstabilität in Europa erhöhen». Die Haftung von Eigentümern und Gläubigern soll nur bei Grossbanken greifen, kleinere Institute können künftig einfacher geschlossen werden. Die EU vollzieht damit eine Wende: In der Bankenkrise 2008 hatte stets der Steuerzahler für die Rettung von Instituten einspringen müssen.

Die gemeinsamen Abwicklungsregeln sind ein Pfeiler der angestrebten Bankenunion, die Bankenkrisen künftig verhindern soll. Eine zentrale Aufsicht, die bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt ist, wird im Sommer 2014 ihre Arbeit aufnehmen. Vorschläge für gemeinsame europaweite Regeln für die Schliessung oder den Umbau einer Bank will die EU-Kommission Anfang Juli vorstellen. Bei den Verhandlungen der Minister waren bis zuletzt nationale Sonderforderungen umstritten. Nun ist erlaubt, in besonderen Fällen bestimmte Gelder auszunehmen. Dafür hatte sich vor allem Frankreich eingesetzt. Auch die Auszahlung der Gehälter und Renten der Beschäftigten gehört dazu.

«Ausgewogener Kompromiss»
Auch Nicht-Euro-Länder wie Schweden, die keinen Zugang zum Euro-Rettungsschirm ESM haben, hatten Sonderregelungen gefordert. Deutschland hatte sich stets für einheitliche Regeln und eine weitreichende Beteiligung der Gläubiger eingesetzt. Für Frankreich war zudem wichtig, dass der Euro-Rettungsschirm ESM als Ultima Ratio direkte Bankenhilfen vergeben kann. Dafür stehen 60 Milliarden Euro zur Verfügung. EU-Kommissar Michel Barnier, der den Gesetzentwurf vor einem Jahr vorgelegt hatte, sprach von einem «ausgewogenen Kompromiss». Und weiter: «Diese Einigung wird helfen, die fatale Verbindung zwischen Staaten und Banken zu überwinden.» So musste etwa in Spanien der Staat marode Banken stützen und war damit selbst an den Rand der Pleite geraten. (awp/mc/upd/ps)

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